Eine Spezialeinheit tötete den Topterroristen. Obama: "Der Gerechtigkeit ist Genüge getan."
Washington/Islamabad - Der meistgesuchte Terrorist der Welt ist tot. US-Elitesoldaten erschossen Al-Kaida-Chef Osama bin Laden bei einer gezielten Kommandoaktion in Pakistan - knapp zehn Jahre nach den Anschlägen vom 11. September 2001. Noch während US-Präsident Barack Obama den Tod Bin Ladens verkündete, feierten jubelnde Massen vor allem in Washington und New York. Gleichzeitig wächst die Angst vor Vergeltungsschlägen. Rund um den Globus warnten Regierungen, der Kampf gegen den Terrorismus sei nicht beendet.
Nach Angaben Obamas tötete eine Spezialeinheit Bin Laden bei einem Schusswechsel. Nach Informationen des US-Nachrichtensenders CNN starb der 54-Jährige durch einen Kopfschuss. Es habe sich um eine „Kill Mission“ gehandelt - eine gezielte Liquidation, berichtete der Sender unter Berufung auf offizielle Quellen. Eine Festnahme sei nicht das Ziel gewesen. Bin Ladens Leiche sei umgehend im Meer bestattet worden.
Blutlachen auf dem Fußboden
US-Fernsehsender strahlten Videoaufnahmen vom Anwesen Bin Ladens aus: Die Bilder zeigten zerwühlte Betten und Chaos in einem Zimmer. Auf dem Fußboden vor zwei der Betten waren Blutlachen zu sehen.
Zuvor hatte die US-Einheit in einer 40-minütigen Blitzaktion den stark gesicherten Gebäudekomplex in Abbottabad rund 60 Kilometer Luftlinie nördlich der pakistanischen Hauptstadt Islamabad gestürmt. Bin Laden setzte sich zur Wehr. Bei dem Feuergefecht wurden auch drei weitere Männer und eine Frau getötet. Unter den Toten sind nach Vermutungen der US-Stellen Bin Ladens erwachsener Sohn und zwei Kuriere, die eine wichtige Spur zu dem Terror-Chef waren. Keiner der Amerikaner kam zu Schaden.
Seite 2: Obama: "Der Gerechtigkeit ist Genüge getan"
„Der Gerechtigkeit ist Genüge getan“, sagte Obama in der Nacht zum Montag in seiner Fernsehansprache. Er betonte: „Bin Laden war kein muslimischer Führer, er war ein Massenmörder von Muslimen.“Die Vereinigten Staaten befürchten Vergeltungsaktionen. Die diplomatischen Vertretungen der USA wurden in höchste Alarmbereitschaft versetzt. Die US-Regierung appellierte dringend an ihre Bürger in besonders brisanten Regionen, Massenversammlungen oder Demonstrationen zu meiden. Die Kontrollen an den New Yorker Flughäfen wurden erheblich verstärkt. Der radikalislamische Prediger Abu Bakar Bashir kündigte in Indonesien eine harte Bestrafung der USA an.
Bin Laden gilt als der Kopf hinter den schlimmsten Terroranschlägen der vergangenen Jahre, unter anderem am 11. September 2001. Fast 3000 Menschen waren damals getötet worden, als seine Gefolgsleute Flugzeuge in die Türme des World-Trade-Centers in New York gesteuert hatten.
Umgang mit Bin Ladens Leiche "im Einklang mit islamischen Praktiken"
Ein amerikanischer Beamter hatte vor Journalisten erklärt, es werde sichergestellt, dass der Umgang mit der Leiche Bin Ladens „im Einklang mit islamischen Praktiken und islamischer Tradition“ stehe. Das sei „etwas, dass wir sehr ernst nehmen, und deshalb wird das in einer angemessenen Weise gehandhabt“.
Nach Einschätzung von Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich die Sicherheitslage in Deutschland nicht verändert. Es sei weiterhin nötig, wachsam zu sein, sagte die CDU-Politikerin. Die Gefahr durch den internationalen Terrorismus sei noch lange nicht gebannt. Die Tötung Bin Ladens sei ein großer Erfolg. „Nun ist klar, dass der Kopf des Terrors keine weiteren Anschläge mehr in Auftrag geben kann.“
Obama erhielt nach eigenen Angaben im August 2010 erste Hinweise auf den Unterschlupf Bin Ladens. In der vergangenen Woche habe er ausreichend Informationen gehabt und sich entschlossen zu handeln. Der Präsident bekräftigte, dass sich die Amerikaner nicht im Krieg mit dem Islam befänden.
Wie aus pakistanischen Sicherheitskreisen verlautete, begann die Operation kurz nach Mitternacht Ortszeit (deutsche Zeit kurz nach 21.00 Uhr am Sonntagabend) und dauerte insgesamt vier Stunden. Bin Laden sei zwischen 1.30 und 2 Uhr Ortszeit am frühen Montag getötet worden.
Seite 3: Jubel vor dem Weißen Haus
Noch mitten in der Nacht versammelten sich vor dem Zaun des Weißen Hauses in Washington mehrere Tausend Menschen. Sie jubelten: „Wir haben ihn, wir haben ihn“ oder „Am Ende gibt es doch Gerechtigkeit“. Nach Einschätzung amerikanischer Medien bedeutet die Aktion Rückenwind für Obama bei der Präsidentschaftswahl im Herbst 2012.Die Nachricht vom Tod Bin Ladens bewegte kurzfristig auch die Märkte. An den wichtigen Börsen rund um den Globus legten die Aktienkurse am frühen Morgen zu. Dagegen gab der Ölpreis deutlich nach - und der Euro bekam auf seiner Rekordjagd einen Dämpfer. Händler und Analysten mahnten, den Bin-Laden-Effekt nicht überzubewerten. „Kurzfristig hat das sicher einige Auswirkungen, vor allem in den USA. Aber insgesamt ist das für den Markt kein so bedeutendes Ereignis“, sagte Fidel Helmer, Kapitalmarktexperte der Frankfurter Privatbank Hauck & Aufhäuser.
Auch viele Muslime sind erleichtert über den Tod des Al-Kaida-Anführers. „Fahr' zur Hölle“ und „Die Menschheit wurde von einem der schlimmsten Mörder befreit“, lauteten Kommentare auf der Website der von Schiiten betriebenen irakischen Nachrichtenagentur „burathanews“. Das Terrornetzwerk Al-Kaida wurde von sunnitischen Extremisten gegründet. Diese sahen im schiitischen Islam eine Abkehr vom rechten Glauben.