In Heumaden beginnt es: Unter den wohlwollenden Blicken der SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Florian Daumüller vom Bürgerrat unterschreiben die ersten Schüler den offenen Brief. Foto: Menzler

Schüler wollen mitentscheiden, wie und was sie lernen. Dafür unterschreiben sie einen offenen Brief, der an alle gerichtet ist, die in Sachen Bildung in Deutschland etwas zu sagen haben. Die Aktion startete in dieser Woche in drei Schulen: in Berlin, in Bonn – und Heumaden.

Calw-Heumaden - "Ich bin fast 18 und hab keine Ahnung von Steuern, Miete oder Versicherungen. Aber ich kann ’ne Gedichtsanalyse schreiben. In vier Sprachen." Das schreibt die damalige Userin und Schülerin Naina im Januar 2015 auf Twitter. Der Tweet geht durch die Decke. Etliche Medien greifen das Thema auf.

 

Und auch heute ist das deutsche Schulsystem noch im Gespräch. Wie kann es verbessert werden? Wie können sich Schüler wohler fühlen? Wie können sie besser auf das eigenständige Leben vorbereitet werden?

Saskia Esken begleitet Aktion

Fragen, die die Schüler jeden Tag beschäftigen. Aber nicht nur; Eltern, Lehrkräfte oder Politiker sorgen sich um dieselben Themen. Doch es wird auch nach Antworten gesucht. Vor allem beschäftigt sich damit der Bürgerrat Bildung und Lernen. Dieser wurde Ende 2020 von der gemeinnützigen Stiftung Denkwerkstatt aus Bonn ins Leben gerufen. Darin sind rund 700 zufällig ausgewählte Bürger aus allen möglichen Altersklassen, sozialen Schichten und Lebenssituationen.

Im Bürgerrat werden Themen diskutiert, um die Situation der Schüler zu verbessern. Und es werden Probleme erkannt und angegangen, die das deutsche Schulsystem womöglich hindern, besser zu werden. Und das muss es. Dessen ist sich auch die SPD-Vorsitzende Saskia Esken (Calw) bewusst. Sie begleitet den Start der Aktion "#besserlernen" des Bürgerrats Bildung und Lernen in der Heumadenschule. Die Aktion startete in drei Schulen: in Berlin, in Bonn und in Calw.

Schüler wollen mitentscheiden

Dabei geht es um einen offenen Brief, in dem acht Kernforderungen aufgelistet sind, wie das Schulsystem besser werden kann. Das besondere hierbei: Er ist unter anderem von Schülern geschrieben. Es geht um Mitspracherecht, wie und was gelehrt wird. Und es geht darum, Probleme nicht nur in Schulen, sondern auch in Kommunen, auf Landesebene und im Bund ins Gespräch zu bringen.

Deswegen soll der offene Brief bis Ende 2023 von so vielen Schülern wie möglich unterschrieben werden und geht an "alle, die darüber bestimmen, wie Bildung und Schule in Deutschland aussehen: die Politik, die Verwaltungen, die Schulleitungen...", heißt es in dem Brief. Das Ziel: Schule nachhaltig für die Schüler zu verändern. Gegenseitig voneinander lernen und auch Schülern zuzuhören, was benötigt wird.

In der Heumadenschule wurde dies beim Start der bundesweiten Aktion direkt umgesetzt. Schüler der neunten und zehnten Klasse versammelten sich, um mit der SPD-Vorsitzenden Esken, Carina Kober, persönliche Referentin von Oberbürgermeister Florian Kling, ihrem Schulleiter Tobias Rathgeber, Sabine Milowan von der Montag Stiftung Denkwerkstatt und Florian Daumüller als Vertreter des Bürgerrats die Aktion zu starten. Und um über bestehende Probleme und Verbesserungsvorschläge zu sprechen.

Probleme müssen im Gespräch bleiben

"Es ist erschreckend, dass in ganz Deutschland dieselben Probleme im Gespräch sind", merkt Daumüller im Anschluss der Veranstaltung an. Denn es ging um Themen wie im offenen Brief bereits aufgeführt: schnellere Digitalisierung, bessere Berufsorientierung, Chancengleichheit. Da sind sich die fünf Gesprächspartner der Schüler alle einig.

Aber auch Klassenzimmergröße, Schulfächer für das spätere Leben (Nähen, Waschen, Eigenständigkeit, Bewerbungen oder Steuererklärung), Schul-Apps mit Echtzeit-Informationen, der ÖPNV, spätere Anfangszeiten, keine Benotung mehr oder eine bessere Lehrerausbildung waren den Heumadener Schülern wichtig. Ein Mädchen sprach mehr Schutz für die Kinder an – gerade mit Bezug auf das schreckliche Ereignis nahe Ulm, bei dem eine 14-Jährige ums Leben kam.

Diese Themen sind aber nicht nur in Heumaden und nicht nur an einer Werkrealschule wichtig. Wie Esken, Daumüller und Kober erklären, sind diese Probleme bekannt und stehen stets im Mittelpunkt, wenn es um Bildung geht. Aber eine Umsetzung verlangt nach mehr als nur die Probleme zu kennen. Dennoch sei es wichtig, diese ins Gespräch zu bringen und zu halten, betont Milowan. Daumüller gab den Schülern den Rat: "Mischt euch ein, gebt eure Gedanken weiter. Es gibt immer Mittel und Wege zu eurem Wunschziel zu kommen, man muss diese nur erfragen und gehen." Und auch Esken wandte sich zum Schluss nochmals konkret an die Schüler: "Ihr habt eine gute Zukunft vor euch, wenn ihr sie in die Hand nehmt."

Kernaussagen des Offenen Briefs

 Zuhören: Seit Pandemiebeginn haben Schüler verzichtet, getan was ihnen gesagt wurde. Nun ist es Zeit, dass ihnen zugehört wird.

 Einsehen: In Sachen Bildung und Schule sieht es momentan nicht besonders toll aus.

Chancengleichheit: Bildung für jeden, egal wer und wie Schüler sind, woher sie kommen, wie sie aussehen, an was sie glauben oder wie viel Geld sie haben.

Wohlfühlorte: Schulen sollen schön sein, also saubere Räume und Toiletten, moderne technische Ausstattung sowie ansprechende Schulhöfe.

Genügend Lehrkräfte: Um richtig zu lernen, braucht es genügend Lehrer, die gut ausgebildet sind.

Mitbestimmung: Schüler haben ein Recht auf Mitbestimmung, wenn es um ihre Belange geht.

Mitentscheiden: Schüler wollen Dinge lernen, die mit ihrem Leben zu tun haben und die in Zukunft wirklich gebraucht werden.

Respekt: Wie auch die Erwachsenen dies fordern, wollen auch Schüler respektiert werden.