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Kämmerer: Thomas Kienzle verabschiedet

Kämmerer Thomas Kienzle nach 40 Jahren bei der Gemeindeverwaltung verabschiedet

Egal, wie man ein bekanntes Lied des Schlagersängers Udo Jürgens interpretiert: Für den in Pension gehenden Kämmerer Thomas Kienzle beginnt "mit 66 Jahren" auf jeden Fall ein neuer Lebensabschnitt.

Aichhalden. Ein Hauch von Wehmut wehte in der Sitzung des Aichhalder Gemeinderats, in der "Zahlenakrobat" Thomas Kienzle von Bürgermeister Michael Lehrer in den Ruhestand verabschiedet wurde. Hierzu waren mehrere frühere Gemeinderäte und Weggefährten sowie die "Alt"-Bürgermeister Reinhold Kühner und Ekhard Sekinger in den Mehrzweckraum der Josef-Merz-Halle gekommen.

Es gehe, so Lehrer, eine knapp 40-jährige Ära Kienzle zu Ende. Thomas Kienzle habe am 1. Oktober 1981 im Rathaus Aichhalden als Hauptamtsleiter begonnen. Nachdem jedoch sechs Monate später der damalige Kämmerer Aichhalden verlassen habe, habe ihm der damalige Bürgermeister Kühner ihm diese Stelle angeboten.

"Rückblickend war das eine hervorragende Entscheidung", lobte Lehrer. Durch eine im Dezember 1998 erfolgte Umstrukturierung der Verwaltung sei Kienzle Leiter der Haupt- und Finanzverwaltung geworden, verbunden mit weiteren verantwortungsvollen Aufgaben. Bis 2010 sei er auch Standesbeamter gewesen.

"Für mich war Thomas ein Steuermann auf dem Schiff, der auch in stürmischer See stets Kurs hielt. Auch dann, wenn der Kapitän die Nerven zu verlieren drohte", urteilte Lehrer über Kienzles Fähigkeiten. Er habe ihn als Ausbilder, Gemeinderat, Amtskollege und Kämmerer kennengelernt. In allen vier Rollen habe er sich nicht verbiegen lassen, überzeugend in den Ansichten und stets ein ruhender Pol. Kienzle habe es "mit drei Bürgermeistern ausgehalten", jeden auf seine Art anders. Sein Missfallen zu einem Thema habe das Abstimmungsverhalten im Ratsgremium beeinflusst. "Das ist die Macht des Kämmerers", deutete der Schultes als gutes Zeichen.

Auch in der Bevölkerung sei Kienzle hoch angesehen. Trotz unvermeidlichem Konfliktpotenzial, wenn es um Geld oder Fehlverhalten gegangen sei, habe man den Kämmerer als äußerst korrekt und vertrauenswürdig wahrgenommen. In den zurückliegenden 40 Jahren sei Kienzle an unzähligen Projekten beteiligt gewesen, die er erlebt und mitbegleitet habe. "Dieses Wissen und diese Erfahrung steht uns ab jetzt nicht mehr zur Verfügung. Er wird mir und den Kollegen als Ansprechpartner und Ratgeber fehlen. Sein Einsatz ging oft über das hinaus, was man erwarten konnte", dankte Lehrer ihm für die geleistete Arbeit.

Wohl wissend, dass bei dem jetzigen Pensionär Reparaturarbeiten an Haus und Garten anstehen, erhielt Kienzle als Erinnerung an die Zeit eine Aichhalder Ruhebank geschenkt. Bürgermeister-Stellvertreter Stefan Wiedmann umschrieb die Verabschiedung Kienzles mit "Das war’s" oder "Es gibt auch noch ein Leben danach". Diese Worte würden Kienzle erst in ein paar Wochen klar werden. Aus eigener Erfahrung wisse er, so Wiedmann, dass man sich ab jetzt jeden Tag freuen und den neuen Zeitabschnitt genießen könne. Kienzle stehe als Garant für ein blühendes Aichhalden in den vergangenen vier Jahrzehnten. Er hinterlasse riesige Spuren und sei quasi auch noch mit dem Rathaus verheiratet gewesen. "Von seinem Wohnort zu seiner Arbeitsstätte ist Thomas rund 16 Mal um die Erde oder 1,5 Mal zum Mond gefahren. Er kennt auf dieser Strecke und in Aichhalden jeden Baum und jede Hecke", rechnete Wiedmann aus.

Kienzle habe mit beiden Füßen auf dem Boden gestanden, die er jetzt baumeln lassen könne. Statt mit dem Mercedes werde er jetzt mit dem E-Bike zu neuen Zielen aufbrechen. "Feierabend um 16 Uhr gibt es nicht mehr und Pensionäre haben keinen Anspruch auf Ferien", witzelte Wiedmann.

Kienzle gab zu, einen so großen Bahnhof nicht erwartet zu haben. Tatsächlich fange das Leben wohl mit 66 Jahren an. Endlich habe er nun Zeit und Muse für anderes, was aufgeschoben worden sei. Besonders freue er sich auf den ausbleibenden beruflichen Arbeitsdruck. Er könne sich noch gut an das Vorstellungsgespräch am 7. September 1981 erinnern. Seine Berufung sei von Anfang an der Job des Kämmerers gewesen. Dieser habe ein sehr weites und abwechslungsreiches Arbeitsfeld.

"Von den 40 Jahren hier war 2009 das schwierigste Jahr. Statt vier bis sechs Millionen Euro Gewerbesteuereinnahmen mussten wir rund 750 000 Euro (Minus) zurückerstatten. Und das inmitten von angefangenen Großprojekten", beschrieb Kienzle die damalige Finanzkrise und fügte hinzu: "Als Kämmerer brauchst du ein breites Kreuz und dickes Fell. Meinem Nachfolger kann ich ein bestelltes Feld hinterlassen und wünsche ihm viel Erfolg", sagte der scheidende Kämmerer.