Wie ein Streichholz geknickt wurde diese junge Buche durch Schneelast und Wind. Foto: Schwarzwälder Bote

Borkenkäfer: Der Albstädter Fichtenwald ist durch Schädlinge bedroht wie lange nicht mehr

Das Jahr 2018 war überdurchschnittlich warm und trocken, im Januar setzte der Schneebruch den Fichten in Albstadts Wäldern zu – seit langem waren sie nicht mehr so anfällig für den Borkenkäfer wie in diesem Sommer. Die Förster machen sich auf harte Zeiten gefasst.

Albstadt. Der Borkenkäfer ist immer ein Thema für den Förster – für den sogenannten "Brotbaum" im deutschen Wald, die ertragreiche Fichte, stellt er die größte Bedrohung dar. Gerade in Höhenlagen wie der Alb hält sich diese Gefahr jedoch in Grenzen, so lange "die Welt in Ordnung ist", wie Klaus Richert, Leiter der Außenstelle Albstadt beim Kreisforstamt, sagt. Wenn die Bäume gesund und in der Lage sind, die Käferlarven und -puppen im Harz zu ersäufen, wenn gelegentliche nasskalte Wetterphasen, die dem Borkenkäfer mindestens ebenso unsympathisch sind wie dem Menschen, dafür sorgen, dass die Population nicht über Gebühr wachsen kann, dann wird der Wald mit den Schädlingen ohne weiteres fertig.

Wenn aber lange Trockenperioden die Bäume auslaugen, sie zur "Panikblüte" nötigen und dann geschwächt zurücklassen, sieht die Sache anders aus. Durchschnittlich alle sieben Jahre, so Richert, gönnt sich die Fichte eine sogenannte "Vollmast" und legt ihre ganze Kraft in die Fortpflanzung – im Frühjahr bedeutet das gelbe Windschutzscheiben und im Herbst Unmengen von Zapfen. Die Mastjahre häufen sich jedoch in jüngster Zeit, weil jede Dürre von der Natur als Bedrohung der Art aufgefasst wird: 2016 war ein Vollmastjahr, 2018 schon wieder – und Anfang 2019 kamen dann der Nassschnee und das Eis, setzten sich auf die Äste, die schwer an ihren Zapfen trugen, und gaben ihnen den Rest. "Da hat’s geknallt, als würde geschossen", erzählt Annette Schmid, die Onstmettinger Revierförsterin. Auf jeweils 10 000 Festmeter schätzt Amtsleiter Richert die diesjährige "außerplanmäßige Nutzung" im Stadt- und im Privatwald. Zum Vergleich: Der Waldwirtschaftsplan 2019 sieht für den städtischen Wald 38 000 Festmeter Einschlag vor; das bedeutet einen Schadholzanteil von mehr als einem Viertel.

Die wirtschaftliche Prognose ist im Eimer

Für die Förster bedeutet das zweierlei: Erstens ist die wirtschaftliche Prognose im Eimer. Denn da auch andernorts Schneebruchschäden entstanden sind und in einigen Gegenden zudem Sturmholz anfiel, steigt das Angebot auf dem Holzmarkt gewaltig und drückt natürlich die Preise: Sie sind mittlerweile auf 60 bis 70 Prozent des Vorjahresstands gefallen, und ein Ende der Talfahrt ist nicht abzusehen. Mit Holz ein Geschäft zu machen, dürfte 2019 schwierig werden.

Das zweite Problem ist der Käfer. Im heißen Sommer 2018 ist er mindestens dreimal "geflogen" und hat sich gewaltig vermehrt: Drei Flüge bedeutet drei Generationen; da kann es ein Käferweibchen auf gut und gern 100 000 Nachkommen bringen. Diesen Nachkommen ist es im Winter leidlich gut gegangen; er war mäßig kalt und nicht allzu niederschlagsreich. Das bedeutet: Wenn der Borkenkäfer jetzt, da es warm geworden ist, ausfliegt, tut er es mit Macht – und er findet den Tisch reich gedeckt vor. Vom Schneebruch verstümmelte, entwipfelte Fichten mit eingeschränkter Fähigkeit zur Harzproduktion – das ist genau, das, was er braucht. Zwar haben die Förster in den vergangenen Wochen und Monaten alles in ihren Kräften Stehende getan, um abgebrochene, erkennbar kranke oder tote Bäume zu fällen und aus dem Wald zu schaffen, aber eine große Käferpopulation stellt auch für noch gesunde Bäume eine Gefahr da. "Wir werden in den nächsten Wochen immer wieder nachsehen und systematisch nach Bohrlöchern und Holzmehl suchen müssen, um Schlimmeres zu verhindern", sagt Klaus Richert.

Hausaufgaben machen genügt alleine nicht

Allerdings genügt es nicht, wenn die kommunalen Förster ihre Hausaufgaben machen. Der Anteil des privaten Schadholzes ist genau so groß wie der des städtischen, und deshalb sind auch die Privatwaldbesitzer aufgerufen, ihre Parzellen zu "putzen", kranke Bäume mit schütteren Ästen zu fällen und sie samt dem toten Holz und den abgebrochenen Wipfeln zu entfernen, in denen der "Kupferstecher", die zweite schädliche Käferspezies neben dem "Buchdrucker", zu überwintern pflegt.

Viele Waldbesitzer muss man darauf nicht erst hinweisen, sie halten mustergültige Ordnung; aber Klaus Richert weiß auch von anderen, die Waldwirtschaft für eine Methode halten, Geld im Schlaf zu verdienen. Ihre vernachlässigten Parzellen, in denen das Stangenholz oft viel zu dicht steht, sind prädestiniert für den Käfereinfall.

Es kann daher passieren, dass der eine oder andere Privatwaldbesitzer in der nächsten Zeit Post vom Forstamt bekommt: mit der Bitte, sich doch um seine Bäume zu kümmern. Sollte auch auf wiederholte Aufforderung die Reaktion ausbleiben, behält sich der Forst vor, die fraglichen "Käferlöcher", die eine Bedrohung für alle Nachbarn darstellen, selbst auszuräumen – ganz legal. Der nächste Brief könnte dann eine Rechnung sein.