Thomas Faltin, der Albschreiber, brachte bei seiner Lesung im Hotel "Linde" eine besondere Metamorphose hinter sich: vom Buchautor zum Wandersmann. Foto: Weiger Foto: Schwarzwälder Bote

Literaturtage: Albschreiber nimmt Zuhörer mit auf Lesereise

Die Alb, davon ist Thomas Faltin fest überzeugt, ist eine Landschaft des ständigen Wandels. Eine besondere Metamorphose haben die Zuhörer seiner Lesung im Ebinger Hotel Linde am eigenen Leib erfahren.

Albstadt-Ebingen. Faltin muss es wissen: Er ist Albschreiber, Albfotograf und Albwanderer in Personalunion. Soviel Expertise bekommt man selten geboten – kein Wunder, dass im Raum "Silberdistel" in der Linde" immer wieder nachgestuhlt werden musste. "So viele bekannte Gesichter" – Faltins Freude war aufrichtig – "ich kann wirklich sagen, dass ich mich hier mittlerweile sehr zu Hause fühle."

Der Bildband, den er präsentierte, ist eine gedruckte Einladung, die verborgene Schönheit der Alb zu entdecken, zu träumen und zu schwelgen. Faltin hat nicht nur zahlreiche Landschaftsbilder beigesteuert, sondern auch kleine Sinnsprüche und Lebensweisheiten zum Nachdenken, Innehalten und tief Durchatmen. Wie schreibt er so schön: "Meistens sind wir getrieben, werden wir gemacht, werden wir gelebt. Draußen in der Natur dürfen wir einfach sein." In seinem Berufsleben als Journalist, bekennt der Albschreiber, sei er ein strukturierter und organisierter Mensch; beim Wandern gönnt er sich dafür einen besonderen Luxus: "Ich lasse mich treiben."

Zwar war eine Lesung angekündigt worden, aber Thomas Faltin nahm sein Publikum zuerst einmal mit auf eine wunderschöne Bilderreise, untermalt von Klängen aus der Oper "Rinaldo" seines Lieblingskomponisten Georg Friedrich Händel. Gelesen wurde dann doch – unter anderem Hölderlin! –, und gesungen; wer mit einstimmte, wurde mit Schokolade belohnt.

Ein Osterei mitten im Älbler November?

Und dann war da noch ein beigefarbenes, mehr oder weniger rundes Etwas, das von Hand zu Hand durch die Stuhlreihen wanderte und kollektive Ratlosigkeit auslöste. Was mochte das sein – Faltin ließ seine Zuhörer spekulieren: Ein frühes Osterei? Ein Skarabäus? Weit gefehlt: Das vermeintliche Ei war die blank polierte Spitze eines sibirischen Mammutstoßzahns aus der Eiszeit. Dass sein persönliches Paradies keine Insel der Seligen, sondern bedroht ist durch Klimawandel und schleichenden Artenverlust, betrübt Faltin, und der Gedanke, dass es sich angesichts des drohenden Verschwindens der Schmetterlinge von der Alb verbieten könnte, weiterhin verträumte Landschaftsfotos zu zeigen, ist ihm nicht fremd. Allerdings teil er diese Ansicht nicht. Die Position des Albschreibers ist klar: "Man darf nicht nur. Man muss." Am Schluss der Lesung kam schließlich die zuvor versprochene Verwandlung: Nur ein paar Handgriffe, anstelle des Buchautors im feinen Zwirn stand ein Wandersmann im Saal "Silberdistel", stilecht mit festem Schuhwerk, Rucksack und Strohhut. Eine ganz besondere Metamorphose, wie nur die Alb sie möglich macht.