Zwar ist der Insolvenzantrag gestellt, aber bei ESGE glaubt man fest ans Überleben des Traditionsunternehmens. Foto: Eyrich

Traditionsunternehmen stellt den Insolvenzantrag. "Übertragende Sanierung" beider Firmen?

Albstadt-Ebingen - Ein Albstädter Traditionsunternehmen befindet sich in der Schieflage: Das ESGE Textilwerk Maag hat Insolvenz angemeldet, desgleichen die 1998 übernommene Tochterfirma Ernst Schöller Wäschefabriken, die ebenfalls einen großen Namen führt.

Beide Unternehmen haben am Mittwoch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beim Amtsgericht Hechingen beantragt; dieses hat den Reutlinger Anwalt Jürgen Sulz zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Sulz war am Donnerstag in Albstadt; nach dem Gespräch teilte die Geschäftsführung mit, die Insolvenz sei eine Folge hoher Aufwendungen, die zum einen die Einführung eines neuen Warenwirtschaftskonzepts, zum anderen der Aufbau eines großen Warenlagers verursacht hätten. Die Kosten hätten sich trotz einer sehr positiven Geschäftsentwicklung in diesem Jahr nicht kompensieren lassen. Die ausländischen Schwestergesellschaften von ESGE und Schöller sind nicht von den Insolvenzanträgen betroffen.

Die Mitarbeiter der beiden Unternehmen – ESGE beschäftigt in Albstadt derzeit 51, Schöller 22 – sind ebenso wie der Betriebsrat am Mittwoch über den Insolvenzantrag informiert worden; sie erhalten für die Monate Juli, August und September Insolvenzgeld. Bis Anfang Oktober wird über die Insolvenzanträge entschieden sein; die Geschäftsleitung geht davon aus, dass eine "übertragende Sanierung" beider Firmen folgt, die deren Fortbestand sichert – bestehende und neue Aufträge würden weiterhin ausgeführt. Begründet wird die Zuversicht mit der "hohen Kundenakzeptanz", der sich ESGE und Schöller erfreuten.

136 Jahre Industriegeschichte

Sollte es je anders kommen, dann wäre damit ein Stück Ebinger und Albstädter Industriegeschichte zu Ende: Der Name Maag ist untrennbar mit den Anfängen und dem Aufstieg der Textilindustrie auf der Südwestalb verbunden; Christian Ludwig Maag war einer ihrer großen Pioniere. 1881 nahm er die Produktion und den Vertrieb von Trikotunterwäsche auf; die neue Firma expandierte anschließend rasch und beschäftigte 25 Jahre und zwei Betriebserweiterungen später 240 Mitarbeiter. 1938 übernahm Maag die 1897 gegründete Trikotwarenfabrik Steinkopf und Gussmann; das Namenskürzel ESGE geht auf diese Akquisition zurück.

Nach dem Krieg brachten die Wirtschaftswunderjahre einen neuerlichen Aufschwung. ESGE Maag ging 1963 als eines der ersten Albstädter Textilunternehmen ins Ausland und gründete einen Konfektionsbetrieb in Frankreich, nahm 1971 die Produktion im nordgriechischen Xanthi auf, verlagerte in den späten 1980er und 90er Jahren weitere Teile der Produktion in die Türkei und nach Bulgarien und wetterte so die Textilkrise ab. 1998 übernahm ESGE den angeschlagenen Tailfinger Mitbewerber Schöller; ein Jahr später wurde die Tailfinger Produktion von Schöller stillgelegt und ins Ausland verlagert. 2003 entstand ein Logistikzentrum im slowakischen Lucenes, 2008 eine Produktionsstätte im indischen Tirupur.