Online dürfen Kunden der Drogerie Müller in Ebingen Eierfarben kaufen und sie im Laden abholen. Dort einfach ins Regal zu greifen, ist hingegen nicht erlaubt. Grund ist die Corona-Verordnung, an die sich das Ordnungsamt Albstadt buchstabengetreu hält. Foto: Eyrich

Bestimme Produkte wie Spielwaren und Co. dürfen in Drogeriemarkt nicht verkauft werden. Regale abgeklebt. 

Albstadt - Auch sinnvolle Entscheidungen können gelegentlich Blüten treiben, die jede Sinnhaftigkeit vermissen lassen. Ein Beispiel: Die "Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus", die das Land erlassen hat.

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Die Frage nach Sinnhaftigkeit stellt sich seit einigen Tagen zum Beispiel all jenen, die im Drogeriemarkt Müller im Albstädter Stadtteil Ebingen (Zollernalbkreis) einkaufen. Denn dort hat das Ordnungsamt der Stadt die "Auslegungshinweise zur Corona-Verordnung" umgesetzt. Mit Folie und Klebeband haben Mitarbeiter der Behörde manche Bereiche des dreistöckigen Ladens ganz gesperrt, in anderen einzelne Regale – und Kunden somit den Zugriff auf die dort platzierten Waren verwehrt.

Ware von Regal darf nicht gekauft werden

Verdutzt stehen Kunden also plötzlich vor dem Regal mit den Farben, die aus weißen und braunen Hühnereiern kunterbunte Ostereier machen sollen: Kaufen dürfen sie die kleinen Päckchen nicht. Nicht einmal anfassen ist erlaubt. Im Internet allerdings, auf der Seite der Drogeriefirma, dürfen sie Eierfarben bestellen – und sich diese dann in den Ebinger Laden liefern lassen, um sie vor Ort abzuholen. Verstehen darf das, wer will. Und wohlgemerkt: Müller hat sich das nicht ausgedacht, ebenso wenig wie die Stadtverwaltung Albstadt. Beide setzen nur buchstabengetreu geltende Regeln um.

Die sehen vor, dass während der coronabedingten Kontaktsperre Online-Handel in vollem Umfang möglich ist, aber nur solche Läden öffnen dürfen, die für den täglichen Bedarf wichtige Waren führen – Lebensmittel zum Beispiel. Wer in Ebingen Eierfarbe braucht und in der Innenstadt wohnt, muss sich – ein Manko – also ins Auto setzen und in die Stadtrandbereiche oder auf die Grüne Wiese fahren, wo die Einkaufsmärkte stehen.

Spielwaren, CDs und DVDs dürfen nicht verkauft werden

Weil deren Sortiment zu mehr als der Hälfte aus Essbarem, Getränken und Drogerieprodukten besteht, dürfen sie laut Verordnung auch die anderen Waren weiter verkaufen. Zum Beispiel Töpfe. Schreibwaren. Socken. Und Eierfarben. Apropos Schreibwaren.

Das ist ein Thema, bei dem Petra Heine, der stellvertretenden Filialleiterin des Ebinger Drogerie-Marktes, der Kamm schwillt: Da schicke das Land Hunderttausende Schüler nach Hause – gut 1,1 Millionen sind es in Baden-Württemberg im aktuellen Schuljahr genau – und nehme ihnen dann die Möglichkeit, an notwendiges Material zu kommen.

Die Fachfrau, die selbst aus dem Schreibwarenhandel kommt, weiß genau, dass einem Schüler das, was er im Lebensmittelmarkt kaufen kann, nicht reicht. "Die Zweitklässler fangen jetzt an, mit Füllern zu schreiben", sagt Petra Heine. "Aber einen Füller kann man nicht einfach online kaufen – dafür ist Beratung erforderlich." Und ein Test, ob das vielgenutzte Schreibgerät auch gut in der Hand des Kindes liegt.

"Kindern eine gewisse Normalität lassen"

Dass Heine und ihre Kolleginnen derzeit keine Spielwaren, keine CDs und DVDs, keine Geschenkartikel, Haushaltsgeräte und Glückwunschkarten verkaufen dürfen, weil reine Fachgeschäfte für solche Waren ebenfalls schließen müssen – dafür hat sie Verständnis: "Bei der Sperrung geht es nicht um Viren-Verteilung, sondern rein um Wettbewerb", sagt sie.

Aber Eierfarben? "Wir müssen den Kindern gerade in dieser Zeit doch eine gewisse Normalität lassen", meint die Verkäuferin. Und dazu gehöre eben auch das Ritual des Eierfärbens kurz vor dem Osterfest. "Nicht jeder hat schließlich Eierfarben zu Hause gehamstert."

Mit Schreibwaren und Bürobedarf sei das genau so. Ein reines Schreibwaren-Fachgeschäft gibt es in Ebingen schon seit Längerem nicht mehr. Die Buchketten-Filiale ein paar Hundert Meter weiter, die ebenfalls Schreibwaren führt, ist coronabedingt ganz zu und darf ebenfalls nur bestellte Ware ausliefern oder abholen lassen. Ins Geschäft gehen und schauen, testen, ausprobieren – das wäre derzeit nur bei Müller möglich. Seit einigen Tagen jedoch ist das Flatterband um die große Abteilung gespannt. Prüflinge, die eilig etwas brauchen, muss Heine ebenso auf den Online-Weg schicken wie die Mitarbeiter von Arztpraxen, denen zum Beispiel dringend eine Druckerpatrone fehlt.

Mehrere Male hat Heine deshalb schon mit dem Ordnungsamt gesprochen. Ohne Erfolg. Wobei sie betont: "Die waren sehr nett und verständnisvoll – aber sie müssen sich halt an ihre Regeln halten." Dass die Stadt Albstadt genau das tut, betont Sarah Braun, die Pressesprecherin der Stadt, und verweist auf die sogenannte Corona-Verordnung. "Der erlaubte Sortimentsanteil überwiegt, wenn alle erlaubten Sortimente zusammen mehr als 50 Prozent des Gesamtsortiments bilden", erklärt Braun mit Blick auf die Verkaufsfläche.

Dass der zweite Stock der Ebinger Müller-Filiale komplett dem Spiel und der Unterhaltung gewidmet ist, der größte Teil der ersten Etage den Schreibwaren, Geschenkartikeln, Deko- und Haushaltswaren, fällt Müller und seinen Kunden jetzt auf die Füße. Das schmale Regal mit den Eierfarben fällt da schon gar nicht mehr ins Gewicht.

Den Osterhasen scheint das egal zu sein. In Reih’ und Glied sitzen sie in nicht eingepackten Regalen und laden zum Zugreifen ein. Manche starren mit schläfrigem Blick in eine Richtung, andere grinsen fröhlich auf die Kunden, die sich auf Ostern freuen.

Das tun sie in Albstadt wie anderswo. Nur eines unterscheidet sie dabei: In anderen Filialen der Kette – vergleichbar groß, genau so bestückt – dürfen die Kunden zum Schoko-Hasen auch noch ein Körbchen, bunte Nestwolle und eben Eierfarben kaufen, weiß Heine. Sie selbst wird die Eierfarben, deren Mindesthaltbarkeit erst in einigen Jahren abläuft, am Dienstag wohl wieder ins Lager räumen müssen. Aber Ostern ist ja nächstes Jahr wieder. Und dann – so hoffen alle – unter normalen Umständen.