Dass Lara Herter in Albstadt zu den Gemeinderäten mit Biss gehört, ist der 24-Jährigen nicht anzusehen. Noch sitzt sie in der SPD-Fraktion in der zweiten Reihe. Viele trauen ihr jedoch eine politische Karriere in den vorderen Reihen – auch auf Landes- oder Bundesebene – zu. Foto: Eyrich Foto: Schwarzwälder Bote

Wahlen: Lara Herter setzt sich als jüngste Albstädter Stadträtin für mehr als die Belange ihrer Generation ein

Albstadt. Was Einsatz und Ernsthaftigkeit angeht, könnten sich viele eine dicke Scheibe abschneiden bei ihr. Lara Herter, 24 Jahre alt und seit 2014 SPD-Stadträtin in Albstadt (Zollernalbkreis), macht vor, dass das Sprichwort stimmt: "Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg."

"Noch bin ich Schülerin – das bedeutet aber auch, dass ich zumindest lernfähig bin. Im Falle meiner Wahl in den Gemeinderat werde ich mir enthusiastisch die notwendigen Fertigkeiten aneignen", hatte Herter, damals 19 und kurz vor dem Abitur, im Interview mit unserer Zeitung keck angekündigt, als sie 2014 für den Gemeinderat kandidierte.

Auf Platz zehn der SPD-Liste, als Frau und Einwohnerin von Onstmettingen, das 5000 der 45 000 Albstädter zählt, hatte sie sich nicht allzu viele Hoffnungen gemacht, als eine von 28 Kandidaten unter 30  Jahren einen der 32 Sitze zu ergattern. Am Ende war sie die Einzige – und vertrat bis zum Nachrücken der 33-jährigen Sabrina Hipp 2018 im Alleingang ihre Generation in der größten Stadt des Zollernalbkreises.

Mit welch großem Einsatz sie das bewerkstelligt, macht manche Beobachter sprachlos: Zwischen Tübingen, wo sie Rechtswissenschaften, und Sigmaringen, wo sie Energiewirtschaft studiert, pendelt die überzeugte Umweltschützerin mit dem Zug. Sie schafft es dennoch, ihre Termine als Vorsitzende der Jusos und stellvertretende Vorsitzende der SPD im Zollernalbkreis, bei Fraktions-, Gemeinderatssitzungen, bei Tagungen des Ausschusses für Soziales, Kultur, Schulen und Sport oder im Beirat der Musik- und Kunstschule wahrzunehmen. Streiken die Schüler gegen die aktuelle Klimapolitik, oder tagt der Arbeitskreis Chambéry, ist Herter ebenso dabei wie bei Treffen mit den Freunden aus der französischen Partnerstadt und Zusammenkünften des Kulturvereins Tal-Gang-Art, den sie mitgegründet hat.

Maßstäbe setzt die junge Stadträtin aber nicht nur in Sachen Pensum. Es ist ihr Schneid, der viele beeindruckt, wenn sie im Gemeinderat das Wort ergreift. Furchtlos und deutlich bringt sie dann ihre Stellungnahmen vor und soll in nichtöffentlichen Sitzungen schon die Wände zum Wackeln gebracht haben, wie es heißt. Dass sie vor solchen Reden "immer ein bisschen aufgeregt ist" – das räumt sie unverhohlen ein.

Wer Herter sieht und nicht kennt, würde es ihr nicht zutrauen: Der Pony, das stets glatt und glänzend gebürstete Haar, die brave Brille und die zart gemusterten Halstücher, die sie zuweilen trägt, lassen den Vulkan nicht vermuten, der schnell ausbrechen kann, wenn Herter für die Interessen junger Menschen, sozial Schwacher, für Umwelt, Tierschutz und für Bildungschancen kämpft.

Sie weiß längst, dass Reden am Ratstisch alleine nicht reicht

Mit diesen Themen hatte überhaupt alles angefangen: Die Greenpeace-Gruppe Zollernalb hatte sie im Alter von zwölf Jahren mitbegründet, bei Oldtimertreffen am Autohaus ihres Vaters Waffeln verkauft und den Erlös für Delfin- und Wal-Schutz gespendet – und dann versucht, eine "Grüne Jugend" mit aufzubauen. Vergeblich.

Als die SPD dann 2011 die Abschaffung der Studiengebühren in Baden-Württemberg durchgesetzt hat, klingelte es bei der Schülerin: Für viele ihrer Generation würde das mit Blick auf die Möglichkeit, zu studieren, den Unterschied machen. Inzwischen ist sie längst überzeugte Sozialdemokratin – und manch anderen voraus, die sich nicht mehr als irgend nötig engagieren. Dass so wenig junge Leute den Weg in die Kommunalpolitik suchen, kann sie trotzdem nachvollziehen: "Viele wollen freier sein", sagt sie mit Blick auf Parteistrukturen. Trotzdem versucht Herter, sie mit einzubinden, hat sie etwa beim Schülerforum Albstadt animiert, gemeinsam Ideen für den Klimaschutz vor Ort zu entwickeln.

Nach fünf Jahren Gemeinderatserfahrung weiß Herter längst, dass Reden am Ratstisch alleine nicht reicht. "Von vielem hatte ich keine Vorstellung", sagt sie heute. "Etwa von den stillschweigenden Vereinbarungen, die zu brechen Irritationen hervorruft." Überrascht hat sie oft, "wer sich zu welchen Themen äußert und wie die Leute sich in Gruppen verhalten." In die Tasche lügen dürfe man sich da nicht, stellt sie klar: "Von manchem verstehen wir ehrenamtlichen Kommunalpolitiker erst einmal nichts, müssen viel recherchieren." Deshalb verbringt sie auch mehrere Stunden vor jeder Sitzung damit, sich in die Materie einzuarbeiten. Im Zug zum Beispiel, wenn er zwischen Tübingen und Sigmaringen mal wieder zwei Stunden steht.

Trotzdem hat sie inzwischen viel gelernt, vor allem von SPD-Fraktionschef Elmar Maute, der stets darauf geachtet hat, dass Lara Herter Gelegenheit bekommt, für die Fraktion zu sprechen. Manches stößt ihr auch auf an der Gemeinderatsarbeit: wie vieles nichtöffentlich beraten werde zum Beispiel, und Wortbeiträge, die über Floskeln und Gemeinplätze nicht hinauskommen. "Da schalte ich auch schon mal ab."

Zugute kommt ihr hingegen ihr großes Interesse für viele Themen – Energiewirtschaft zum Beispiel, ein Feld, auf dem sie auch beruflich ihre Zukunft sieht.

Ihre Zukunft in der Politik will sie hingegen lieber noch nicht planen, obwohl nicht wenige ihr eine solche auch auf Landes-, gar auf Bundesebene prognostizieren. Dass manche Stadträte jetzt, vor der Wahl, schon ankündigten, dieses und jenes dann "ab Juni so und so" zu machen, findet Lara Herter "schrecklich", wie sie betont. Und auch diesbezüglich nimmt sie kein Blatt vor den Mund: "Es ist einzig der Wille der Wähler, ob jemand wiedergewählt wird – und es verdirbt den politischen Charakter, das für selbstverständlich zu halten."

Am Sonntag, 26. Mai, finden die Kommunalwahlen statt. In unserer Serie behandeln wir in loser Reihenfolge diverse Themen rund um die Politik vor Ort. Dies geschieht beispielhaft an Personen und Organisationen aus dem gesamten Südwesten.