Die polizeibekannte Frau gab zu, dass sie den Vorfall nur erfunden hat. Foto: Archiv

Lkw-Fahrer wird nach jahrelangen Anschuldigungen freigesprochen und erhält Entschädigung.

Albstadt/Bitz/Hechingen - Vor dem Hechinger Amtsgericht hatte sich am Mittwoch ein Lastwagenfahrer zu verantworten. Der Vorwurf: Er soll eine alkoholisierte Anhalterin sexuell missbraucht haben. Das Urteil: Freispruch. Die Frau hatte zugegeben, den Vorfall erfunden zu haben.

Es war der 27. Mai 2015, 3 Uhr nachts. Eine damals 22 Jahre alte, aus Albstadt stammende Frau will von Ebingen zu ihrem Freund nach Balingen trampen. Ein rumänischer Lastwagenfahrer nimmt sie mit. Unterwegs erst eröffnet sie ihm, wohin sie möchte. Holprig erklärt ihr der Mann, der so gut wie kein Deutsch spricht, dass er in die andere Richtung fährt, da er Lebensmittelmärkte in Bitz und Winterlingen beliefern muss.

In Bitz, auf dem Parkplatz eines Marktes, soll er die Frau dann zum Sex aufgefordert haben. Als sie sich weigerte, soll er sie an den Haaren in seine Schlafkoje gezerrt haben und dort mit den Fingern in sie eingedrungen sein. Soweit die Darstellung der Staatsanwaltschaft. Anschließend habe sie der zu dem Zeitpunkt 36-jährige Mann nach Albstadt zurückgefahren. Dort erstattete sie bei der Polizei Anzeige. Ein vor dem Amtsgericht Hechingen als Zeuge geladener Polizist, der damals bei der Kriminalpolizei in Balingen Dienst tat, bestätigte, dass die Frau diese Angaben auf der Wache gemacht habe. Der Rumäne wurde kurz darauf in seinem Lastwagen in Winterlingen festgenommen, sein Fahrzeug vom Kriminaltechnischen Dienst untersucht. Dabei wurden Haare der Frau auf dem Beifahrersitz gefunden, ebenso Textilspuren von ihr auf der Matratze. Der Brummifahrer habe hingegen geleugnet, dass die Frau in seinem Lastwagen gewesen sei.

Sexuelle Absichten immer von sich gewiesen

Vor Gericht erklärte der Rumäne nun, warum: Ja, er habe die Frau mitgenommen. In seiner Heimat sei es völlig normal, Anhalter mitzunehmen, und auf diese Art von einer Ortschaft zur nächsten zu reisen. Da sein Arbeitgeber jedoch den Fahrern aus Versicherungsgründen verboten habe, Tramper mitzunehmen, habe er verheimlicht, dass er die Frau mitfahren ließ, da er Konsequenzen seitens seiner Firma fürchtete. Er habe die Frau in Ebingen mitgenommen, in Bitz seine Ware ausgeladen und die 22-Jährige dann wieder nach Ebingen zum Kreisel beim Eisplatz gefahren, bevor er seine Tour nach Winterlingen fortsetzte.

Dass er sexuelle Absichten gehabt habe, wies er entschieden von sich. "Es kam mir nicht einmal in den Sinn, mit ihr in Kontakt zu treten", ließ er mittels Dolmetscherin wissen. Viel zu alkoholisiert sei die Frau gewesen. "So wie sie ausgesehen und gerochen hat, kann ich mir nicht vorstellen, dass ein Mann mit ihr hätte etwas haben wollen." Beim Aussteigen in Ebingen habe sie sich sogar übergeben müssen.

Frau sitzt derzeit Haftstrafe ab

Als Zeugin aufgerufen, machte die Frau vor Gericht von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch. Denn bereits am 3. Dezember hatte die Frau, die bei der Polizei einschlägig bekannt ist und zurzeit eine Haftstrafe absitzt, dem Gericht einen Brief geschrieben – mehr als dreieinhalb Jahre, nachdem sie die Anschuldigungen erhoben hatte. Darin teilt sie mit, dass es zu "keinerlei sexuellen Übergriffen" gekommen sei. Den Angeklagten "trifft keinerlei Schuld". Sie behauptet vielmehr, der Rumäne habe ihr Geld für Sex geboten, weil es "alle deutschen Frauen für Geld tun würden".

Das habe sie dermaßen geärgert, dass sie beschlossen habe, der Polizei die Geschichte mit der Vergewaltigung aufzutischen. Zudem sei sie nicht ganz Herrin ihrer Sinne gewesen, da sie zuvor 24 Stunden lang Alkohol getrunken und Drogen geraucht habe. Die Polizei hatte am nächsten Morgen noch einen Blutalkoholwert von 1,8 Promille gemessen.

Aufgrund dieser Beweislage plädierten sowohl der Staatsanwalt als auch der Verteidiger auf Freispruch. Darüber hinaus soll die Frau die Kosten des Verfahrens tragen und der Angeklagte eine Entschädigung für den Tag im Arrest erhalten. Dem schloss sich der Vorsitzende Richter nach kurzer Beratung mit den Schöffen uneingeschränkt an. Wie die Faserspuren der Frau auf die Matratze der Schlafkabine im Lastwagen kamen, "das wissen alleine die Götter", endete der Richter.