Burcin Abdullah in der Rolle der Entwicklungshelferin Zehra in dem Film „Selam“. Foto: AF Media

Einer der führenden Kinoverleiher türkischer Filme in Europa sitzt in Stuttgart.  Die Firma Kinostar hat sich seit 2007 auf Produktionen vom Bosporus spezialisiert.

Zeynep strahlt. Es ist schon spät an diesem Donnerstagabend. Die junge Frau kommt gerade aus Kinosaal 2 des Kinos Ufa-Palast in Stuttgart. Mit ihren Freundinnen hat sie einen Film gesehen, der ihr unter die Haut gegangen ist. „Da kommt eine tiefe Sehnsucht in mir auf“, sagt Zeynep. Sehnsucht nach was? Die junge Frau mit dem akkurat gebundenen Kopftuch antwortet zunächst nicht. Dann sagt sie: „Es ist ein Gefühl, das ich auf Deutsch nicht in Worte fassen kann.“ Besser geht es auf Türkisch. Der Film, den Zeynep gerade gesehen hat, war ein Kassenschlager aus der Türkei. Der Titel „Selam“ (Guten Tag, im Verleih der AF Media). Die Botschaft des Films ist denkbar einfach: Frieden.

Die drei Hauptfiguren Harun, Zehra und Adem sind Lehrer, die als Entwicklungshelfer für eine islamische Hilfsorganisation in alle Welt ausschwärmen. Der Mittzwanziger Harun geht nach Dakar, seine Jugendliebe Zehra nach Kabul und der verheiratete Adem, dessen Frau ein Baby erwartet, nach Sarajewo. Sie unterrichten einheimische Kinder in türkischer Sprache und stiften nebenher dank ihres demütig muslimischen Auftretens Frieden. Adem stirbt, als er zwei seiner Schüler vor dem Ertrinken rettet. Seine Witwe trägt es mit Fassung, schließlich ist der Vater ihres Kindes für einen guten Zweck gestorben.

Nicht gerade realistisch, doch Zeynep ist begeistert. „Selam bedeutet wörtlich Frieden. Wenn man das nicht nur so sagt, sondern lebt, kann man viel bewirken“, sagt die 24-Jährige. Der Film spiegelt ein Gesellschaftsideal, dem viele junge türkischstämmige Menschen nacheifern: Bildung und islamische Tugenden als Schlüssel zu einer besseren Welt.

„Manchmal sind die türkischen Filme sogar auf Platz eins unserer Wochencharts“

An diesem Abend sind etwa 50 Zuschauer im Kino 2 des Ufa-Palasts. Vor allem junge Männer und Frauen. Zeynep sitzt mit sechs anderen jungen Frauen in der vorletzten Reihe. Die jungen Männer, fast alle Anfang 20, haben sich weiter vorne niedergelassen. Es ist, als gäbe es eine unsichtbare Trennwand im Saal.

Am Wochenende sind die Vorführungen (grundsätzlich im Originalton mit deutschen Untertiteln) oft ausverkauft. Im Ufa-Palast Stuttgart spielen die Filme vom Bosporus inzwischen eine große Rolle. „Bis zu 20 Prozent unserer Ticketverkäufe gehen auf das Konto türkischsprachiger Filme“, sagt Yüksel Kaan, Theaterleiter des Kinos. „Manchmal sind die türkischen Filme sogar auf Platz eins unserer Wochencharts,“

Den größten Erfolg in Stuttgart hatte bisher „Fetih 1453“ – ein Historienfilm aus dem Jahr 2012 über die Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen. Der Ufa-Palast Stuttgart hatte damals mehr Zuschauer als jedes andere Kino in der Republik. Bundesweit haben ihn 320.000 Menschen gesehen. In der Türkei wurde der Film von 6,5 Millionen Menschen angeschaut. Geht man davon aus, dass es hauptsächlich Menschen türkischer Abstammung waren, die den Film hier gesehen haben, war „Fetih 1453“ in Deutschland erfolgreicher als in der Türkei.

Yüksel Kaan, der selbst türkische Wurzeln hat, bestätigt das: „Die Deutschtürken sind kinoverrückt, und Stuttgart ist einer der Hauptstandorte des türkischen Films. Manche unserer Kinobesucher fahren bis zu 100 Kilometer weit.“

Fast alle Genres vertreten

Einer der führenden Kinoverleiher türkischer Filme in Europa sitzt in Stuttgart. Die Firma Kinostar hat sich seit 2007 auf den türkischen Film spezialisiert. „Das ist ein großer Markt wegen der vielen türkischen Migranten in Europa“, sagt Kinostar-Sprecherin Katja Kemmler. Und betont: „Es gibt auch Filme, die vom deutschsprachigen Publikum gut angenommen werden.“

Vertreten sind im türkischen Kino fast alle Genres. „Es gibt sogar türkische Fantasy-Filme, aber die kommen bisher nicht gut an“, sagt Kaan. Am besten laufen Komödien und Historienfilme. Doch nicht jedem gefallen die türkischen Blockbuster. Kerim Arpad, Geschäftsführer des Deutsch-Türkischen Forums Stuttgart, vermisst die Qualität früherer Produktionen. „Die Komödien sind fast alles Filme mit Slapstick-Humor wie bei Bully Herbig“, sagt er.

Und bei den Action- und Historienfilmen stört Arpad, dass die Filme meist offen für den Islam werben und türkische Großmachtfantasien zelebrieren. Tatsächlich ist auf Platz zwei der deutschlandweit erfolgreichsten türkischen Filme der Actionfilm „Kurtlar Vadisi – Tal der Wölfe“ von 2006 zu finden. Der Film über den Irakkrieg bedient ungeniert antisemitische, und antiwestliche Gefühle. Direkt gegen Israel gerichtet war der dritte Teil „Tal der Wölfe – Palästina“, der 2011 auch im Ufa-Palast zu sehen war. „Wir haben damals Protestschreiben von jüdischen Organisationen bekommen“, sagt Yüksel Kaan. Einen Grund, Filme wie „Tal der Wölfe“ deswegen aus dem Programm zu nehmen, sieht der Theaterleiter nicht: „Wir sind“, sagt er, „als Kino nicht für den Inhalt verantwortlich. Außerdem gibt es auch sehr viele Hollywood-Filme, die fragwürdige Feindbilder aufbauen, aber da beschwert sich niemand.“