Foto: Schwarzwälder Bote

Sky du Mont liest aus Oscar Wildes Klassiker "Das Bildnis des Dorian Gray"

Von Susanne Conzelmann

Eine Kombination aus Lesung und Film bekamen die Besucher Thalia-Theaters geboten – zu hören respektive sehen war Oscar Wildes "Bildnis des Dorian Gray"; es rezitierte kein Geringerer als der Schauspieler Sky du Mont.

Albstadt-Tailfingen. Mit Literaturverfilmungen ist es so eine Sache. Die Bücherwurmfraktion schwört auf das geschriebene Wort und die eigene Fantasie, die allemal imstande ist, von sich aus ein Bild der im Buch beschriebenen Ereignisse zu entwerfen: "Lesen ist Filmen im Kopf." Die immer größere werdende Gemeinde der Filmbegeisterten fragt sich dagegen, wieso sie sich tage-, wochen- oder gar monatelang mit einem Literaturstoff abmühen soll, wenn es doch die 90-minütige Filmversion gibt – auch vom Klassiker. Oscar Wildes "Das Bildnis des Dorian Gray" entstand 1890 und ist seither mehr als ein Dutzend Male verfilmt worden, zuletzt 2009 von Regisseur Oliver Parker – seine Version war im Thalia-Theater zu sehen.

Die Handlung: Dorian Gray lebt Ende des 19. Jahrhunderts in London. Der gut aussehende junge Mann wird von dem Maler Basil so treffend und dabei ansprechend portraitiert, dass in Dorian der Wunsch wach wird, für immer so schön, rein und unversehrt auszusehen wie auf dem Gemälde. Sein Wunsch geht in Erfüllung – mit jeder Ausschweifung, Missetat und Sünde altert das Portrait und wird, wie Dorians Seele, immer hässlicher und schwärzer. Natürlich kann so eine Geschichte nicht gut ausgehen – am Ende endet Dorians Leben in einer Katastrophe. "Das Bildnis von Dorian Gray" handelt vom Wunsch nach ewiger Jugend, von Schuld und Sühne, und ist auch heute noch aktuell: Es lässt den Leser beziehungsweise Zuschauer gefesselt, jedoch verstört zurück.

Auch nach dem Abend mit Sky du Mont. Im Wechsel mit mal kurzen, mal längeren Filmsequenzen, die über die große Leinwand auf der Bühne flimmerten, las er, an einem kleinen Tisch sitzend, Passagen aus Wildes Text vor – mit angenehm sonorer Stimme, was deshalb ein bisschen problematisch war, weil man ihm in den Gesprächen zwischen Dorian Gray und dessen älterem Mentor Lord Henry Wotton nur letzteren so richtig abnahm: Einen Tick zu distinguiert und soigniert, perfekt geeignet für einen englischen Adeligen in den besten Jahren, aber weniger für immer jugendlichen Dorian Gray, auch wenn Sky du Mont mit seinen 72 Jahren bemerkenswert spitzbübisch herüberkommt. Die weiblichen Parts wollten auch nicht so recht passen; vor allem zu Beginn des Abends war nicht ohne weiteres zu erkennen, wer gerade sprach. In diesen Fällen, bei längeren Dia- oder Trialogen, waren die Filmausschnitte die bessere Wahl.

Perfekt ist Sky du Monts Interpretation hingegen, wenn es darum geht, die Gedankenwelt und inneren Monologe des Titelhelden wiederzugeben. Da offenbart der Film seine Schwächen – für philosophische Betrachtungen ist nun mal die Sprache ein geeigneteres Medium als Bilder. Und auch das schmähliche Ende Dorian Grays mutet gelesen schlüssiger an als im Film, der mit Horror zu punkten versucht. Glücklicherweise verzichtet die Lese-Inszenierung durchweg auf etliche brutale oder sexualisierte Filmszenen.

Fazit: Um die Faszination des Dorian Gray in seiner Gänze zu erfassen, muss man zum Buch greifen. Lust darauf hat die Lesung allemal gemacht – und das ist ja das vornehmste Ziel der Albstädter Literaturtage.