Soldaten des Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr bei einer Übung in der Graf-Zeppelin-Kaserne in Calw. Foto: AP

Der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan wird heikler. Ein Interview mit KSK-General Ammon.

Calw - Der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan wird immer heikler. General Ammon, Chef des Kommandos Spezialkräfte (KSK) aus Calw, fordert mehr Rückendeckung der deutschen Politik.

Herr General Ammon, die Welt schaut auf die Afghanistan-Konferenz. Wie geht es Ihnen? Ich bin auch gespannt, wie es weitergeht.

Warum? Unser Einsatz fernab der Heimat hat eine andere Bedeutung, als er es zu Beginn hatte. Fast jeder Einsatz führt inzwischen zu Feuergefechten mit Aufständischen.

Wie gehen Sie damit um? Unsere Soldaten sind einem zunehmenden Risiko ausgesetzt. Sie setzen ihr Leben aufs Spiel und müssen ihr gesamtes Können unter Beweis stellen. Bisher sind alle immer unversehrt aus dem Einsatz zurückgekommen. Das ist keine Selbstverständlichkeit mehr. Denn die Stimmung in einigen Teilen in Afghanistan ist zunehmend aggressiv. Die gezielte Vorbereitung unserer Leute steht deshalb im Zentrum unserer Ausbildung.

Wie schädlich ist vor diesem Hintergrund die grundsätzliche Debatte über den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan seit der Attacke auf die Tanklastzüge im September 2009? Natürlich ist es richtig, diese Aktion aufzuarbeiten. Aber die politische Streitkultur der vergangenen Wochen hat mich erschüttert. Denn die Debatte wurde immer kenntnisfreier und unsachlicher. Der Wehrbeauftragte hat sie nicht umsonst als bizarr bezeichnet und die Abgeordneten an ihre Verantwortung für die Soldaten im Einsatz erinnert. Dem ist nichts hinzuzufügen.

"Viel Vertrauen zerstört"

Wie sehr wird mit der Diskussion die Arbeit der Soldaten vor Ort erschwert? Alle, die sich an dieser Diskussion hier in Deutschland beteiligen, sollten sich daran erinnern, dass unsere Soldaten im Auftrag des deutschen Volkes in Afghanistan im Einsatz sind. Der Inhalt und die Form der politischen Diskussion haben bei den Soldaten jedenfalls sehr viel Vertrauen zerstört.

Wie ist das zu reparieren? Es steht mir nicht zu, die Politik zu kritisieren. Aber als Staatsbürger in Uniform habe ich eine Meinung. Der Einsatz der Bundeswehr wurde 2001 vom Bundestag mit überwältigender Mehrheit beschlossen. Dass es in den folgenden Jahren immer wieder eine politische Neubewertung der Lage gab, ist unstrittig und auch notwendig. Ob dies zuletzt in ausreichendem Maß und mit dem notwendigen Willen zur Analyse der Fortentwicklung der Lage geschehen ist, muss aus meiner Sicht kritisch hinterfragt werden. Ich erwarte eine klare Entscheidung der Bundesregierung, in welche Richtung es in Afghanistan gehen soll, in welche Richtung wir künftig marschieren sollen.

Und das reicht, um das Vertrauen bei den Soldaten wiederherzustellen? Nicht allein. Wichtig ist für unsere Soldaten jetzt die Klarheit der Aussage, also die Rückendeckung der deutschen Politik. Die Verunsicherung unter den Soldaten ist vor allem deshalb eingetreten, weil sie sich zunehmend fragen, unter welchem Rechtsstatus sie vor Ort im Einsatz sind. Die entscheidende Frage, die auch in der Öffentlichkeit diskutiert wird, ist, ob die Soldaten unter dem Rechtsstatus eines "nicht internationalen Konfliktes", das heißt also, nach den Regeln des Völkerstrafgesetzes, im Einsatz sind.

Sie sehen es also nach wie vor nicht als Krieg? Dass der Verteidigungsminister den Begriff "kriegsähnliche Zustände" verwendet hat, ist bekannt. Die völkerrechtliche Definition von Krieg besagt aber, dass zwei Nationen gegeneinander kämpfen. Das tun wir nicht. Wir sind im Gefecht gegen Aufständische.

"Viel Vertrauen zerstört"

Die Kanzlerin hat angekündigt, dass Deutschland sich bis zum Jahr 2014 aus Afghanistan zurückziehen will. Andere fordern eine frühere Rückkehr. Was meinen Sie? Ein übereilter Abzug der Bundeswehr wäre aus meiner Sicht verantwortungslos. Dann wäre vieles von dem, was wir aufgebaut haben, wertlos. Wir müssen jetzt noch dort bleiben, um der afghanischen Regierung und der Bevölkerung beim Aufbau hinreichender Sicherheitsstrukturen zu helfen.

Wie viele Soldaten haben Sie derzeit vor Ort im Einsatz? Diese Zahlen geben wir grundsätzlich nicht bekannt. Ich kann nur sagen, dass das gesamte KSK in Calw rund 1200 Soldaten hat.

Aber die Belastung wird immer größer. Früher gab es die Regel, dass zwischen zwei Einsätzen mindestens zwölf Monate liegen müssen. Das können wir angesichts der Aufgabe in Afghanistan nicht mehr in allen Bereichen einhalten. Die Gewinnung von Nachwuchs ist deshalb für uns von existenzieller Bedeutung.