Kunst: Inge Sinz stellt wieder aus / 2019 steht im Zeichen der Gesellschaftskritik
Die Ausstellung beginnt hinter der Haustür: Dicht an dicht hängen die Bilder, jedes von ihnen ein DIN-A3-großes buntes Linienspiel. Auch in diesem Jahr präsentiert Inge Sinz in ihrem Wohnhaus in der Kantstraße 48 ein Wochenende lang ihre aktuellen Werke.
Albstadt-Ebingen. Es ist bereits das sechste Mal, dass sie ihre Wohnräume in eine Galerie verwandelt; die diesjährige Ausstellung führt den plakativen Titel "Wer rettet den Westen?" – sie hat sich dazu von der Überschrift eines Spiegel-Artikels inspirieren lassen. Der Jahrgang 2019 ist politischer als frühere; Inge Sinz greift verschiedenste politische und gesellschaftliche Themen auf: Kindessmissbrauch, China, Donald Trump, soziale Ungleichheit. "Aktueller denn je", sagt sie. Die Ungerechtigkeit in der Welt lässt ihr keine Ruhe.
Sozialkritische Inhalte sind keineswegs unvereinbar mit Abstraktion – auf den ersten Blick erscheint gegenstandslos, was die mittlerweile 76 Jahre alte gelernte Kunsterzieherin mal mit Buntstiften, mal mit Aquarell- oder Acrylfarben aufs Papier bringt – erst bei genauerem Hinsehen erahnt man Figuren, Tiere und Dinge. Immer wieder macht sich zwischen den Linien, die mal senkrecht und mal waagerecht, dann wieder wie U-Bahn-Linien auf einem Stadtverkehrsplan oder wie Isobaren auf einer Wetterkarte verlaufen, in Aussparungen im Papier ein Zeitungsausschnitt oder ein plakativer Schriftzug breit. Die Bilder – alles in allem 70 – sind mit farbigem Papier hinterlegt – sie wirken fröhlich, auch dann, wenn die angesprochenen Themen ernst sind.
Im Obergeschoss hängen die Serien "Plakatkunst" und "Neoliberalismus"; die Probleme der Welt werden unmissverständlich beim Namen genannt: Klimawandel, Plastikmüll, Umweltverschmutzung. Inge Sinz möchte die Betrachter ihrer Kunst zum Nachdenken anregen.
Erfahrungsgemäß gelingt ihr das auch – nicht selten kommen bei den Ausstellungen interessante Gespräche zustande. Sinz liest viel; sie rezipiert nicht nur die aktuelle Nachrichtenlage, sondern informiert sich auch über die Hintergründe. Die Rezeption findet auf dem Papier statt: Kaum ein Tag vergeht, an dem sie nicht zeichnet oder malt; 2500 Bilder, von denen etliche in Serien zusammengefasst sind, dürften in den vergangenen 50 Jahren entstanden sein. "Das Malen gibt meinem Leben Sinn und Inhalt", meint Inge Sinz. "Es ist für mich essenziell." Die Ausstellung "Wer rettet den Westen" wird am Samstag, 23. Februar, um 11 Uhr eröffnet – kommen darf, wer will. Wer für die Vernissage keine Zeit hat, kann ein anderes Mal kommen – entweder auf gut Glück oder nach vorheriger Anmeldung.