Lahrer Stadträte – hier am vergangenen Montag bei der Abstimmung über die Kitagebühren – sehen das Vorpreschen Benjamin Röschs kritisch. Foto: Köhler

Die Aussage von Benjamin Rösch, er schließe eine Kandidatur als OB nicht aus, hat für Aufsehen gesorgt. Der Amtsinhaber und die Gemeinderatsfraktion beziehen Stellung.

In zwei Jahren wählt Lahr einen neuen Oberbürgermeister – und AfD-Stadtrat Benjamin Rösch hat sich für das Amt in Position gebracht, eine Kandidatur, über die in den vergangenen Wochen spekuliert wurde, nicht ausgeschlossen (wir berichteten). Seine Aussagen haben Wellen geschlagen – bei den Fraktionen im Gemeinderat überwiegend Wellen der Empörung.

 

Betont gelassen zeigte sich am Donnerstag derweil der potenziell Betroffene. Spätestens nach der Bundestagswahl im Frühjahr, die die AfD zur stärksten politischen Kraft in Lahr machte (31,35 Prozent), „habe ich damit gerechnet, dass ein Kandidat aus diesen Reihen auch Ambitionen für den OB-Posten hegen wird“, so Amtsinhaber Markus Ibert im Gespräch mit der LZ. Der frühe Zeitpunkt freilich sei „nicht abzusehen gewesen“.

Sein tägliches Handeln und speziell das Verhältnis zu Rösch werde sich dadurch nicht ändern: „Ich bin Oberbürgermeister aller Lahrerinnen und Lahrer und Leiter der Verwaltung, mit der wir zusammen mit dem Gemeinderat an den drängenden Themen der Stadt arbeiten“. Oder kurz ausgedrückt: „Ich bin nicht im Wahlkampf-Modus.“

Überrascht von Röschs Manöver ist keiner

Just aus diesem Grund könne Ibert die Frage, ob er – abgesehen von der AfD – die Rückendeckung der Stadträte spüre, nur bedingt beantworten: „Ich bin aktuell kein OB-Kandidat, das ist schlicht noch weit weg und deshalb kein Thema. Aber ich bin der Überzeugung, dass wir ein gutes Miteinander haben.“ Stand heute, verrät Ibert, will er sich 2027 für eine zweite Amtszeit bewerben. Bis dahin gelte es, „die Bürgerinnen und Bürger durch unser Tun und unsere Politik zu überzeugen“.

Eberhard Roth von den Kommunalen Freien Wählern hat das Vorpreschen des AfDlers nicht gewundert, wie er im Gespräch hervorhebt. Bei Rösch überrasche ihn nichts mehr, stellt der Fraktionsvorsitzende klar. Roth glaubt, dass sich Rösch wohl für vieles geeignet halte. Er sieht das Vorpreschen des AfD-Stadtrats kritisch: „Ich weiß nicht, was das soll“, stellt er klar. Bis zur nächsten OB-Wahl seien es noch zwei Jahre. Ein solches Agieren sei unnötig, es gelte schließlich wichtige Aufgaben zu lösen.

2019 hatten die Freien Wähler Ibert unterstützt. Roth betont nun, dass der OB eine gute Arbeit mache. Man werde die kommenden zwei Jahre weiter intensiv und gut zusammenarbeiten. Er persönlich gehe nicht davon aus, dass man in der Zukunft in eine anderer Richtung blicken müsse.

Ilona Rompel: Ibert leistet gute Arbeit

Ebensowenig wie Roth hat sich Ilona Rompel – mit Blick auf sein Verhalten und die „Ambitionen der AfD in Lahr“ – über Röschs Äußerungen gewundert. Die CDU-Fraktionschefin betont jedoch, dass sie „nicht über das Stöckchen der AfD“ springen werde. Zwei Jahre Wahlkampf hält sie für kontraproduktiv – sie erwartet auch nicht von Ibert, dass er nun selbst Klarheit über eine Kandidatur schaffe. Sollte er sich erneut bewerben, „hat die CDU ein Interesse, dass er Oberbürgermeister bleibt. Ich finde, er macht eine gute Arbeit“.

Dennoch ist herauszuhören, dass Rompel sich vor der Stärke der AfD in Lahr sorgt. Der Applaus, den die Partei im Gemeinderat erhalten hat, als sie am Montag gegen die Erhöhung der Kita-Gebühren gestimmt hat, habe sie schockiert. Damit diese „populistische Art“ – Rompel kritisiert, dass die AfD in allen Ausschüssen zuvor noch für höhere Kita-Gebühren gestimmt hat* – keine Früchte trägt, will sie nun umso mehr darauf setzen, „den Menschen zugewandte Politik“ zu machen. Wahlkampf sei dabei hinderlich. Zudem ruft sie den Gemeinderat auf, der AfD mehr Kontra zu geben. „Wir müssen die Redner der AfD besser stellen und eine härtere Gangart anschlagen. Die Zeiten, in denen man auf manche Äußerungen nichts erwidert, sind vorbei“, so Rompel auch selbstkritisch.

Die Fraktionschefin bezweifelt zudem, dass Rösch die Voraussetzungen mitbringt, das Amt des OBs auszuführen. Es gehöre „mehr dazu, als im Gemeinderat populistisch zu reden“. Solch ein Stöckchen, das die AfD nun hingeworfen habe, „verglüht auch manchmal sehr schnell“, meint Rompel.

Roland Hirsch: Wird demokratischen Schulterschluss geben

Roland Hirsch, Fraktionsvorsitzender der SPD, hat sich über Röschs Vorpreschen „eigentlich nicht gewundert“. Es sei anzunehmen gewesen, dass es innerhalb der AfD nach den jüngsten Wahlerfolgen zumindest Überlegungen in diese Richtung geben würde. Ein bisschen überrascht habe ihn, wie früh sich Rösch ins Spiel gebracht habe. Gleichwohl bestürze ihn schon alleine die Tatsache, dass sich die Partei in diesem Fall Chancen ausrechne. Dennoch glaubt der Sozialdemokrat nicht, dass ein AfD-Kandidat in rund zwei Jahren wirklich am OB-Tisch Platz nehmen wird. Bei der Bundestagswahl hätten rund 70 Prozent der Wähler demokratisch abgestimmt, bei der Gemeinderatswahl 80. Hirsch ist sich sicher, dass es auch bei der OB-Wahl einen demokratischen Schulterschluss geben werde.

Macht sich die SPD Gedanken über einen eigenen Kandidat? Das Thema schwele in der Fraktion immer, so Hirsch, das sei normal. Einen bestimmten Kandidaten gibt es aber noch nicht. Man werde sich beizeiten dazu konkretere Gedanken machen.

Sven Täubert: „Wäre eine Katastrophe für Lahr“

Scharfe Worte wählt Sven Täubert: „Wir werden alles dafür tun, einen Oberbürgermeister der AfD zu verhindern. Das wäre eine Katastrophe für Lahr“, so der Fraktionsvorsitzende der Grünen. Wie seine Fraktion das tun möchte, ob sie Ibert unterstützen wollen oder, wie vor sechs Jahren mit Christiane Buchheit, selbst einen Kandidaten ins Rennen schicken, das vermag Täubert noch nicht zu sagen. „Zumal der OB sich selbst bisher noch nicht offiziell geäußert hat, ob er wieder antreten wird.“ Auch wenn die Wahl noch mehr als zwei Jahre entfernt ist, wäre es „gut, wenn wir darüber in einem überschaubaren Zeitrahmen Klarheit hätten“, schickt Täubert in Richtung Ibert.

Jörg Uffelmann, Fraktionsvorsitzender der FDP, hält es noch für zu früh, um sich darüber Gedanken zu machen, wie seine Fraktion mit einer Kandidatur Röschs oder eines anderen AfD-Vertreters umgeht. „Es sind noch viele ungelegte Eier.“ Zudem, erklärt der dienstälteste Lahrer Stadtrat, „geht meiner langjährigen Erfahrung nach der Schuss gerne einmal nach hinten los, wenn man sich zu früh in Stellung bringt“. Uffelmann stellt jedoch klar: „Wir sind Demokraten. Und jeden Bewerber muss man zur Kenntnis nehmen.“

AfD-Oberbürgermeister

Erstmals hat ein Kandidat der AfD Ende 2023 eine Oberbürgermeisterwahl in Deutschland für sich entschieden: Tim Lochner setzte sich im sächsischen Pirna durch. Der parteilose, aber mit Unterstützung der AfD angetretene Kandidat erhielt im zweiten Wahlgang 38,54 Prozent der Stimmen – und lag damit vor den Bewerbern von Freien Wähler CDU.

 

* Hinweis: Benjamin Rösch hat gegenüber unserer Redaktion der Aussage Ilona Rompels widersprochen, wonach die AfD vor der Entscheidung des Gemeinderats in all dessen Ausschüssen für die Erhöhung der Kita-Gebühren gestimmt habe. Vielmehr sei das Abstimmungsverahlten "uneinheitlich" gewesen. Er selbst, schreibt Rösch, habe im Haupt- und Personalausschuss angekündigt, "dass wir uns als Fraktion erst vor der Gemeinderatssitzung eine abschließende Meinung bilden werden".