Rüstige Seniorin: Die 90 Jahre sieht man Helene Modlmayr nicht an. Foto: Kistner Foto: Schwarzwälder Bote

Jubiläum: Helene Modlmayr aus Bitz wird 90 Jahre alt / Zeitungsausträgerin für den Schwarzwälder Boten

Bitz. Alt werden will jeder, alt sein keiner – es sei denn, das Alter sieht so aus wie bei Helene Modlmayr. Die Haare sind weiß, zugegeben, aber damit scheint es dann auch schon sein Bewenden zu haben. Helene Modlmayr führt ihren Haushalt allein, gärtnert nach wie vor, ist vital, gesprächig, gut zu Fuß – und ganz offensichtlich kein Kind von Traurigkeit. Wobei das mit dem Alter nichts zu tun hat; so war sie schon immer. Helene Modlmayr wird heute 90 Jahre alt.

Zur Welt gekommen und aufgewachsen ist sie in Kettenacker. Der Mädchenname lautete Steinhart, der Vater war Landwirt, die Tochter lernte schon früh, anzupacken. Mit sechs Jahren war sie zuständig für die eigene Kuh – Melken inbegriffen – , mit 15 mähte und säte sie und schleppte die Getreidesäcke über drei Stiegen hoch auf die Bühne – die beiden Brüder waren schließlich im Krieg. "Ich war immer eine Schafferin." Die Schule besuchte sie außerdem, acht Jahre lang; ihr Berufswunsch hieß Damenschneiderin.

Auf dem Fahrrad von Bitz nach Kettenacker

Doch daraus wurde nichts – der eine Bruder war gefallen, der andere in Gefangenschaft; auf dem elterlichen Hof wurde jede Hand gebraucht. Erst 1949, als der überlebende Bruder wieder daheim war, eröffnete sich ihr die Möglichkeit, sich zu verändern: Sie ging nach Burladingen und wurde Küchenhilfe im Hotel Post. Allerdings blieb sie nicht lange – "im Trikot" war die Bezahlung besser, und so wechselte sie zur Firma Carl Maier in Bitz. Vom ersten Lohn kaufte sie sich ein Fahrrad, auf dem sie fortan jedes Wochenende nach Kettenacker fuhr. Um auf dem Hof zu helfen.

Das änderte sich allerdings, als sie im Betrieb einen jungen Mann aus Ostpreußen kennen lernte. 1953 heiratete sie Hans Krauledat; einige Zeit später kam der Sohn, noch einmal fünf Jahre später die Tochter zur Welt. Bei Carl Maier hatte die verhinderte Damenscheiderin anfangs Laufmaschen repassiert, aber sie lernte alsbald nähen und ging nach der Familiengründung zur Heimarbeit über. Erst, als die Kinder aus dem Gröbsten heraus waren, kehrte sie in die Fabrik zurück – diesmal die der Gebrüder Haasis. "Damals gab’s noch viel Arbeit." Wobei eine wie sie immer noch Kapazitäten frei hatte – die Tochter trug den "Schwarzwälder Boten" aus; wenn sie aus irgendeinem Grund nicht konnte, sprang die Mutter ein. "Das hat Spaß gemacht, da kam man herum." Sie war halt eine Schafferin.

Wobei sie über dem Schaffen das Leben nicht vergaß. Schon als junges Mädchen "hätte ich mich nie halten lassen, wenn getanzt wurde". Sie liebt die Musik, kann Mundharmonika spielen und erinnert sich noch gut an ihre erste "Ziehorgel" – "die war mit Heftpflaster geflickt". Auch Urlaub gab es in ihrem Leben; Familie Modlmayr pflegte mit Vorliebe ins Tannheimer Tal zu fahren. Vielleicht hatte das Faible für die Alpen auch etwas mit der Herkunft von Ludwig Modlmayr, dem zweiten Mann von Helene Modlmayr, zu tun: Er war, man erkennt es schon am Namen, ein Bayer.

Mit 90 Jahren ist Helene Modlmayr eine rüstige Ruheständlerin, Großmutter von vier Enkeln und Urgroßmutter von zwei Urenkeln. Mit ihnen wird sie heute im "Rad" auf dem Tailfinger Neuweiler ihren runden Geburtstag feiern. Am Vormittag kommt die Musik vorbei, und danach knallen die Sektkorken. Helene Modlmayr weiß zu arbeiten, und sie weiß zu feiern – sie war, wie gesagt, noch nie ein Kind von Traurigkeit.