Die Königsfelder Albert Schweitzer-Klinik im Schwarzwald-Baar-Kreis weitet das Hilfsangebot auf Teilkunstherz-Implantate aus. Wie lebt es sich mit dem „Herzkumpel“ LVAD, was gibt es zu beachten? Ein Blick in die Abläufe bei der Rehabilitation.
Festtage sorgen bei schwerst Herzerkrankten immer wieder für die Frage, ob es diesmal das letzte Mal ist. Angesichts des Spenderorganmangel erscheint die Frage berechtigt. Herzinfarkte, Herzmuskelentzündungen, die Implantation neuer Herzklappen, Schrittmacher, Defibrillatoren, Bypässe – die Liste an möglichen Gründen für einen Reha-Aufenthalt in der bekannten Fachklinik für Herz-, Kreislauf- und Gefäßerkrankungen in Königsfeld (Schwarzwald-Baar-Kreis) ist lang.
Aus ganz Deutschland stammen die Patienten, um nach der akuten klinischen Behandlung drei bis fünf Wochen eine fachlich gut abgestimmte kardiologische Rehabilitation zu absolvieren.
Frühes Engagement bei Long- und Post-Covid
Ähnlich verhält es sich mit Lungenerkrankten im Bereich der Pneumologie der Klinik. Dort kommen Patienten mit Lungentumoren, Lungenentzündungen und -embolien, COPD, Asthma, Mukoviszidose und weiteren Erkrankungen zur Rehabehandlung. Früh engagierte sich die Klinik mit ihren 290 Betten und rund 185 Mitarbeitern auch in der Behandlung von Long- und Post-Covid und hat inzwischen als deutschlandweite Post-Covid-Schwerpunktklinik im Konzern der Mediclin mehr als 2000 Patienten versorgt.
In der zweiten Jahreshälfte nahmen die Universitätsklinik Tübingen und das Robert Bosch-Krankenhaus Stuttgart Kontakt mit der Königsfelder Rehaklinik auf, um Patienten mit Teilkunstherz-Implantaten eine Rehabilitation zu ermöglichen. Königsfeld, einstiger Wohnort des weltbekannten Arztes Albert Schweitzer, nach dem die Klinik auch benannt ist, wäre damit einer der wenigen bundesweiten Orte, an dem so etwas möglich ist.
Es brauche eine umfangreiche medizinische Schulung für die Ärzte, den Pflegebereich, die Therapeuten und Sozialdienstmitarbeiter, so Tanya Nedoklanova-Dimitrova, Chefärztin der Königsfelder Kardiologie. Auch das weitere Personal müsse gut fortgebildet sein. Schon vier Patienten mit Teilkunstherz haben eine Reha in Königsfeld im Spätherbst und beginnendem Winter erfolgreich abgeschlossen. Informiert ist auch das Schwarzwald-Baar-Klinikum in Villingen-Schwenningen, falls ein besonderer Notfall eintreten sollte.
Magnete stabilisieren und treiben den Rotor an
Vieles lässt sich heute medizinisch gut behandeln. Sind Arterien im Herzen verengt, hilft fast immer – sofern dies rechtzeitig geschieht – ein Stent. Die Implantation der Gefäßstützen gleicht subjektiv schon fast jener einer Zahnfüllung, obwohl der technische Hintergrund dennoch ein sehr komplexer ist. Die Patienten sind bei vollem Bewusstsein, können dem Geschehen zusehen und sind meist danach schon wieder mobil.
Bei einem Teilkunstherz sieht dies gänzlich anders aus: Schon vor Jahrzehnten versuchte man kleine Pumpen zu implantieren, scheiterte damit allerdings regelmäßig – meist entstanden im Betrieb lebensgefährliche Blutgerinnsel. Anders als bei bisherigen Versuchen besitzt das „Heartmate III“ der amerikanischen Firma Abbott keine Achse zwischen Antrieb und Rotor. Der kleine Propeller schwebt innerhalb des etwa Fahrradklingel großen runden Gehäuses frei im Blut und wird durch Magnete sowohl angetrieben als auch in der Lage stabilisiert. Damit soll ein zuverlässiger Betrieb gewährleistet sein. Das Gerät unterstützt die linksseitige Hälfte des Herzens. Diese stellt den Schwerarbeiter des Herzens dar. Während die rechte Seite das Blut „nur“ zur Lunge pumpt, muss die linke Herzkammer das Blut in den ganzen Körper vom Gehirn bis hin zum großen Zeh‘ schicken. Gelingt dies bei Herzinsuffizienz nicht mehr, ist das Weiterleben in Gefahr. Fachleute sprechen von einem linksventrikulären Herzunterstützungssystem, kurz LVAD (left ventricular assist device).
Zwei Akkus, die am Körper getragen werden können, liefern den Strom
Aber woher kommt die Energie? Ein Kabel in der Bauchdecke bringt den lebensnotwendigen Strom. Zwei Akkus liefern ihn. Sie sind in einer Tasche oder mittels Halterung unter den Armen zu tragen. „Damit wird den Patienten trotz der lebensbedrohlichen Erkrankung ermöglicht, sich ganz normal wieder zu bewegen und am öffentlichen Leben teilzuhaben“, erläutert Nedoklanova-Dimitrova.
Der Name „Heartmate“ des LVAD ist im Englischen gut gewählt: „Partner“ oder auch „Kumpel“. Ohne Transplantation wäre für Betroffene das Leben zu Ende, mit dem elektrischen „Kumpel“ kann es weitergehen und erstmals nach Jahren massiver Leistungseinschränkungen sogar wieder deutlich besser.
Erlernte Routinen müssen im Alltag sitzen
„In der Reha werden die Patienten nach der OP wieder an das Leben herangeführt“, so die Kardiologin. Hierzu gehören unter anderem alltägliche Aktionen, welche bislang nicht mehr möglich waren, wie die Benutzung von Treppen oder Spazieren zu gehen. Das Ganze mit enger Überwachung der Körperfunktionen wie auch des Geräts. Erlernte Routinen müssen im Alltag sitzen: das Desinfizieren und Pflegen der Eintrittsöffnung im Bauchraum oder die verlässliche Ladung der Akkus. Fehler könnten hier schnell das Ende des Lebens bedeuten.
Nicht zu unterschätzen ist auch die psychologische Komponente: Mit einem solchen Gerät künftig zu leben, stellt eine große Umstellung dar. Massive Ängste können auftreten, Schlaflosigkeit oder auch Gefühle der Entfremdung. So haben die Patienten beispielsweise keinen Puls mehr. Das LVAD pumpt – anders als das Herz – kontinuierlich und nicht in Schüben. Die Aufgabe der Krankheitsverarbeitung sei groß, so die Kardiologin, aber machbar. „In der Reha können wir die Betroffenen psychisch gut stabilisieren und auch in diesem Bereich fit für den künftigen Alltag machen.“
Manche verzichten gar ganz auf das Spenderherz
Ein beruflicher Wiedereinstieg ist mit dem LVAD oftmals sogar wieder möglich. Hier hilft der Sozialdienst der Klinik. Beratung zu eventuellen finanziellen Hilfen, der beruflichen Wiedereingliederung und weiteren Unterstützungen geben Betroffenen auch hier Sicherheit.
Bei dem LVAD-System werde im Vorfeld genauestens eruiert, wer für eine Implantation geeignet sei, so die Chefärztin. Das Herz müsse stark geschädigt, jedoch der sonstige körperliche Zustand noch weitestgehend gut sein, um die komplizierte OP und das spätere Leben damit möglich zu machen. Auch müsse der Patient die technischen Schulungen umsetzen können und psychisch so stabil sein, dass er mit einem solchen Gerät über einen langen Zeitraum leben könne – bis zur späteren Transplantation eines Spenderherzens, vielleicht auch gänzlich ohne. Die Geschichte der modernen Teilkunstherzen zeigt, dass so mancher Patient sogar später auf ein Spenderherz verzichtete und dem „Herzkumpel“ treu blieb.
Was hinter Mediclin steckt
Mediclin
Zu Mediclin gehören deutschlandweit 32 Kliniken, sechs Pflegeeinrichtungen und zehn Medizinische Versorgungszentren. Mediclin verfügt über rund 8300 Betten/Pflegeplätze und beschäftigt rund 10 000 Mitarbeiter.
Versorgung
Der Klinikbetreiber mit Sitz in Offenburg (Ortenaukreis) bietet den Patienten die integrative Versorgung vom ersten Arztbesuch über die Operation und die anschließende Rehabilitation bis hin zur ambulanten Nachsorge.