Harte Zeiten erfordern konsequente Maßnahmen – und gute Leute, die sie umsetzen. Albstadt hat da Glück, konstatiert die Kolumnistin. Auch wenn sich Oberbürgermeister Roland Tralmer und seine Stadtkämmerin Michaela Wild damit nicht nur Freunde machen werden.
Wer Michaela Wild hat, braucht keine „Sendung mit der Maus“ mehr: Wie die Stadtkämmerin den Haushalt 2025 erklärt hat – das wohl dickste doppische Werk Albstadts – ist ein leuchtendes Beispiel für Transparenz. Dass er genehmigungsfähig sein und somit verhindert wird, dass das Regierungspräsidium Tübingen die Regie über Albstadts Ausgabenpolitik übernimmt, dürfte ein Kraftakt gewesen sein für die einstige Boxwettkampfrichterin und Oberbürgermeister Roland Tralmer, der den Haushalt zur Chefsache gemacht hat.
Hinter vorgehaltener Hand erzählen Rathaus-Insider von stundenlangen Gesprächsrunden, in denen das 2023 gewählte Stadtoberhaupt Ernst gemacht hat mit seinem Wahlkampfversprechen, die Stadt zukunftsfähig aufzustellen.
Starker Vertrauensbeweis bei der Kreistagswahl
Diät verordnen, alles auf den Prüfstand stellen, Prioritäten setzen – damit macht man sich nicht überall Freunde, gewiss. Tralmers Ergebnis bei der Kreistagswahl im Juni, als er mit 16 729 Stimmen selbst den Zweitplatzierten, den beliebten Meßstetter Bürgermeister Frank Schroft, um fast 5300 Wählervoten überboten hat, zeigt aber: Die Politik des Oberbürgermeisters kommt an, die Albstädter stehen hinter seinem Kurs. Und mit Michaela Wild hat er eine Finanzfachfrau an der Seite, die beim Navigieren das Ziel fest im Blick und das Steuer fest in der Hand hat.
Politik mit Vernunft – das ist mal eine Abwechslung
In Weltuntergangszeiten wie diesen, da die Bundesregierung sich selbst zerlegt und in den USA ein ebenso egomanischer wie unberechenbarer verurteilter Straftäter in seine zweite Amtszeit als Präsident geschickt wird, tut es richtig gut, zu wissen, dass wenigstens in der eigenen Heimatstadt Politik mit Vernunft gemacht wird – und mit dem Blick fürs Wesentliche und Wichtige.
Jetzt freilich geht’s erst richtig los: Eine Milliarde Euro wird es kosten, den Sanierungsstau in Albstadt aufzulösen, was sich die Stadt bis 2040 vorgenommen hat. Das sind noch 15 Jahre, und so müsste sie jedes Jahr 66 666 666 Euro investieren – nur in Sanierungen. Neubauten und Neuanschaffungen noch nicht eingerechnet.
Der Gebäudebestand muss reduziert werden
Bei Gewerbesteuereinnahmen von Pi mal Daumen 30 Millionen Euro pro Jahr funktioniert das schon rein rechnerisch nicht. Also muss der Gebäudebestand reduziert werden, sonst beißen wir immer mehr ab vom Brot der jüngeren Generation. Aber wo sparen? Roland Tralmer wird noch reichlich Gelegenheit haben, sich in dieser Stadt unbeliebt zu machen, soviel ist sicher.
Was die Alternative ist – das sollen jene, die ihn, die Stadtverwaltung und die Gemeinderäte für diesen notwendigen Sparkurs kritisieren wollen, dann aber bitteschön auch dazu sagen. Meckern alleine gilt nicht.
Bildung first – das zieht Fachkräfte an
Dass die Stadt die Bildungsinfrastruktur ganz oben auf ihre Ausgabenliste gesetzt hat, ist schon mal ein gutes Zeichen, denn ihre künftigen Gewerbesteuereinnahmen werden auch davon abhängen, ob die großen Albstädter Firmen im Wettbewerb um die besten Fachkräfte reüssieren oder gegenüber anderen Standorten im Zollernalbkreis, die näher an der Autobahn liegen, den kürzeren ziehen. Denn gut ausgebildete Fachkräfte wollen für ihre Kinder auch die bestmögliche Ausbildung, und bei der Wahl ihrer Arbeitsstellen spielen digitalisierte, gut ausgestattete Schulen und Kindertagesstätten am Standort eine immer wichtigere Rolle, gemessen an früher, als die Niveauunterschiede noch nicht so groß waren, wie sie heute zu sein scheinen.
Die Schule, die Michaela Wild besucht hat, scheint jedenfalls eine gute gewesen zu sein, nicht nur in puncto Mathematikunterricht, und das kommt uns Albstädtern jetzt zugute. Denn wenn wir verstehen, wie der Haushalt aussieht und warum der Sparzwang so groß ist, werden wir eher bereit sein, auch unbequeme Entscheidungen mitzutragen.