Grün, so weit das Auge reicht: Das Gebiet "Hirnau" ist für Lautlingen und Ebingen-West auch ein Klima-Stabilisator.Foto: Kistner Foto: Schwarzwälder Bote

Hirnau: Bündnis ’90/Die Grünen legen Widerspruch ein und werfen der Stadt einseitige Argumentation vor

Widerspruch gegen den Vorentwurf für das geplante Gewerbegebiet Hirnau haben Mitglieder und Mandatsträger von Bündnis ’90/Die Grünen am Freitag fristgerecht eingelegt. Sie treibt die Sorge um, dass übereilt Fakten geschaffen werden könnten.

Albstadt-Lautlingen. "Vollumfänglich" lehnen die Albstädter Grünen den Vorentwurf zum geplanten Gewerbegebiet Hirnau in Lautlingen ab. Die Gemeinderatsfraktion, der Stadtverband sowie Mitglieder im Kreistag und Kreisverband stellen sich dagegen. In einem Schreiben an Oberbürgermeister Klaus Konzelmann, unterzeichnet von den Kreisräten Ute Krause und Ulrich Kohaupt sowie Julia Hölle vom Kreisvorstand, fordern sie, die Planung des Gewerbegebiets Hirnau "grundsätzlich aufzugeben" und legen ihre Gründe dar, die sowohl die geplante Ortsumfahrung Lautlingen als auch den Natur-, Arten- und Klimaschutz sowie wirtschaftliche Aspekte betreffen.

Ortsumfahrung

Das Gewerbegebiet Hirnau sei im Plan so gestaltet, als stünde bereits fest, dass die Ortsumfahrung Lautlingen in der bisher geplanten Form gebaut werde, also die so genannte Amtstrasse ohne Tunnel – eine Variante mit Tunnel fordert die Bürgerinitiative "Engagierte Lautlinger Bürger". Eine solche alternative Form der Trasse würde durch die Erschließung von Hirnau in der jetzt geplanten Form "nahezu ausgeschlossen", unumkehrbare Fakten würden geschaffen und damit "in unzulässiger Weise der Versuch unternommen, durch die Hintertüre andere Planungen zu beeinflussen und Tatsachen zu schaffen", wie es im Widerspruch heißt. Eine vollständige Überplanung des Gebiets aber müsse die Kriterien von Landes- und Regionalentwicklungsplanung erfüllen, den heutigen Ansprüchen der Albstädter entsprechen und der Verkauf von Grundstücken darauf abgestimmt werden, so dass beide derzeit denkbaren Trassenvarianten möglich blieben.

Wirtschaft

Der tatsächliche Bedarf an einem Gewerbegebiet sei nicht nachvollziehbar belegt, so die Unterzeichner, sondern "nur postuliert". Den übergeordneten Planungsvorgaben des Landesentwicklungsplanes und des Regionalplanes trage die Planung, die auf "überalterten Vorstellungen von Stadt- und Regionalentwicklung" beruhe, keine Rechnung, und auch für die "zukunftsfähige Vermarktung" des Gebiets lege die Stadt keine Ideen vor.

Alternativen für Gewerbeflächen sehen die Unterzeichner zahlreich, darunter auch Gewerbebrachen – und sie nennen "gelungene Beispiele" für Umwandlungen in Gewerbeflächen, etwa das Areal "Schiller Nord" in Ebingen.

Naturschutz

Die Albstädter Planung widerspreche in weiten Teilen dem Landesentwicklungsplan 2002, heißt es weiter. "Hochsensible Naturgebiete für Vögel, Reptilien und Insekten" würden "dauerhaft zerstört", und die geplanten Ausgleichsmaßnahmen an anderer Stelle seien kein Ersatz. Angesichts der Größe der zu bebauenden Fläche – 29,9 Hektar – werde das Gebot der Freiraumsicherung in "beträchtlichem Umfang" unterlaufen.

Hinzu komme die geplante Interimszufahrt, die Hirnau erschließen soll, so lange die Ortsumfahrung Lautlingen nicht gebaut ist. Die Grünen-Vertreter bezweifeln, dass sich auf der dafür vorgesehenen Fläche die derzeit dort lebenden Arten nach einem Rückbau wieder ansiedeln würden. Überhaupt definiere die Stadt nicht, wie Gegenmaßnahmen aussehen könnten, sollten die Ausgleichsmaßnahmen – geplant sind sie im nördlichen Talgang – nicht die gewünschte Wirkung erzielen. "Ausgleichsmaßnahmen als modernen Ablasshandel sehen wir durchaus kritisch", heißt es im Widerspruch. Über den Erfolg von Ausgleichsflächen für das Gewerbegebiet "Auf Stiegel" habe die Stadt bisher nicht informiert. Nicht zuletzt werfen die Grünen der Stadt vor, dass es ihr nicht um tatsächlichen Artenschutz gehe, sondern nur darum, ihre "veraltete Planung" für Hirnau rechtssicher zu machen.

Klima und Wasser

Am Beispiel Gewerbegebiet Kientenstraße gehen die Verfasser auf die klimatische Auswirkung versiegelter Flächen ein und führen den Umweltbericht des Balinger Fachbüros "Fritz & Grossmann" an, in dem deutlich werde, wie wichtig ein Grüngebiet an dieser Stelle sei, um den Wohngebieten in Lautlingen und Ebingen-West bei Hitze Abkühlung zu verschaffen. Durch Verdichtung des Bodens befürchten die Unterzeichner zudem negative Folgen für das Fließverhalten des Wassers.

Energieversorgung

Ganz fehle im Plan der Stadt das Thema Energieversorgung für Hirnau. Für die Grünen steht außer Frage, dass Ansprüche an die Nachhaltigkeit von Gewerbebetrieben klar definiert werden müssten, etwa betreffend den Einsatz erneuerbarer Energien.

Landschaftsbild

Auch die Eingriffe ins Landschaftsbild führen die Unterzeichner an – im Sinne eines wichtigen Naherholungsgebietes für die Albstädter, aber auch aus Gründen des Tourismus. Im nahen, mehrfach erweiterten Wohngebiet Mehlbaum hätten Bewohner auch deshalb gebaut, weil der Blick ins Grüne dort gegeben sei. Eine größere Ferienwohnanlage war vor wenigen Jahren dort entstanden, und auch die Pläne der Stadt, nahe dem Freizeitzentrum Badkap ein Hotel anzusiedeln, sind längst bekannt. Oberhalb des Badkap liegt der noch junge Campingplatz. Grüne Sichtbarrieren – etwa Bäume und Büsche – zwischen diesen Stellen und Hirnau seien fraglich. Bis sie gewachsen seien, könnten Jahrzehnte vergehen, betont Kohaupt.

Fazit

"Alle unsere Organe – also Stadt- und Kreisverband von Bündnis ’90/Die Grünen sowie Stadt- und Kreisräte – stehen hinter diesem Widerspruch", erklärt Ulrich Kohaupt. "Wir erhoffen uns die Erkenntnis in der Bevölkerung, dass das Gewerbegebiet und die Ortsumfahrung zusammengehören, und die Bevölkerung gegen die vorliegenden Pläne protestiert." In ihrer Begründung für den Bebauungsplan "Gewerbegebiet Hirnau" habe die Stadt jene Punkte aus dem Landesentwicklungsplan aufgeführt, die ihrer Planung nutzten. "Die zentralen Leitlinien hinsichtlich ökologischer Nachhaltigkeit werden dort nicht genannt."