Johannes Kohler vom Verein "Region der Lebensretter" (links) und Daniel Pfaff, stellvertretender Geschäftsführer beim DRK-Kreisverband VS, wollen die App "FirstAED" im Landkreis vorantreiben. Foto: Eich

Der Schwarzwald-Baar-Kreis soll Region der Lebensretter werden. Im Mittelpunkt steht eine App, die bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand Ersthelfer in der Nähe alarmiert – und zwar vom Klinik-Chefarzt bis zum Helfer einer Rettungsorganisation. Denn im Notfall kommt es auf jede Sekunde an.

Schwarzwald-Baar-Kreis - Ein Mensch kollabiert – plötzlicher Herzstillstand! Über den Notruf wird der Rettungsdienst alarmiert, doch die Zeit drängt. Denn schon nach drei bis fünf Minuten drohen dauerhafte Schäden im Gehirn, zudem sinken die Überlebenschancen rapide – bis der Notarzt oder Rettungswagen eintrifft, können im Durchschnitt sieben bis neun Minuten vergehen. Professionelle Ersthelfer aus der näheren Umgebung sollen deshalb auch im Schwarzwald-Baar-Kreis die Lücke bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes schließen. Der Clou: eine intelligente App, die Ersthelfer in der Nähe zum Einsatzort lotsen kann.

Die Gefahr des plötzlichen Herzstillstands

"Wir wollen dafür sorgen, dass Menschen, die einen plötzlichen Herzkreislaufstillstand erleiden, überleben", macht Johannes Kohler deutlich. Dem Kardiologen am Schwarzwald-Baar-Klinikum ist das Thema ein besonderes Anliegen. Weiß er doch aus seiner Erfahrung, dass nur zehn Prozent der Betroffenen überleben – und diejenigen, die überleben, haben häufig mit Folgeschäden zu kämpfen, sind teils gar pflegebedürftig.

Angesichts von rund 50 000 Fällen im Jahr in Deutschland sind die Auswirkungen deshalb gravierend, nicht nur aus medizinischer und menschlicher, sondern angesichts der Krankenhaus- sowie Pflegekosten auch aus finanzieller Sicht. Kohler: "Trotz des gut funktionierenden Rettungsdienstes ist die Zeit zwischen dem Kreislaufstillstand und der Herzdruckmassage oft zu lange." Hier setzt die App "FirstAED" des Freiburger Vereins "Region der Lebensretter" an, zu dem Kohler gehört.

Die App als Lösung

Wie funktioniert das System? Sobald die Leitstelle über einen Herzkreislaufstillstand informiert wird, setzen die Disponenten die Rettungskette in Gang: Rettungswagen und Notarzt werden alarmiert. Gleichzeitig wird das "FirstAED"-System automatisch aktiviert. "Das System erkennt, welche Ersthelfer in der Nähe sind", so Kohler. In Verbindung mit dem georeferenzierten Alarmierungssystem der Leitstelle wird entschieden, ob jene Ersthelfer – in Abhängigkeit, ob sie zu Fuß, mit dem Rad oder dem Auto unterwegs sind – tatsächlich vor dem Rettungsdienst vor Ort sind.

Trifft dies zu, erhalten insgesamt vier Personen in allernächster Nähe über die App Kenntnis von dem Notfall. Diese können den Einsatz übernehmen und werden dann dort hin geleitet. Warum gleich vier Ersthelfer? Kohler klärt auf: Einer führt am Patienten die Herzdruckmassage durch, der zweite löst ihn bei der anstrengenden Aufgabe ab, der dritte bringt den nächstgelegenen, öffentlich zugänglichen Defibrillator zum Patienten und der vierte weist den Rettungsdienst ein. "So haben wir eine optimale Zeitraumausbeute", erklärt der Internist.

Bunter Strauß an Ersthelfern

Das System funktioniert aber natürlich nur mit engagierten Ersthelfern. Mindestanforderung ist eine Sanitätshelferausbildung, nach oben sind natürlich keine Grenzen gesetzt. "Das kann auch der Klinikchefarzt sein", sagt Kohler. Überhaupt setzen die Verantwortlichen auf das Personal des Schwarzwald-Baar-Klinikums, wollen dort über die Mitarbeiterplattform Freiwillige suchen, die auch außerhalb ihres Dienstes Leben retten möchten. Helfer von Rettungsorganisationen stehen ebenfalls im Fokus und sollen angesprochen werden. Kohler: "Unsere Zielrichtung sind zunächst 200 Helfer."

Umsetzung im Landkreis

Der DRK-Kreisverband Villingen-Schwenningen möchte nun gemeinsam mit den DRK-Kollegen aus Donaueschingen die Einführung des Systems unterstützen. Daniel Pfaff, stellvertretender Geschäftsführer beim DRK-Kreisverband VS betont: "Jede Sekunde, die früher geholfen wird, ist wichtig – denn jeder Herzschlag, den man dem Patienten geben kann, hilft." Doch die Einführung der App ist mit Kosten verbinden, die die Krankenkassen nicht übernehmen: 40 000 Euro für die komplizierte Einbindung in das System der Leitstelle, weitere 10 000 Euro, um die Ersthelfer auszustatten. Denn diese erhalten eine persönliche Schutzausrüstung – ein Rucksack, mit allem Notwendigen für den Ernstfall.

Deshalb suchen die Verantwortlichen nun Sponsoren, damit das lebensrettende System schnellstmöglich im Landkreis an den Start gehen kann. Schon im zweiten Quartal sollen die ersten Ersthelfer über die Leitstelle zu den Notfällen alarmiert werden. Benötigt werden darüber hinaus weitere Standorte für öffentlich zugängliche Defibrillatoren – ohne Sponsoren sei die Anschaffung aber nicht möglich.

Erfahrungen aus Freiburg

Wie wertvoll "FirstAED" ist, zeigen übrigens die Erfahrungen aus Freiburg. Die Breisgaumetropole ist Pionier bei der "Region der Lebensretter". Bereits seit 2018 wird dort das System, welches 2012 in Dänemark entwickelt wurde, genutzt. Dort sind mittlerweile über 1400 Ersthelfer registriert, die im Jahr zu 3000 Einsätzen alarmiert werden. Alleine diese Zahl macht deutlich, wie oft Ersthelfer benötigt werden, um die überlebenswichtige Zeit bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes zu überbrücken.

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