Rededuell zwischen Albstadtwerke-Geschäftsführer und ZUG-Stadträtin hat es in sich. Grund: Bädereintrittspreise.
Albstadt - Hart an der Grenze zu einem gediegenen Krach ist am Donnerstagabend die Diskussion um die erhöhten Eintrittspreise für Nicht-Stromkunden der Albstadtwerke zu den drei Hallenbädern und dem Naturfreibad im Gemeinderat ausgefallen.
Ein achtseitiges Papier mit seiner Stellungnahme zur – vorwiegend in Leserbriefen geführten – Diskussion um das albPlus-Programm der Albstadtwerke und die damit verbundene Erhöhung der Bäder-Eintrittspreise für alle, die ihren Strom nicht von den Albstadtwerken beziehen, hat deren Geschäftsführer Thomas Linnemann im Gemeinderat verlesen und damit die Gründe dafür, Stromkunden von Eintrittspreisen zu befreien, nochmals bekräftigt. Wobei er von "Entsachlichung" und "irreführender (Falsch-)Information" in den Leserbriefen und einem offenen Brief des kommunalpolitischen Wahlbündnisses Z.U.G. sprach.
Auf das albPlus-Programm wollte Linnemann freilich nicht näher eingehen – diese Diskussion sei im Aufsichtsrat der Albstadtwerke (ASW) intensiv geführt worden. Um so genauer ging er auf den Begriff "Daseinsvorsorge" ein, den Gegner der Preiserhöhung oft ins Feld geführt hatten. Eine fixierte Definition dafür gebe es nämlich nicht. Vereinfacht könnten nahezu alle Aufgaben einer Kommune als Daseinsvorsorge aufgefasst werden. Häufig werde der Fokus auf Grundversorgung und den Zugang zu existenziellen Gütern und Leistungen gelegt. Auch Bäder würden "teils" dazugezählt. Zentral sei aber, dass die Aufgaben der Kommune laut Gemeindeordnung in die Kategorien "Pflicht" und "Freiwilligkeit" eingeteilt würden – Bäder seien Teil der freiwilligen Aufgaben, und für die gebe die Gemeindeordnung einen Rahmen vor: "In den Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit" schaffe die Gemeinde die "für das wirtschaftliche, soziale und kulturelle Wohl ihrer Einwohner erforderlichen öffentlichen Einrichtungen", welche zu nutzen die "Einwohner" – also nicht etwa Urlauber – berechtigt seien: "nach gleichen Grundsätzen". Sie seien "verpflichtet, die Gemeindelasten zu tragen.
Albstadtwerke mit 42 Millionen Euro Schulden
Alle Einwohner Albstadts seien allerdings auch weiterhin berechtigt, die kommunalen Bäder nach gleichen Grundsätzen zu den regulären Eintrittspreisen zu nutzen, so Linnemann weiter. Dafür spiele das Preisniveau keine Rolle und das albPlus-Programm stehen in anderem Zusammenhang, auf den Linnemann danach einging: Bis 2010 seien die ASW "maßgeblich durch Bäderdefizite" auf fast 42 Millionen Euro Schulden "ausgehöhlt" worden – das werfe die Frage auf, ob seinerzeit die in der Gemeindeordnung thematisierte "Leistungsfähigkeit" und die "Lastentragung durch die Einwohner wirklich gegeben waren".
Durch kluge Unternehmenspolitik der ASW seien die Bäder heute in so gutem baulich-technischen Zustand wie seit Jahrzehnten nicht mehr – das Hallenbad Onstmettingen werde es nach der Generalsanierung sein. "Das ist zukunftsorientierter Erhalt von Infrastruktur", rief Linnemann den Räten zu. "Das ist gelebte Generationengerechtigkeit!"
Auch das Thema "Kosten/Defizit und dessen Tragung" griff er auf. Die drei Hallenbäder Ebingen, Langenwand und Onstmettingen erzeugten ein jährliches Defizit von einer bis 1,5 Millionen Euro, das vollständig die ASW erwirtschaften müssten. Die Stadt erstatte keinen Abmangelausgleich. Der Defizitausgleich basiere maßgeblich aus der Erwirtschaftung eines Überschusses im Strombetrieb der ASW. Überschüsse bei Netznutzungsentgelten dienten maßgeblich der Refinanzierung des Stromnetzes.
"Die Stromvertriebskunden finanzieren maßgeblich die Albstädter Bäder", so Linnemann. Wer dazu nicht gehöre, trage nicht zur Finanzierung der Bäder bei. Betrachte man die spezifische Selbstkostensituation für das öffentliche Schwimmen in den Bädern – ohne Schul- und Vereinsschwimmen und unter Zugrundelegung der Besucherzahlen in den vergangenen Jahren – so ergebe sich ein Selbstkostenpreis von durchschnittlich elf bis 13 Euro pro Besuch. Das aktuelle Preisniveau für Eintritt liege aber bei sechs, ermäßigt drei Euro pro Besuch und damit weit entfernt vom Selbstkostenpreis. Damit seien die Preise "noch immer moderat und ausgewogen". Eine Kugel Eis koste inzwischen mehr als einen Euro, ein Kinobesuch um acht Euro sagte Linnemann "zur Relativierung".
Es gebe keine Benachteiligung von "Nicht-Stromvertriebskunden", so Linnemann, "sondern ganz im Gegenzeit profitieren diese noch immer davon, dass die Stromvertriebskunden ihnen die Bäder maßgeblich finanzieren." Er drückte es noch deutlicher aus: "Eigentlich ist ein solches Verhalten im wahrsten Sinne des Wortes nicht-sozial und egoistisch!"
Verletzend und Beleidigend
Nach Eindruck der ASW-Geschäftsführung seien die Kritiker in der Regel keine Stromvertriebskunden der ASW und suchten vor allem, die höhere Beteiligung an den Selbstkosten für die Bäder zu vermeiden – mit "(bewusst?!) irreführenden oder teils falschen Argumenten". Exotische Einzelfälle würden zu General-Problemen stilisiert. Der Stil der Kritik ist teils verletzend und beleidigend.
"Eine falsche Argumentation wird nicht dadurch besser geschweige denn richtig, dass sie oft wiederholt wird", so Linnemann, "oder dass sie besonders laut und konzertiert vorgetragen wird." Ferner sei jeder eingeladen, Stromvertriebskunde der ASW zu werden und somit zur Solidargemeinschaft beizutragen und in den Genuss von albPlus zu kommen. Sich auf der einen Seite den günstigsten Stromanbieten auszuwählen und auf der anderen Seite die Erwartung zu haben, die Bädereintritte müssten weit unter dem Selbstkostenpreis liegen, so dass andere für die Finanzierung aufkommen müssten, sei "Asoziales Cherry-Picking", deutsch für "Rosinenpickerei". Kein "soziales System" und keine Solidargemeinschaft werde auf Dauer bestehen, "wenn ein solch egoistisches Verhalten sich grundsätzlich durchsetzt", so Linnemann. Die Kombination aus Generalsanierung der Bäder, Festsetzung angemessener Eintrittspreise und dem albPlus-Programm sei hingegen "ein starker Beitrag zur Solidargemeinschaft vor Ort, Nachhaltigkeit für die vorhandene Bäderstruktur und ein Gebot der Generationengerechtigkeit".
Linnemann schloss – gewandt an "all jene Kritiker, die sich einer derart verwerflichen Kritik bedienen" – mit einem "kraftvollen" Zitat des Kabarettisten Dieter Nuhr: "Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal die Fresse halten."
ZUG-Stadträtin Elke Rapthel, die zu diesem Zeitpunkt schon länger bebend auf ihrem Stuhl gesessen hatte, entgegnete, es gehe nicht, dass Bürger, die einen Beschluss kritisierten, und Stadträte mit einem "wahrhaftigen Klospruch" diffamiert und beleidigt würden – "genau das, was Sie fälschlicherweise den Kritikern vorwerfen". Sie stellte den Antrag, Linnemanns Schreiben sofort von der Internetseite der Stadt zu nehmen, was Oberbürgermeister Klaus Konzelmann mit Hinweis auf die Pflicht zur Veröffentlichung öffentlich im Gemeinderat vorgebrachter Stellungnahmen ablehnte.
Einzelne ASW-Aufsichtsratsmitglieder hätten durchaus Bereitschaft zum Nachverhandeln der Eintrittspreise signalisiert. Was Linnemann nicht einsehe, sei, "dass es Albstädter Bürger gibt, die mit jedem Cent rechnen müssen", was ihm nicht das Recht gebe, "diese Leute als nicht sozial und egoistisch abzukanzeln" und ihnen "Asoziales Cherry-Picking" vorzuwerfen.
Bundesweit einzigartige Eintritspreise
Spätestens seit der "neoliberalen Öffnung des Strommarktes" habe der Bezug von Strom "aber auch gar nichts mit Ihrer angeblichen Solidargemeinschaft" zu tun. Keine könne etwas dafür, dass immer mehr öffentliche Einrichtungen zu GmbHs würden, "die dann den Konkurrenzkampf auf dem Rücken der Kunden, der Bäderbesucher, der Kranken etc. austragen", sagte sie mit Blick auf ASW, Krankenhäuser und ähnliche Betriebe. Es sei bedenklich, dass ein Geschäftsführer "jedes Gespür dafür vermissen lässt, dass er nicht nur mit den neuen Eintrittspreisen, die bundesweit wahrlich einzigartig sind, sondern auch mit seinen Methoden und Äußerungen selbst dazu beiträgt, weitere Kunden der ASW zu vergraulen".
Sie forderte, noch vor den Sommerferien die komplette Rücknahme der Erhöhung der Eintrittspreise wieder auf 3,60 Euro.
Oberbürgermeister Klaus Konzelmann, Aufsichtsratsvorsitzender der ASW, stellte sich "voll hinter die Ausführungen" Linnemanns. Susanne Feil wies noch darauf hin, dass Mieter, deren Strom über den Hauptzähler des Vermieters laufe, keinen Einfluss auf die Wahl des Anbieters hätten.