Die Atmosphäre ist gemütlich – auch am Friedhof. Foto: Müller

Evangelisch-methodistische Kirche lädt zu Kaffee und Kuchen ein und plaudert über Gott und die Welt - auch den Tod.

Albstadt-Tailfingen/-Ebingen - Friedhof geht auch ganz anders – und kann sehr lebendig sein: die neu gegründete Initiative "Friedhofskaffee" der evangelisch-methodistischen Kirche hat in den vergange-nen Wochen regelmäßig Kaffee, Tee und Gebäck auf Albstädter Gottesäckern angeboten.

"Aber jetzt", sagt Rose Baumann, als Rosina Lippke-Stumpp sich zu ihr setzt, und reicht ihr den Teller mit dem Gebäck. Lippke-Stumpp hat vier Gräber, die sie pflegen muss, und zieht es vor, erst die Arbeit zu machen und den Verstorbenen ihre Reverenz zu erweisen, ehe sie sich Kaffee und Keks genehmigt.

Als sie im Sommer erstmals gefragt wurde, ob sie nicht Platz nehmen wolle, hatte sie sich eher aus Verblüffung gesetzt und festgestellt, das sei schon ein "sehr ungewöhnlicher Ort für Kaffee und Kuchen". In der Zwischenzeit ist sie aber auf den Geschmack gekommen. Sie ist angerührt von der offenen herzlichen Art ihrer "Gastgeber" und weiß den Aufwand zu würdigen, den sie treiben. "Mir gefallen Leute, die so etwas machen."

Wie es dazu gekommen war? Andernorts gibt es Initiativen wie den Friedhofskaffee schon länger; Waltraud Bizer aus Onstmettingen war im vergangenen Jahr das Beispiel Mühlheim an der Ruhr zu Ohren gekommen, und das hatte sie dann in einer Gesprächsrunde in der evangelisch-methodistischen Gemeinde erwähnt. Die Anregung fand Anklang. Das Ehepaar Bizer spendierte Tische, Stühle und einen Pavillon und spendeten es diesem guten Zweck. Ernst Dieter Bizer erklärte sich bereit, Transport, Auf- und Abbau zu übernehmen – der Werkzeugmacher hat zu diesem Zweck große Holzkisten gebaut und das Mobiliar darin verstaut. Mittlerweile ist der Albstädter "Friedhofskaffee" Realität – er findet in monatlichem Wechsel auf dem Friedhof Markenhalde in Tailfingen und auf dem Friedhof in Ebingen statt: samstagnachmittags von 14.30 bis 17 Uhr.

Plaudern über Gott und die Welt – auch über den Tod

Worüber plaudert man bei Kaffee und Kuchen? Buchstäblich über Gott und die Welt. Klaus Esch, von Beruf Maschinenbautechniker, hört oft "einfach nur zu" und ist selbst überrascht, wie viel ihm diese Gespräche geben. Der Tod wird auf dem Friedhof nicht ausgespart, von Nahtoderfahrungen ist die Rede, und eine Besucherin beschreibt ganz unbefangen, wie sie ihren Tod gerne erleben würde: dass ihre Mutter erscheint, sie an die Hand nimmt und hinauf führt. Waltraud Bizer weiß von einer Frau zu berichten, die "nur auf den Friedhof geht, damit sie weiß, wo sie hinkommt".

Walter Rominger gesellt sich mit großer Selbstverständlichkeit zur Runde dazu und lässt sich das Gebäck von Waltraud Bizer und Gerhard Baumann schmecken – selbstgebacken; Tee und Kaffee sind ebenfalls Spenden. Eine 79-Jährige ist erleichtert, wie entspannt die Atmosphäre ist – sie habe zuerst gedacht, hier träfen sich Witwen, um gemeinsam Trübsal zu blasen, aber so sei es ja gar nicht. Ihre Tochter muss sie allerdings noch davon überzeugen; die wollte bisher nicht mitkommen. Der nächste Friedhofskaffee findet im Mai kommenden Jahres statt.

n In der Serie "Albstadts Inventar" stellt der Schwarzwälder Bote im Jahr des 40. Stadtjubiläums Angebote vor, die regelmäßig stattfinden und aus Albstadt nicht mehr wegzudenken sind. Vorschläge nehmen wir entgegen unter E-Mail redaktionebingen@ schwarzwaelder-bote.