Seit seinem 13. Lebensjahr sitzt Stefan Rimmele im Rollstuhl. Die Einschränkung hat er angenommen – und wächst täglich daran. Foto: Retter

Stärke kann aus Schwächen erwachsen: Stefan Rimmele will mit Vortrag Menschen motivieren, selbstbewusst ihren Weg zu gehen.

Albstadt-Ebingen - Mit 13 Jahren wurde Stefan Rimmele von einem Auto angefahren. Gerade noch war er mit dem Fahrrad unterwegs, nun lag der Junge im Koma, Diagnose: Schädel-Hirn-Trauma, Hirn-Quetschung und Schädel-Infarkt. Erst nach acht Wochen kam er wieder zu sich – und wollte leben. Nicht nur irgendwie leben, sondern genau nach seinen Vorstellungen.

Heute, 20 Jahre später, kann er sagen: "Ich habe es geschafft!" Was nach dem Koma folgte, waren zwölf Monate Reha-Behandlung. Rimmele lernte das Sprechen neu, seine Muskeln zu bewegen, die Hände zu gebrauchen. Gehen konnte er nur sehr schlecht wieder, einen Arm konnte er nur eingeschränkt bewegen. Trotz oder vielleicht auch gerade wegen dieses dramatischen Einschnitts ist der gebürtige Argenbühler heute jemand, der selbstbestimmt mitten im Leben steht und andere mit seiner Geschichte inspirieren will.

Stefan Rimmele ist einer, der sich nicht unterkriegen lässt: Er holte den Hauptschulabschluss nach, absolvierte die Wirtschaftsschule und machte eine Ausbildung zum Bürokaufmann. Zwei Jahre später erkämpfte er sich die Umschulung zum Veranstaltungskaufmann.

Dieser Weg war mit vielen Rückschlägen und zahllosen Absagen verbunden, aber Rimmele wusste, was er wollte: Selbstbestimmt leben. "Ich schaffe das, was ich will. Weil die Ziele, die ich mir setze, realistisch sind. Natürlich gehört dazu eine gehörige Portion Disziplin und das ›Sitzfleisch‹, um den passenden (Um-)weg zu finden!"

Er ist davon überzeugt, dass jeder seinen Weg gehen kann, wenn er sich auf seine Stärken besinnt und sich nicht von den Widrigkeiten aufhalten lässt: "Dem Problem in die Augen schauen und sagen: Ich mache Dich fertig!"

Der Erfolg gibt ihm Recht: Seit sechs Jahren lebt er allein, arbeitet in Vollzeit und hat 2011 eine Reise durch die USA gemacht. Von New York aus fuhr er mit einem Leihwagen innerhalb von vier Wochen satte 20 000 Kilometer – er hat Washington besucht, die komplette Route 66 nach San Francisco befahren und von Grand Canyon bis Las Vegas alles mitgenommen, was sich ihm bot.

"Amerika war für mich das Land, in dem Milch und Honig fließen", schwärmt er. "Die Menschen begegnen einem ohne jegliches Vorurteil. Es gibt keinen Ort, an dem man mit dem Rollstuhl nicht gelangen kann. Alles ist komplett barrierefrei." Ein großer Unterschied zu Deutschland, meint er.

Beim Wort "Inklusion" bekommt Rimmele prompt einen roten Kopf: Gut und schön, so als Idee, aber in der Realität viel zu kompliziert für die Betroffenen, findet er. "Deutschland hat Menschen mit Behinderung jahrelang in eine Bittstellerhaltung gepresst." Die Folge davon sei, dass sich viele mit dem Minimum zufrieden geben: zu wenig Teilhabe an der Gesellschaft, zu geringe Ansprüche an die Umwelt.

Mit so einer Haltung würden die Fördertöpfe sicherlich nicht ausgeschöpft, und man werde die Mittel bald zusammenstreichen. Das müsse alles einfacher werden, und die Behinderten müssten lernen, etwas für sich in Anspruch zu nehmen, es einzufordern. Dass nicht jeder die dafür nötigen Nerven hat, sieht Rimmele allerdings ein.

Was ist das persönliche Erfolgsrezept des 33-Jährigen? "Meine Einschränkung habe ich angenommen – und ich wachse täglich daran", sagt er. Er habe sich immer an Menschen ohne Einschränkungen orientiert, eine Behinderteneinrichtung war nie eine Option. "Wenn sich bei mir Erschöpfung ankündigt, dann besinne ich mich auf das bereits Erreichte. Ich mache mir bewusst, dass ich schon fast angekommen bin, und setzte mir kurzfristig erreichbare Ziele."

Seit vier Jahren feiert Rimmele den Tag seines Unfalls mit einem großen Grillfest als seinen "zweiten Geburtstag". "Vor dem Unfall war ich ein Anderer", sagt er. "Ich glaube nicht, dass ich mein Leben ohne diesen Einschnitt so positiv gelebt oder einen Weg zu Gott und dem Glauben gefunden hätte."