Innenminister Thomas Strobl (CDU) zahlt eine Geldauflage, damit Ermittlungen gegen ihn eingestellt werden. Für Grüne und CDU scheint das kein Problem zu sein. Die Opposition tobt.
Öffentlich hat Ministerpräsident Winfried Kretschmann sich schon länger hinter seinen Innenminister gestellt. Jetzt scheint die Sache für ihn erledigt. „Der Innenminister hat mich informiert, dass die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen einen Geldbetrag einstellen wird und er das akzeptiert“, teilte er am Freitag mit. „Die Sache ist für mich geklärt und wir werden in der Koalition weiter gut und vertrauensvoll mit Thomas Strobl zusammenarbeiten.“ Auch Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz betonte, man wolle die vertrauensvolle Zusammenarbeit fortsetzen. Deutlicher könnte die demonstrative Einigkeit der grün-schwarzen Koalition nicht sein. Innenminister Thomas Strobl gab sich am Freitag im Landtag im Vorfeld des Untersuchungsausschusses entspannt. Die Opposition reagierte entsetzt.
Am Donnerstagabend hatte Strobl zunächst CDU-Fraktion im Landtag darüber informiert, dass er ein Angebot der Staatsanwaltschaft zur Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen ihn annehmen wolle. 15 000 Euro Geldauflage soll Strobl zahlen. Vorbestraft ist der Innenminister damit nicht – und die Abgeordneten seiner Partei sehen deshalb auch keinen Grund für einen Rücktritt. Auch die Parteispitze stellte sich hinter Strobl: Noch in der Nacht tagte das Präsidium. Am Freitagmorgen teilt die Generalsekretärin Isabell Huber mit: „Wir stehen zu Thomas Strobl.“
Flucht nach vorne?
Es hat ein wenig den Anschein, als trete der 62-Jährige mit dem Vorgehen die Flucht nach vorne an, um das Ermittlungsverfahren zu beenden. Sein Ermittlungsverfahren steht im Zusammenhang mit einer Affäre um den ranghöchsten Polizisten im Land, die auch einen Untersuchungsausschuss im Landtag beschäftigt. Dem Inspekteur der Polizei wird sexuelle Belästigung vorgeworfen. Strobl hatte ein Schreiben des Anwalts des suspendierten Inspekteurs an einen Journalisten unserer Zeitung weitergegeben. Gegen den Journalisten ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Veröffentlichung von Dokumenten aus einem Disziplinarverfahren.
Der Vorwurf gegen Strobl lautet Anstiftung dazu. Auch dem Journalisten wurde die Einstellung gegen eine Geldzahlung angeboten. Der Redakteur lehnte jedoch ab. Er habe sich nichts zuschulden kommen lassen. Auch Strobl betonte in der Mitteilung am Abend, eine Straftat habe er nicht begangen. „Mit der Einstellung des Verfahrens gelte ich als unschuldig“, sagt er laut Mitteilung seines Ministeriums. Das sei auch die Rechtsauffassung vieler Juristen. Er räumt auch ein, er habe entgegen dem Rat seiner Anwälte gehandelt. Die hätten den Fall wohl lieber vor Gericht durchgefochten.
Dass Strobl das Angebot trotzdem annimmt, könnte auch damit zu tun haben, dass die Ermittlungen zunehmend zur politischen Belastung wurden. In der Mitteilung des Innenministeriums lässt Strobl am Abend mitteilen, er habe das Verfahren wegen der Herausgabe eines Anwaltsschreibens so schnell wie möglich beenden wollen.
Opposition hat Problem mit „Verfassungsminister“
In der Opposition sieht man das indessen anders: Andreas Stoch, Fraktionschef und Landesvorsitzender der SPD twittert in der Nacht: „Damit steht fest: Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass #Strobl Recht gebrochen hat, sich strafbar gemacht hat.“ Mit der Annahme räume er seine strafrechtliche Verantwortlichkeit ein, urteilt Stoch, der selbst Jurist ist und wirft die Frage auf, die die Opposition seit Monaten diskutiert: „Wie soll so jemand im Amt des Verfassungsministers bleiben, Herr #Kretschmann?“
Der Obmann der SPD im Untersuchungsausschuss, Sascha Binder, muss sich erst sammeln, bevor er gegen 10 Uhr ein Statement abgibt. Strobl habe sich „freigekauft“, lautet sein Urteil. „Einer, der von sich sagt, er wäre für Deals nicht zu haben, macht selbst einen Deal - zu eigenen Gunsten“, sagte er. Was ihn am meisten bestürze sei, dass der Ministerpräsident seinen politischen Kompass verloren habe. Der, so Binder, hätte Strobl schon vor zwei oder drei Monaten entlassen müssen.
Sie sei fast sprachlos, sagt die FDP-Obfrau im Untersuchungsausschuss Julia Goll am Morgen im Landtag. Es stimme zwar, dass bei einer Einstellung unter Auflagen die Unschuldsvermutung im juristischen Sinne gelte. „Das heißt aber nicht, dass jemand unschuldig ist.“ Es sei vielmehr unanständig, dass Strobl die aktuellen Krisen instrumentalisiere. FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke sprach von einem „Tiefpunkt in der politischen Kultur des Landes Baden-Württemberg“. „Wie kann eine solche Regierung von den Menschen im Land da noch rechtstreues Verhalten erwarten?“
CDU-Fraktionschef Manuel Hagel hatte am Abend den Rückhalt für Strobl auch damit begründet: „Wir sehen uns derzeit mehreren Krisen gleichzeitig ausgesetzt. In diesen turbulenten Zeiten gilt unsere ganze Anstrengung, unser Land verlässlich und stabil durch diese Krisen zu führen. Dem gilt unsere ganze Aufmerksamkeit“, sagte er im Anschluss an die knapp mehrstündige Sitzung.
Lange Diskussion in der Fraktion
Die 15 000 Euro, die auf Strobl zukommen, entsprechen etwa einem Monatsgehalt als Minister. Das ist deutlich mehr als in dem Fall, der gern als Vergleich herangezogen wird. Der heutige Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt (SPD) musste in einem ähnlichen Fall 5000 Euro zahlen. Er hatte noch als Staatssekretär im Finanzministerium von Olaf Scholz einen Durchsuchungsbeschluss auf Twitter veröffentlicht.
Bereits im Vorfeld der Fraktionssitzung hatte es geheißen, niemand habe ein Interesse, die grün-schwarze Koalition ins Wanken zu bringen. Der grün-schwarzen Koalition ist durchaus daran gelegen, da ss die aktuelle Konstellation noch etwas hält. Fraktionschef Manuel Hagel verwies im Anschluss der Sitzung auf die multiplen Krisen, mit denen die Landesregierung aktuell befasst sei. Strobl gilt als Vertrauter von Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Es war nicht zuletzt der Achse Strobl-Kretschmann zu verdanken, dass die grün-schwarze Koalition überhaupt zusammenfand. Für den 34 Jahre alten CDU-Fraktionschef Manuel Hagel stünde hingegen bei einem Rückzug Strobls die Frage im Raum, wer stattdessen Innenminister werden sollte und damit auch Vizeregierungschef.
Untersuchungsausschuss geht weiter
An diesem Freitag wird Strobl erneut vor dem Untersuchungsausschuss im Landtag zur Polizei-Affäre Rede und Antwort stehen. Darin geht es eigentlich um die Vorwürfe gegen den ranghöchsten Polizisten im Land und Beförderungen bei der Polizei. Ende September war Strobl über 15 Stunden bis weit nach Mitternacht von dem Gremium vernommen worden. Im Zusammenhang mit dem Brief hatte Strobl zuletzt sein Vorgehen immer wieder verteidigt. Er habe jeden Anschein eines „Hinterzimmer-Deals“ vermeiden wollen und deshalb das Schreiben weitergegeben.