Mit einer Nachtfahrt bei der Polizei ging für Julia Stapel ein Traum in Erfüllung. Foto: dpa/Symbolbild

Wie sieht  Alltag eines Ordnungshüters aus? Volontärin Julia Stapel wollte es genauer wissen.    

Albstadt-Truchtelfingen - Die Polizei muss rund um die Uhr im Einsatz sein? Wie sieht der Alltag eines Ordnungshüters aus, wenn gerade mal nicht Tag ist? Volontärin Julia Stapel wollte es genauer wissen.

Als Liebhaberin von "Alarm für Cobra 11" wollte ich schon immer mal bei der Polizei mitfahren – in Zivil musste ich das glücklicherweise bisher noch nicht. Jetzt hat mir Martin Conzelmann, der stellvertretende Truchtelfinger Revierleiter, für die Dauer von vier Stunden einen Platz im Streifenwagen reserviert. Sieben Beamte erwarten mich bereits im Revier, von 18 bis 22 Uhr sind sie für Albstadt zuständig; dann werden sie von der nächsten Schicht abgelöst. Man stellt sich vor: Ich habe es mit Bernd Ebner, Claus Zimmer, Thomas Göggel und Lea Daum zu tun. Letztere ist Praktikantin – wieso, frage ich erst mich und dann sie, darf sie eine Waffe tragen? "Ich bin im neunten Monat meines Studiums, da haben wir auch Schießtraining", erklärt die 20-Jährige. Ach so – und reicht ein paarmal Ballern für einen Einsatz im wirklichen Leben aus? Im Ernstfall, erwidert Kommissar Göggel, wolle auch der Praktikant nicht ohne Waffe dastehen. Und Lea Daum ergänzt: "Wir werden theoretisch gut vorbereitet."

Allerdings ist die Waffe "ultima ratio". Viele Situationen, so Thomas Göggel, kann ein Polizist allein durch sein Auftreten entschärfen. Natürliche Autorität bewirke schon einiges. Sind ältere Beamten da im Vorteil? In Baden-Württemberg darf man mit bereits mit sechzehneinhalb Jahren zur Polizei – und macht dort naturgemäß die Erfahrung, dass alles etwas anders ist, als man es sich vorgestellt hat. Auch Polizisten müssen erst lernen und reifen – wie in jedem anderen Beruf auch.

Genug der Theorie – es wird ernst: "Es gibt was zu tun", sagt Martin Conzelmann. "Sie fahren bei mir mit. Zu meiner Ernüchterung fahren wir nicht "à la Cobra 11" mit Martinshorn zur Walther-Groz-Schule – es wird nur eingeschaltet, wenn Not am Mann ist, wenn möglicherweise ein Menschenleben in Gefahr ist. Davon kann diesmal keine Rede sein. Am Einsatzort, dem Schuleingang, treffen wir einige Jugendliche an, die den Nachbarn wohl zu laut sind. Sie hören Musik, trinken Alkohol und rauchen Zigaretten, aber wie ein ausuferndes Gelage wirkt das Szenario nicht – die Jugendlichen begrüßen uns freundlich. Die drei Polizisten weisen die jungen Leute ebenso freundlich darauf hin, dass sie um diese Zeit nichts auf dem Schulgelände verloren haben. Sie erhalten einen Verweis und die Aufforderung, aufzuräumen. Ist das alles? Nein, die Ausweise wollen die Beamten auch sehen, und so kommt heraus, dass zwei 17-jährige Mädchen entgegen der Jugendschutzbestimmungen harten Alkohol – Wodka – getrunken haben. Als Konsequenz wird die Flasche einkassiert und ausgeleert; außerdem werden die Eltern werden informiert. Woher kam der Alkohol? Offenbar aus einem Einkaufsmarkt – auf das Personal wartet eine Standpauke.

Worauf gilt es im Umgang mit einer alkoholisierten Gruppe achten? "Ich sorge immer dafür, dass eine Armlänge Abstand bleibt und niemand hinter mir steht. Zunächst weise ich freundlich auf die Gesetzeslage hin, und wenn das nicht wirkt, werde ich deutlicher."

In Gefahrensituationen braucht man den Partner

Ebner ist ein alter Hase. "Es ist ein Erfahrungsberuf – man kann auch in eine Gruppe mit 20 Betrunkenen hineingehen, wenn man weiß, wie man zu reagieren hat", ergänzt Thomas Göggel. Martin Conzelmann fügt hinzu: "Teamwork zählt – man ist auf seinen Partner angewiesen; in Gefahrensituationen kann man nur gemeinsam bestehen. Das schweißt zusammen."

Teamwork ist auch in der nächsten Situation vonnöten. Bereits am Nachmittag ist es zu Handgreiflichkeiten zwischen einem Mann und seiner Partnerin gekommen. Die Kollegen haben den Mann daraufhin des Platzes verwiesen – er durfte erst am nächsten Tag zurückkehren. So lange hat er nicht gewartet; er ist schon wieder da. Allerdings sind Frau und Kind verschwunden. Ebner und Göggel stellen ihn zu Rede. Da sein Deutsch nicht besonders gut ist, versteht man die Antworten nur mit Mühe. Der Mann fragt mehrmals, wo sein Kind sei; die beiden Beamten reagieren mit Strenge: "Sie müssen den Platz verlassen; Frau und Kind gehen sie heute nichts mehr an", sagt Ebner. Der Mann darf eine Tasche packen mit allem, was er für eine Nacht benötigt; falls er keine Bleibe hat, kommt er mit aufs Revier. Den Schlüssel muss er abgeben; aufs Revier will er nicht mit. "Heute Nacht kommen sie nicht mehr zurück", sagt Göggel mehrmals. Das leuchtet seinem Gegenüber nicht recht ein; der Mann diskutiert weiter und sucht Gründe, warum er noch einmal in die Wohnung muss. Die Polizisten lassen sich nicht aus der Ruhe bringen und machen keine Kompromisse, sie treten als autoritäres Team auf. Ich bin beeindruckt.

Die Nachtfahrt neigt sich dem Ende zu. Auch wenn ruhige Schichten eigentlich etwas gutes sind, habe ich mir etwas mehr Trubel gewünscht. Spannend war es trotzdem – wenn auch auf ganz andere Weise als in "Alarm für Cobra 11".