Vor dem Coronavirus versuchen die Menschen sich mit Mundschutz zu schützen. Vor Kinderlähmung schützt eine Impfung. Foto: Pu Xiaoxu Foto: Schwarzwälder Bote

Virengefahr: Gegen das Coronavirus gibt es noch keinen Impfstoff – gegen die Kinderlähmung schon

Alle reden über das Coronavirus, das vom chinesischen Wuhan aus durch die Welt zieht. Parallelen zum Virus, das die Kinderlähmung auslöst, gibt es nicht. Oder doch? Hans Pfarr, der "Mister Polio" von Rotary Deutschland, kennt sie.

Albstadt. "Es ist schon bemerkenswert, dass es für eine so heimtückische Krankheit eine ganz einfache Lösung in Form einer Impfung gibt, und zu wenige sie nutzen." Nein, Hans Pfarr, Albstädter Alt-Oberbürgermeister und beauftragter des Rotary Clubs Deutschland im Kampf gegen die Kinderlähmung, spricht nicht vom Coronavirus, das sich zurzeit von Wuhan in China aus über die Welt verbreitet, sondern vom Polio-Virus, das die Kinderlähmung auslöst. Denn das unterscheidet die beiden Viren: Gegen Polio kann jeder sich impfen lassen, gegen Corona noch nicht. Was beide eint: "Das nächste Virus lauert nur eine Flugreise entfernt", wie Hans Pfarr immer sagt.

Tatsächlich hat sich Corona bisher vor allem an Flugreisende geheftet. Bei Polio bestehe diese Möglichkeit auch immer noch, wenngleich Rotary International und die Bill- und Melinda-Gates-Stiftung es gemeinsam mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) geschafft haben, die Kinderlähmung stark einzudämmen. Waren es zu Beginn des Kampfes, 1987, noch 125 Länder und 350 000 neue Fälle jedes Jahr, gelten heute nur noch Afghanistan und Pakistan als polioendemisch – Nigeria ist dieses unrühmliche Prädikat nach drei Jahren ohne neue Fälle demnächst auch offiziell los, Indien schon seit mehreren Jahren.

In Pakistan sind wieder neue Fälle aufgetreten

In seinem nördlichen Nachbarland jedoch sind in jüngster Zeit wieder vermehrt Fälle von Kinderlähmung aufgetreten. Und da es sich eine lange Grenze mit dem ebenfalls noch endemischen Afghanistan teilt, die für Wandernomaden kein Hindernis ist, kann das heimtückische Virus sich auch dort verbreiten – außer bei jenen, die geimpft sind. Auch das versteht Hans Pfarr nicht: Während es in zerklüfteten, unwegsamen Ländern wie Afghanistan und Pakistan, in denen die Taliban gegen das Impfen vorgingen und stattdessen den Menschen Angst machten, so aufwendig sei, alle Menschen durch Impfaktionen zu erreichen, brauche man in Deutschland ja nur seinen Impfpass hervorzuholen und sich alle zehn Jahr gegen Polio zu wappnen.

Dass die Durchimpfungsrate in der Republik aktuell bei 67 Prozent liege, während 95 Prozent nötig seien, versteht Pfarr deshalb erst recht nicht. Nötig wofür? Trete dann doch mal ein Fall auf, bringe ein Reisender doch mal das Polio-Virus mit, sei es keine Gefahr für alle Geimpften und laufe sich schnell wieder tot. "Hierzulande bestehen doch keine Kostenbarrieren und zeitlich ist es auch kein Aufwand", sagt Pfarr mit Blick auf die Impfung. Gäbe es einen Impfstoff gegen das Coronavirus, so vermutet Pfarr, wären die Menschen schneller dabei.

"Impfen heißt nicht: warten, bis man krank ist", mahnt Pfarr, der seit vielen Jahren ein Dickbrettbohrer ist, wenn es darum geht, die Kinderlähmung auszurotten – das erklärte Ziel von Rotary und der WHO. Zu glauben, die Kinderlähmung sei ausgerottet, weil – nur – noch knapp 80 Fälle 2019 aufgetreten seien, sei ein Trugschluss, mahnt Pfarr. Er weiß: "Das letzte Prozent ist das schwerste."