Bei der Bewirtschaftung des Waldes achten die Forstleute in Baden-Württemberg nicht in erster Linie auf den Profit, sondern vor allem auf Nachhaltigkeit – ihre Zunft hat das Prinzip erfunden. Foto: Schutt

Für Städte, Gemeinden und Privatbesitzer könnte eine Neuregelung der Forstbewirtschaftung erhebliche Folgen haben.

Albstadt - Die Sache entbehrt nicht einer gewissen Ironie: Die Klage, an der sich der Streit zwischen dem Land Baden-Württemberg und dem Bundeskartellamt entzündet hat, ist inzwischen zurückgezogen worden. Ein Vertreter der Holzbranche hatte wegen Wettbewerbsverzerrung gegen das Land geklagt, dessen Forstbeamte Aufgaben in staatlichen, kommunalen und privaten Wäldern wahrnehmen. Einer von diesen ist Klaus Richert, seit einem knappen Jahr Leiter der Forstamtsaußenstelle in Albstadt (Zollernalbkreis).

Die 45.000-Einwohner-Stadt ist der drittgrößte kommunale Waldbesitzer Baden-Württembergs, wo es einst 165 Forstämter gab. Mit der Reform des damaligen Ministerpräsidenten Erwin Teufel (CDU) 2004 wurde die Forstverwaltung in andere Behörden eingegliedert, seit 2005 sind somit die Landkreise und – über ihnen – die Regierungspräsidien für den Staats-, Kommunal- und Privatwald zuständig.

24 Prozent des Waldes in Baden-Württemberg gehören dem Land – im Zollernalbkreis sind es nur vier. Hinzu kommen 29 Prozent Privat- und stattliche 63 Prozent Kommunalwald, der im Landesdurchschnitt rund 40 Prozent ausmacht.

Was tun die Forstbeamten für Kommunen und Privatwaldbesitzer? Zum einen kümmern sie sich um die Forsteinrichtung. Im Klartext: Für einen Zeitraum von je zehn Jahren planen sie, wie der Wald sich entwickeln soll. Das betrifft etwa das Mischverhältnis von Laub- und Nadelwald, die Anpflanzungen und die Naturverjüngung sowie den Holzeinschlag.

Alles klar geregelt? Eben das ist hier die Frage!

Hinzu kommt der forstliche Revierdienst, dessen Kosten sich jeweils nach dem Hiebsatz einer Gemeinde richten. In Albstadt liegen sie bei etwa 270.000 Euro im Jahr. Die Kosten für die Waldarbeiter trägt die Stadt.

Alles klar geregelt also? "Das ist die Frage", sagt Richert. "Dienstleistung fängt nicht irgendwo an und hört nicht irgendwo auf." Bisher habe das Forstamt nur den forstlichen Revierdienst und die Arbeiten rund um den Holzverkauf in Rechnung gestellt: "Der öffentliche Wald soll schließlich Vorbildcharakter haben", sagt Richert. Und selbst der Privatwald erfülle Schutz- und Erholungsfunktionen. Daher werde die forstliche Beratung auch dafür nicht in Rechnung gestellt, und für den Holzverkauf gälten nur geringe Kostensätze. Im Klartext: "Die Forstämter haben den Kommunal- und Privatwäldern bisher vielfältige Dienstleistungen gegen keine oder nur geringfügige Entgelte zukommen lassen."

Nach Ansicht des Bundeskartellamts sollen künftig kommunale und private Waldbesitzer für forstliche Dienstleistungen und damit auch für den Holzverkauf kostendeckend zahlen, wobei das schon beim Auszeichnen der zu fällenden Bäume beginnen soll, sowie für forsttechnische Betriebsleistung und Forsteinrichtung – ein Ansinnen, das Kommunen und Privatwaldbesitzer teuer zu stehen käme.

Zu einem weiteren wesentlichen Kritikpunkt der Kartellwächter zählt auch der gemeinschaftliche Holzverkauf durch die Forstämter. "Je größer die Menge Holz, die man verkauft, desto besser sind auch die Preise für die Waldeigentümer", erklärt Richert den Vorteil des Prinzips, Holz aus allen drei Waldarten gemeinsam zu vermarkten. Außerdem könne man gegenüber großen Holzfirmen besser auftreten.

Dem Kartellamt jedoch sei wichtig, dass separate Vermarktungsstrukturen für Holz aus den unterschiedlichen Waldbesitzarten geschaffen werden. Das erfordere eine konsequente strukturelle Trennung der Holzvermarktung zwischen dem Staatswald einerseits und dem Körperschafts- und Privatwald andererseits – beginnend mit der Holzauszeichnung.

"Ende 2014 bei einer Forsttagung hatten wir noch den Eindruck, dass die Forststruktur nicht gänzlich über Bord geworfen wird", sagt Richert. "Damals sah es so aus, als ob durch die Bildung einer eigenständigen Organisationsform für den Staatswald wesentliche Kritikpunkte des Kartellamts entkräftet würden und damit auf 76 Prozent der Waldfläche in Baden-Württemberg eine akzeptable Forststruktur weitgehend erhalten bleiben kann."

Den mit dem Land ausgehandelten Kompromiss hat das Bundeskartellamt jedoch mit einer mehr als 100-seitigen Begründung zwischenzeitlich infrage gestellt und damit gekippt. Landwirtschaftsminister Alexander Bonde (Grüne) hat daraufhin die vom Kabinett beschlossene Verpflichtungszusage (zum Beispiel die Ausstiegsklausel für den Fall einer Änderung des Bundeswaldgesetzes) gegenüber dem Kartellamt zurückgezogen.

Keine Einnahmen für Kommunen, kein Holz für die Sägewerke

Als mögliche Gegenreaktion des Bundeskartellamts erwarten die Forstleute nun, dass dieses den Holzverkauf einschließlich der Holzauszeichnung für die Körperschafts- und Privatwälder über 100 Hektar Größe durch staatliche Förster mit alsbaldiger Wirkung verbieten wird. Was wäre die Folge?

"Keine Einnahmen für einen Großteil der Kommunen und größere Privatwaldbesitzer, wesentlich weniger Holz für die Sägewerke", sagt Richert. Ein besonders wichtiger Punkt für die Forstleute, deren Zunft einst das Prinzip Nachhaltigkeit erfunden hat, ist, dass die Forsteinrichtung und die forsttechnische Betriebsleitung – Planung, Vorbereitung, Organisation, Leitung und Überwachung der Forstbetriebsarbeiten im Kommunalwald – hoheitlich bleiben. 2013 waren in den Verhandlungen zwischen Land und Kartellamt daher Eckpunkte beschlossen worden, nach denen diese beiden Eckpfeiler der baden-württembergischen Forstwirtschaft in der bisherigen Form bestehen bleiben könnten. "Durch sie hat die Waldbewirtschaftung in Baden-Württemberg einen hohen Standard erreicht", betont der Forstamtsleiter. "Der Wald ist schließlich keine Büchsenfabrik und keine Ölraffinerie."

Derzeit steckt die Entwicklung also in einer Sackgasse. Doch wie geht es weiter? Zu befürchten ist laut Richert, dass die Forstbehörden künftig für Forsteinrichtung und forsttechnische Betriebsleitung kostendeckende Sätze erheben müssen. "Damit wäre beides keine hoheitliche Aufgabe mehr, sondern eine wirtschaftliche", sagt Richert.

Städte und Gemeinden müssten andere Strukturen schaffen

Die Folge: Kommunen müssten die Aufträge dafür ausschreiben – und sich für das wirtschaftlichste Angebot entscheiden. Kommunen wie die Stadt Albstadt, die über knapp 6000 Hektar Wald verfügt, müssten "neue Strukturen schaffen", so Richert, wobei noch nicht klar sei, ob eine Übergangsfrist möglich wäre. Eine Gemeinde, die aus Geldnot den Einschlag über das gesunde Maß hinaus erhöhen will, hätte künftig viel leichteres Spiel als bisher.

Wie die Angelegenheit in Baden-Württemberg ausgeht, könnte auch Auswirkungen haben auf Länder wie Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Thüringen, die vergleichbare Strukturen haben. "Meine Hoffnung ist, dass das Bundeskartellamt doch noch einlenkt", betont Richert, der damit wohl nicht alleine steht. "Es gibt in Baden-Württemberg viele Kleinprivatwaldbesitzer, die kein wirkliches Interesse an ihrem Wald haben. Wenn sie finanziell drauflegen müssten, steht zu befürchten, dass sie in ihren Wäldern kaum noch etwas machen."

Bisher sei der Wald – der Zollernalbkreis sei dafür nur ein Beispiel – in Ordnung. "Die Forstwirtschaft funktioniert, sowohl was die Waldbewirtschaftung als auch was die Schutz- und Erholungsfunktionen angeht."