Zu Gast in der IHK-Vollversammlung: Landesverkehrsminister Winfried Hermann Foto: Kistner Foto: Schwarzwälder Bote

IHK: Verkehrsminister Winfried Hermann steht der Vollversammlung Rede und Antwort

Albstadt-Ebingen. Man kennt sich seit langem: "Bei keiner IHK bin ich so oft wie bei Ihnen", versicherte Winfried Hermann den zur Vollversammlung der Industrie- und Handelskammer Reutlingen erschienenen Unternehmern. Auch ihre verkehrspolitischen Anliegen sind dem grünen Landesverkehrsminister vertraut: Regionalstadtbahn, Elektrifizierung der Zollerbahn, Wendlinger Kurve und natürlich B 27 und B 463 lauteten die Stichworte, die ihm seine Gastgeber bereits im Vorfeld seines Auftritts im Hause Groz-Beckert in Ebingen gegeben hatten. Neueren Datums war allenfalls "Immissionsmessstellen".

Man kennt sich – Hermann war auf diese Fragen vorbereitet, aber ehe er auf sie einging, brachte er die Themen zur Sprache, die wiederum ihm am Herzen liegen: klimaneutrale Mobilität bis 2050 und die "überfällige Verkehrswende" – für ihn ist die durchgängig verbrennungsmotorisierte Gesellschaft ein Auslaufmodell; an ihrer Stelle sieht er eine kommen, in der das Automobil "ein anderes Produkt" und seine Fertigung ein anderes Geschäftsmodell sein wird als bisher. In Norwegen, so Hermann, habe mittlerweile jedes zweite neu zugelassene Auto Elektroantrieb, und in China werde der Otto-Motor durch fünfjährige Zulassungsfristen ausgebremst – in Deutschland aber fahre man sorglos SUV und setze die Zukunft aufs Spiel. Er sieht es als seine Aufgabe als Politiker, letzteres zu verhindern.

Die Einwände der Kritiker kennt er wohl: Nein, der Strombedarf der kommenden Elektromobilität dürfe natürlich nicht durch fossile oder nukleare Energie befriedigt werden, sondern nur durch regenerative – andererseits seien in dieser Debatte viele Übertreibungen im Spiel: 15 bis 20 Prozent betrage der Zusatzbedarf, das sei machbar. Die beliebte Frage nach der Straße mit den drei Zahnärzten mit den drei Teslas, die alle gleichzeitig tanken und so die Stromversorgung zum Kollaps bringen, stellte er selbst, da es kein anderer im Saal tat: In Deutschland gebe es diese Zahnärzte noch nicht – und in Norwegen sei man längst dabei, das Stromnetz an höhere Verbräuche als die der Leuchtdiode anzupassen.

Die B 27 ist gesetzt – aber wann wird sie fertig?

Es gibt noch andere Baustellen. Der Güterverkehr auf der Schiene, so Hermann müsse endlich "heraus aus dem 19. Jahrhundert". "Stuttgart 21", davon geht er aus, wird ihn seine Kollegen bis 2027 und länger beschäftigen – "so lange dauert es, bis auch der Flughafen angebunden ist". Wenige Stunden zuvor hat die Europäische Union Deutschland wegen Missachtung der Feinstaubbestimmungen beim Europäischen Gerichtshof verklagt – muss in Reutlingen unbedingt an bewusster Stelle in der Lederstraße gemessen werden? Im Biosphärengebiet auf der Alb mache es wenig Sinn, konterte Hermann – im übrigen seien die europäischen Messvorschriften sehr präzise und ließen kaum Spielräume. Die Messstellen aber hätten einer radikalökologischen Gesinnung unverdächtige Vorgänger ausgewählt: Späth, Müller, Mappus, Gönner – alle CDU.

Aber nun zu den Themen der Gastgeber. Die sogenannte Wendlinger Kurve der Bahnstrecke Tübingen-Stuttgart werde zweispurig ausgebaut, versicherte er, ein Nadelöhr werde es nicht geben – die Mehrkosten belaufen sich auf 100 Millionen Euro. Die Zollerbahn wird elektrifiziert; wenn es jetzt länger dauere, dann, so Hermann, liege das vielleicht auch an einem schwäbischen Sicherheitsdenken, dem Eigeninitiative ohne Kostenübernahmegarantien suspekt sei – in Freiburg sei man da forscher gewesen und entsprechend weiter.

Und die Bundesstraßen? – Wie immer die Zukunft des Verkehrs aussehen mag, noch sind Ortsumgehungen und dritte Autobahnspuren Winfried Hermanns tägliches Brot. Die B 27 ist gesetzt und wird gebaut. Wann? Wenn alles gut ginge, wenn niemand klagte und parallel an der Tübinger und der Ofterdinger Ortsumgehung gebaut würde, könnte die Planfeststellung in drei und der Bau in weiteren fünf Jahren über die Bühne gehen. Aber dieses Versprechen mochte Hermann nicht machen. Warum es überhaupt so lange dauere? Dass die Sachbearbeiter fehlten, sei mittlerweile nicht mehr korrekt, sagt Hermann – er ließ jedoch durchblicken, dass die Planfeststellungsbehörden seiner Ansicht nach dazu neigten, sich zu verzetteln: Sie packten zuviel gleichzeitig an und kämen dann nicht voran.

Bleibt die B 463 und die Lautlinger Ortsumfahrung. Winfried Hermann verhehlte nicht, dass er die Bedenken der Lautlinger "Amtstrassenkritiker" nachvollziehen kann – aber er räumte auch ein: "Substanzielle Änderungen bedeuten ›Zurück auf Null‹". Genau das hatten seine Gastgeber aus dem Mund des grünen Ministers hören wollen.