Tut sich schwer mit dem Loslassen: Olaf Bossi Foto: Eyrich Foto: Schwarzwälder Bote

Kabarett: Wie Olaf Bossi zum Minimalisten wird – oder es wenigstens versucht

Mit einem Knaller hat sich Evi Wedel von ihrem Bergcafé in Burgfelden verabschiedet. Kabarettist Olaf Bossi ist "Endlich Minimalist" und erzählt in seinem gleichnamigen Programm, wie es dazu kam – und was er mit seinen Sachen gemacht hat.

Albstadt-Burgfelden. Es war wie meist: "Ich musste nicht fragen – er kam zu mir", sagt Evi Wedel. Das Kleinkunst- und Ausstellungsprogramm im Bergcafé Burgfelden hatte über Jahre durchweg hohes Niveau, und das hat die Künstler angelockt. Auch Olaf Bossis Agent hatte angefragt, ob der Stuttgarter Kabarettist mit italienischen Wurzeln dort spielen dürfe, zum zweiten Mal. Und so hatte die Wirtin ihren Gästen zum Abschied einen echten Knüller zu bieten.

Bossi hat eine Frau, zwei Kinder, und viel zu viele Sachen. "Wir haben immer die Leute beneidet, die Gäste einfach reinlassen können", und so hat er sich vor zwei Jahren auf eine Abenteuerreise durch den Minimalismus-Kosmos gemacht. "Wenn wir morgens aus dem Haus gehen, hören wir uns an wie eine Horde Hunde: ›Wo? Wo? Wo?‹" Das musste endlich aufhören. Eine Dokumentation über Minimalismus und das Buch der "Aufräum-Päpstin" aus Japan versprachen die Lösung: Sie gehe anders vor, erklärt Bossi. Sie frage nicht: "Was soll weg?" sondern: "Was macht mich glücklich?" Das dürfe dann dableiben.

Mit dem Kleiderschrank seiner Frau, aus der manchmal Motten rauskämen und nach Luft schnappten, ging es los. Nächste Rubrik war das Bücherregal, "Free Billy" das Motto. Von Büchern wie "Windows 98 leicht verstehen" hatte Bossi einen leichten Abschied. Kinderbücher? Das war schon schwerer, denn da hängen Erinnerungen dran. Die Idee, eine Kiste "Zu verschenken!" vors Haus zu stellen, erwies sich als Bumerang: "Die Nachbarn fanden sie super und haben gleich etwas dazu gestellt."

Als die Küche dran war, sollte eine Idee aus den USA, die "Packing Party" greifen: "Alles, was im Raum ist, kommt in Umzugskartons. Dann wird ausgepackt, und nur das, was man braucht, kommt wieder in den Schrank." In ihrer Küche haben Bossis "Lebensmittel mit D-Mark-Preisen darauf" gefunden – und welche mit Lebensmittelmotten darin, "die schon Altstadtviertel gebaut hatten". Viel Kram ist auch auf den Dachboden gewandert – und alles, was ein Jahr nicht vermisst wird, fliegt raus.

Die Einkaufszettel der Anderen

Dass Bossis so viel zuviel haben, verwundert nicht bei einem Familienvater, der keine Einkaufszettel schreibt, sondern Kassenzettel anderer studiert – und dann das kauft. "Die haben sich schließlich auch Gedanken gemacht."

Ganz schwierig wurde es aber für Bossi, seine Plattensammlung auszumisten, hängt doch an jedem Lied, jeder LP, eine emotionsgeladene Erinnerung. Und erst die selbst zusammengeschnittenen Kassetten, zumal die Werbung und die Jingles, die zufällig mit aufgenommen wurden, "das eigentliche Gold" sind – die Lieder gibt’s schließlich zum Runterladen.

Das Publikum im voll besetzten Bergcafé weiß sofort, was er meint, als ein Jingle erklingt, den alle kennen: "Doch zuvor von fern und nah ruft’s: Das Sandmännchen ist da." Es sei "der einzige Wessi, der durch die Wiedervereinigung seinen Job an einen Ossi verloren hat", bedauert Bossi, und seine Kinder wundern sich, was das West-Sandmännchen heute mache. Mit Piggeldy und Frederick spielen? Schließlich ist Bossi am Bad angekommen – eine lösbare Aufgabe, vor allem beim durchsichtigen Pillendöschen mit ›Pillen unbekannter Art‹ im Medizinschränkchen, für das er die Verantwortung übernommen hat. Nach zwei Jahren, von denen Olaf Bossi auch in originellen, selbst komponierten Liedern erzählt – "Ich mach jetzt ZEN – Zen Dinge auf einmal" – weiß der Stuttgarter freilich, dass Minimalismus kein Wettrennen ist nach dem Motto: "Wer hat die wenigsten Sachen?".

Viel entscheidender sei die Konzentration auf die wichtigen Sachen – und die Zeit, die man mit Nichtstun verbringe. Seine Handy-Sucht hat er durch die Anschaffung eines zweiten Mobiltelefons gelöst, mit dem er im Notfall erreichbar ist, aber nicht googeln und nicht spielen kann. Im Freundeskreis legen inzwischen alle ihre Handys in eine Schüssel, und wer zuerst danach greift, muss die Zeche bezahlen.

Und was schenkt man einem Minimalisten? "Nichts? Oder einen Gutschein für etwas, was ich Dir erspart habe zu besitzen?" Olaf Bossi hat seinem Publikum jedenfalls einen lustigen und lehrreichen Abend beschert – und Evi Wedel einen Knaller zum Abschied von ihrem Bergcafé. Schon solcher Abende wegen hofft nicht nur sie, bald einen Pächter dafür zu finden.