Alaa (Ali) Hamo wurde 1997 in Kobanê im Norden Syriens geboren. Sein Vater führte ein kleines Elektrogeschäft, wo er während seiner Schulzeit als Elektriker half. 2012/2013 stand er nach eigenen Aussagen kurz vor dem Abitur. "Mein Vater wollte damals unbedingt, dass ich einmal Medizin studiere", erzählt der junge Kurde. Es kam anders. Jetzt studiert er in Furtwangen.
Furtwangen - 2014 überzog der so genannte "Islamische Staat" die Provinz und die Stadt mit mörderischen Angriffen, ein großer Teil der Bevölkerung wurde damals in die Türkei evakuiert. Dort habe er, um Geld zu verdienen, auf dem Bau gearbeitet, unter widrigsten Bedingungen, "sechs Tage in der Woche und bis zu 15 Stunden am Tag", erzählt Alaa Hamo. 2015 floh er über Izmir, Griechenland, Mazedonien und Österreich in die Europäische Union. "Eigentlich wollte ich nur in den Westen, Deutschland hatte ich nie explizit im Sinn", betonte er im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten. Dennoch stand er am 25. August 2015 plötzlich am Hauptbahnhof München.
Auch in Deutschland Anhänger des IS gesehen
Über Ellwangen, Karlsruhe und Neustadt kam er dann ins Aufnahmelager Donaueschingen, wo er sich mit vier weiteren Flüchtlingen ein Zimmer teilte. "Ich habe in Deutschland auch Anhänger des IS gesehen, die mich bedroht haben – ich konnte aber kein Wort Deutsch, um jemanden auf die Männer aufmerksam zu machen", gibt er unumwunden zu. 40 Tage lang habe er nur ein einziges T-Shirt getragen.
Am 1. November habe er seinen ersten Schultag gehabt, an der Robert-Gerwig-Schule, wo es die erste Vabo-Klasse (Vorqualifizierungsjahr Arbeit/Beruf mit Schwerpunkt Erwerb von Deutschkenntnissen) gab. "Ich habe rasend schnell Deutsch gelernt – dabei habe ich meiner Lehrerin Ranka Pretzer-Korac sehr viel zu verdanken", sagt Alaa Hamo. Schnell habe er sich auch in Mathematik und Kunst ausgekannt und schon nach drei Monaten als Übersetzer ausgeholfen. In sieben Monaten hatte er die Sprache weitgehend verinnerlicht. Um noch besser sprechen zu lernen, habe er in Donaueschingen in einem Mehrgenerationenhaus ehrenamtlich mitgearbeitet, wo er auch seine "Ersatz-Mama" kennengelernt habe, mit der er auch jetzt noch einen sehr liebevollen Kontakt pflege.
Abitur im Frühjahr 2020 gemacht
Papiere habe er bei seiner Flucht nicht mitnehmen können, dafür seine Schulzeugnisse. "Ich habe die übersetzen lassen, ich war ein guter Schüler", erklärte er. Im Berufsbildenden Schuljahr BFW 1 erwarb er auch in Deutschland die Mittlere Reife, Durchschnitt 1,4. Danach besuchte er die Klasse "Gestaltungs- und Medientechnik" (GMT) an der Robert-Gerwig-Schule, wo er im Frühjahr 2020 sein Abitur mit der Note 2,1 bestand.
Sein Deutsch ließe niemals vermuten, dass Alaa Hamo erst seit fünfeinhalb Jahren hier ist. "Alaa besteht darauf, dass ich ihn sofort korrigiere, wenn er etwas falsch ausspricht", räumt seine Freundin Alexandra Kern ein.
Nebenbei lernte Hamo bei Stephan Weisser an der Jugendmusikschule St. Georgen-Furtwangen das Gitarrenspiel, gab an verschiedenen Orten kleine Konzerte und erzählte über Syrien und seine Flucht. Während der Schulzeit nahm Hamo unter anderem an der "Schüler-Ingenieur-Akademie" teil, die auch von der Furtwanger Firma S. Siedle & Söhne gesponsert wird. Die wurde dadurch auf den jungen Syrer aufmerksam und bot ihm ein so genanntes "Studium Plus, Fachrichtung Informatik" an, das neben dem Abschluss als Bachelor auch einen beruflichen Abschluss bietet.
Der Religion den Rücken gekehrt
Alexandra Kern, die ein Duales Studium "Sozialwirtschaft" absolviert, suchte nach Möglichkeiten, ihren Freund finanziell zu fördern – und fand dazu ein passendes Stipendium: Unter über 1700 Bewerbern wurde er ausgewählt für ein Stipendium der "Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit". Diese der FDP nahestehende Stiftung ist eine der größten Begabtenförderungswerke in ganz Deutschland. Durch das Stipendium wird Alaa Hamo nun nicht nur finanziell, sondern auch ideell gefördert.
In seiner Freizeit setzt sich Alaa Hamo noch immer intensiv für die Integration ein, seiner einstigen Religion aber hat er den Rücken gekehrt – zu groß waren für ihn die Diskrepanzen zwischen dem geschriebenen Wort und den reellen Erlebnissen. Auch das Frauenbild machte ihm sehr zu schaffen, wie er sagt.
In der herrschenden Pandemie habe er gemeinsam mit seiner Freundin sehr viel Zeit gehabt für gemeinsame Gespräche und gemeinsamen Sport, das habe ihn geprägt, schildert Hamo.
Hoffnung auf unbefristete Aufenthaltserlaubnis
Irgendwann will er sich selbstständig machen im Software-Bereich. "Alles ist möglich, wenn man es wirklich will – und träumen darf man", schmunzelt er. Denn die Realität sei oft hart genug.
Auch Alexandra Kern hat noch Wünsche für ihren Freund: "Ich hoffe, dass er bald seine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erhält – und ich wünsche ihm, dass er irgendwann seine Familie wiedersehen kann."