Eine Grabung von Hieronymus Edelmann auf dem "Degenfeld" zeigt diese zeitgenössische Abbildung. Foto: Schwarzwälder Bote

Archäologie: Im Ebinger Kräuterkasten liegt ein Armreif, der laut Bestandsliste in London sein müsste

Als der Ebinger Apotheker und Schatzgräber Hieronymus Edelmann 1908 seine archäologische Sammlung nach England verkaufte, fügte er ein genaues Bestandsverzeichnis bei. Es enthielt jedoch einen Posten, der nie in London eintraf. Er liegt im Kräuterkasten in Ebingen. Die ganze kuriose Geschichte erfahren Sie mit SB+.

 

Als Hieronymus Edelmann 1908 seine archäologische Sammlung nach England verkaufte, fügte er ein genaues Bestandsverzeichnis bei. Es enthielt jedoch einen Posten, der nie in London eintraf. Er liegt im Kräuterkasten in Ebingen.

Albstadt-Ebingen. Bis 1894 hatte Hieronymus Edelmann, Apotheker, Schatzgräber und neben dem Landwirt Johannes Dorn von der Trochtelfinger Haid zweiter großer Pionier der Archäologie auf der Südwestalb, die Untere Apotheke in der Ebinger Marktstraße geführt; dann verkaufte er an die Familie Häffner und ging als Privatier nach Sigmaringen. 1908 muss er in Geldnöte geraten sein – möglicherweise, so Jürgen Scheff, Ebinger Historiker, Hobbyarchäologe und Kustos des Museums im Kräuterkasten, war er gezwungen, Schulden seines Sohnes, der die Offizierslaufbahn eingeschlagen hatte, zu begleichen, aber Beweise gibt es dafür nicht.

Um der Liquidität willen beschloss Edelmann, sich von seinen Schätzen aus vor- und frühgeschichtlicher Zeit zu trennen; allerdings fand er in Deutschland keine Käufer dafür, denn mittlerweile waren die Schatzgräber und Hobbyarchäologen, die einige Jahrzehnte zuvor schlimmstenfalls als Sonderlinge angesehen wurden, in Verruf geraten. Sie hießen jetzt Raubgräber, und solchen Leuten wollten offenbar weder die Museen in Stuttgart noch die in Berlin etwas abkaufen.

In England, wo das private Stiftungswesen seit jeher große Bedeutung für das Museumswesen besaß, hatte Edelmann mehr Glück. Er geriet an zwei reiche britische Mäzene, Sir John Brunner und Sir Henry Hoyle Howorth, die ihm seine Sammlung abkauften – man wüsste gern, für welchen Betrag, aber das ist nicht überliefert – und anschließend dem Britischen Museum vermachten. Einige besonders schöne Stücke werden dort dauerhaft in der Abteilung für keltische Altertümer gezeigt.

Das allermeiste liegt freilich im Depot – unter anderem ein bronzener Armreif, den Edelmann in einem mittelbronzezeitlichen Grab auf dem Degerfeld, genauer: auf dem Truchtelfinger "Niemandsbol" gefunden hatte. Die Inventarliste, die er Brunner und Howorth gegeben hatte, nannte als Ertrag der fraglichen Grabung zwei unverzierte Bronzenadeln und zwei Armringe, einer mit sechs, der andere mit 6,4 Zentimetern Durchmesser. Die beiden Käufer dürften sie nicht in allen Einzelheiten studiert haben; vielleicht konnten sie auch kein Deutsch, obgleich Brunners Vater Schweizer war. Jedenfalls entging ihnen der Umstand, dass von den beiden aufgelisteten Ringen einer fehlte.

Wo war er geblieben? In Deutschland, bei Hieronymus Edelmann, der offenbar doch einige antike Preziosen zurückbehalten hatte. Der Apotheker starb 1921 mit 68 Jahren an den Folgen eines schweren Unfalls; er war ein halbes Jahr zuvor von einer Münchener Trambahn überfahren worden und hatte dabei ein Bein verloren. Aus seinem Nachlass erwarb der Ebinger Hauptlehrer Paul Eith Jahre später den bronzenen Armreif, der sich nur theoretisch in London befand, und reihte ihn in die Bestände des 1925 gegründeten Heimatmuseums ein, das im Dachgeschoss des Rathauses, im heutigen Großen Sitzungssaal, untergekommen war.

Während des Krieges wurden die wichtigsten bronzezeitlichen Funde in den Luftschutzkeller gebracht, anders als die alamannischen, die nach dem Willen der nationalsozialistischen Machthaber weiterhin vom Ruhm des Germanentums zeugen mussten und deshalb am 11. Juli 1944 dem alliierten Bombenangriff zum Opfer fielen.

Der Zwilling hat eine prominentere Adresse – führt dafür aber ein Schattendasein

Auch Edelmanns Ring wurde gerettet; heute befindet er sich im ersten Stock des Kräuterkastens in der ersten Vitrine mit bronzezeitlichen Funden. Die Adresse mag nicht ganz so nobel sein wie die des Zwillings – aber anders als dieser führt er kein Schattendasein in der Schublade, sondern wird ausgestellt.

Hieronymus Edelmann hat übrigens nicht nur Bronzeringe hinterlassen, sondern auch jede Menge Papier: Der schriftliche Nachlass enthält neben dem "Schlusszeugnis", das ihn als staatlich geprüften Apotheker mit Auslandserfahrung – Basel, Bern, Genf – auswies, minutiöse Dokumentationen zahlloser Grabungen: Edelmann war keiner, der seine Fundorte "durchwühlte" und auf der Suche nach Preziosen verwüstete, sondern ein penibler und methodischer Ausgräber, dessen Akkuratesse noch heute als vorbildlich angesehen werden darf.

Des weiteren finden sich in dem Konvolut zahlreiche Exzerpte aus der wissenschaftlichen Fachliteratur – Fotokopierer gab es ja noch nicht –, Zeitungsartikel über Edelmanns Grabungen, von ihm selbst verfasst, ein Skizzenbuch mit Zeichnungen von Burgen im Donautal – Dietfurt, Löwenstein, Wilden- stein, Gebrochen Gutenstein – das belegt, dass die Ruinen seither immer weiter "ruiniert" worden sind, und schließlich "Trudels Poesie-Album". Opa Hieronymus Edelmann erzählt darin in Bild, Versen und Prosa seiner Enkelin Ortrud aus seinem interessanten Leben.

Eben diese Enkelin Ortrud Buchberger und ihre Schwester Hertha Kleinhans sind es, die diesen Nachlass schließlich Jürgen Scheff überlassen haben. Der hat ihn wiederum ans Albstädter Stadtarchiv weitergegeben. Wer mehr über den Apotheker und Archäologen wissen möchte, wird dort fündig.