Ohne diese Requisiten kommen Seismologen nicht aus: Techniker Ralph Ortlieb hält den Seismografen in der Hand und Andrea Brüstle den Laptop. Foto: Kistner

Innerhalb weniger Tage bebte die Erde auf der schwäbischen Alb hundertfach. Mobile Messstation errichtet. Mit Video

Albstadt - In dieser Woche häufen sich im Raum Albstadt die seismischen "Kleinstereignisse": Die Erde bebt, aber so leise, dass es keiner merkt. Außer dem Erdbebendienst Südwest – der installiert nun zusätzliche Messgeräte und geht dem "Grummeln" auf den Grund. Buchstäblich.

Von größeren Beben wie dem schweren im Jahr 1978 ist Albstadt in den vergangenen vier Jahrzehnten verschont geblieben, aber dass die Weingläser plötzlich unmotiviert im Schrank klirren, das hat wohl jeder Albstädter schon mal erlebt. Ganz klein ist auch ein Beben dieser Größenordnung nicht mehr – wenn man es wahrnimmt, steht im Regelfall bereits mindestens eine Zwei vor dem Komma der Angabe auf der Richter-Skala.

Die "Ereignisse", von denen Andrea Brüstle, Seismologin in Diensten des Erdbebendienstes Südwest, spricht, wenn sie die seismischen Aktivitäten der vergangen Tage beschreibt, sind wesentlich kleiner – 1,7 auf der Richter-Skala war das höchste der Gefühle; bei den meisten anderen lag die Stärke im Bereich Null Komma Nochwas. Gemerkt hat davon keiner etwas.

Gleichwohl sind auch solche Kleinstbeben interessant für die Fachleute, und deshalb haben sie, als ihre stationären Detektoren in der Region anschlugen und allein für die drei ersten Tage der Woche über 400 "Ereignisse" vermeldeten, beschlossen, sich das Phänomen genauer anzuschauen. Am Mittwoch haben sie auf einem Feld irgendwo in Albstadt eine weitere Messvorrichtung installiert – der genaue Standort muss geheim bleiben, denn Publikumsverkehr ist aus naheliegenden Gründen unerwünscht: Er verursacht Erschütterungen.

Diese Messvorrichtung wäre für Aufzeichnung schwerer Erdstöße völlig ungeeignet; für die gibt es die "Strong-Motion"-Seismografen. Sie registriert vielmehr kleine, unmerkliche Erschütterungen und gibt Aufschluss über deren Ursprung.

Die Punkte formieren sich zum Mercedes-Stern

Und das geht so: Vier hochempfindliche Seismografen werden in einiger Entfernung voneinander im Acker vergraben und zwar so, dass sich, wenn man die Punkte verbindet, ein Mercedes-Stern ergibt – die Verbindung existiert übrigens faktisch in Gestalt von Kabeln. Die Seismografen sind handtellergroße Metallzylinder mit einer Anschlussbuchse und einer kleinen Wasserwaage auf der Oberseite. Die Waage besteht aus einem Auge mit eingeschlossenem Kügelchen, das zentriert werden muss – nur wenn der Seismograf "im Wasser" steht, lassen sich seine Messungen verwerten.

Und was misst er? Die Stärke der Erschütterung – ein Messdatum, das für sich genommen noch nicht besonders aufschlussreich ist. Aber da der Seismograf auch die Zeit der Erschütterung GPS-genau angibt, lassen die winzigen Differenzen zwischen den Zeiten der Ausschläge Rückschlüsse darauf zu, woher die Erschütterungswelle kam und wie tief im Erdinneren das Epizentrum lag. Vergleicht man die Daten, die im Lauf von rund zwei Wochen eingehen, dann ergibt sich daraus ein mehr oder weniger deutliches Bild davon, wo derzeit auf und unter der Südwesthalb kleinste tektonische Verwerfungen entstehen und wo sich Spannungen im Untergrund aufbauen.

Wer jetzt allerdings hofft, dass sich aus diesen kleinen Erkenntnissen größere ergeben könnten, etwa Antworten auf die Frage, wann das nächste größere Erdbeben ins Haus steht, den muss Andrea Brüstle enttäuschen. Die Erdgeschichte währt schon mehrere Milliarden Jahre lang; das Datenmaterial, dass den Wissenschaftlern zur Verfügung steht, stammt aus einem winzigen Bruchteil dieser Zeitspanne, und seine prognostische Aussagekraft ist entsprechend. Seismologen sind keine Hellseher; wer Vorhersagen wünscht, kann es auch gleich mit der Glaskugel versuchen. Das Gute an dieser Nachricht: Die jüngste Häufung von "Kleinstereignissen" hat nichts zu besagen.