Kabarett: Anna Piechotta unterhält ihr Ebinger Publikum mit Opernarien und nachtschwarzem Humor

Von Ute Büttner

Albstadt-Ebingen. Wie findet man einen Mann für das eigene Vergnügen – und wie einen zahlenden Mann für das eigene Kind? Wie geht man mit Kindern um? Wie findet man sich in der Oper zurecht und wie in der Dorfgemeinschaft? wie ist man als Künstler erfolgreich? Antworten auf diese und andere Fragen suchte und fand Anna Piechotta auf den Exkursionen ins private, berufliche und gesellschaftliche Leben, die sie bei ihrem Auftritt im Kräuterkasten unternahm.

Die Frage nach dem Erfolg des Künstlers ist für sie begreiflicherweise besonders drängend – und die Antworten ernüchternd. Heute muss ein Künstler vor allem äußerlich schön sein, und dieses Ziel erreicht er nur unter großen Schmerzen. Einen Mann zu finden, ist auch nicht leicht – womöglich entpuppt sich der schöne, sensible Geiger aus dem Internet im wahren Leben als derber, krachlederner Urbayer.

Unschuldiges Lächeln und heulendes Elend

Immerhin, ganz voraussetzungslos begegnet Anna Piechotta derartigen Herausforderungen nicht – sie hat Begabung, fürs unschuldige, strahlende Lächeln ebenso wie fürs heulende Elend und den trotzigen Schmollmund. Ihre Stimme passt sich jeder Rolle an – der sehnsuchtsvollen Frau, dem dumpfen Bajuwarentum, dem aufdringlichen Kindergeplapper – "Mami, was ist…? Mami, der Papa hat gesagt…" – und seinem Widerpart, der zusehends entnervten Mütterlichkeit. Sie besingt beseelt das Leben im Dorf, wo noch der Mensch zählt und nicht Geld oder Macht. Wenn sie dann in einer Parodie von Don Giovanni Arien schmettert, kann man sie sich gut als echte Diva auf einer Opernbühne vorstellen. Schließlich hat Anna Piechotta eine klassische Musikausbildung durchlaufen. Können paart sich mit Komik, wirkungsvoll untermalt vom Klavier – doch unter der Komik lauern die Abgründe.

Zum Beispiel im Schlaflied, das unter dem Grollen des Instruments zum Drohlied gerät "Wenn du nicht schläfst, dann…". Als böses kleines Mädchen hat sie selbst die Eltern misshandelt und den untreuen Geliebten in Stücke gehackt – und das Klavier beißt dabei förmlich zu. Makaber auch ihre Entschuldigungen. Peters Haus ist zwar explodiert, weil sie vergaß, das Gas abzustellen, doch er hat jetzt ja ein neues, schöneres. Trauriger sind die Folgen ihrer Vergesslichkeit für Otto. Der entleibt sich, weil sie vergessen hat, seinen Lottoschein mit den sechs Richtigen abzugeben.

Aber Anna Piechotta kann auch anders. Wenn sie in einem neueren Lied von der Mutter erzählt, die mit ihrem Kind übers Meer flieht, von Hoffnungsschimmer und Hoffnungslosigkeit, dann klingt das herb und spröde wie eine von Kurt Weill vertonte Ballade von Bertolt Brecht. Unbeschwert lustig kommt dagegen wieder ein Lied über den privaten Kummer von Putin daher. Theatralisch wie die Donkosaken röhrt sie auf Russisch und macht gleich darauf die Dramatik zunichte, weil sie den Gesang unterbricht mit kurzen, banalen Übersetzungen: "Ich bin so traurig". Traurig ist das Publikum nicht, die Gäste genießen den Abend und verlangen eine Zugabe.

Bleibt die Sinnfrage allen Künstlertums: "Wofür mache ich das?" Anna Piechottas knappe Antwort: "Dafür!"