Das Med-Café trainiert nicht nur die Sprache, sondern fördert auch den Zusammenhalt. Und es vernetzt Fachkräfte aus dem Gesundheitswesen mit Kollegen in der Region.
„Ist meine Erkrankung akut?“, „Hat es mit der Haut zu tun?“, „Leide ich unter starken Schmerzen?“: Fragen über Fragen prasseln auf die Runde ein. Auf der Stirn der jungen Männer und Frauen klebt ein Schild mit einer Krankheit, die es zu erraten gilt. Nach und nach finden sie heraus, dass sie Migräne, Bluthochdruck oder einen Herzinfarkt haben. Bis es so weit ist, gibt es viel zu lachen – und nebenbei ist mancher medizinische Fachbegriff gelernt.
Med-Café heißt das Sprachtraining für medizinische Fachkräfte aus dem Ausland, die Bürgergeld beziehen und auf die Anerkennung ihrer beruflichen Qualifikation warten, um in Deutschland arbeiten zu können. Das Jobcenter, Schwarzwald-Baar-Kreis, das Welcome Center Schwarzwald-Baar-Heuberg und das Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis haben sich zusammengeschlossen und bieten alle zwei Wochen im Landratsamt in Villingen das Sprachcafé an, bei dem der Austausch und das Knüpfen von Kontakten im Mittelpunkt stehen.
Gut 60 Ärzte und Pflegekräfte aus einem weiten Einzugsgebiet seien es inzwischen, die das Angebot nutzen und sich regelmäßig treffen, erklärt Ilona Kelemen von der Koordinierungsstelle Integrationsmanagement des Landratsamts. Sie ist selbst überwältigt, welch große Wellen die Idee geschlagen hat. Ob Haus- oder Zahnärzte, Kinder- und Jugendmediziner, Notfallsanitäter oder Pflegefachkräfte, ihre Disziplinen sind weit gefächert. Gemeinsam ist ihnen, dass sie für ihren Beruf brennen und mit der langen Wartezeit bis zur Anerkennung ihrer Ausbildung zu kämpfen haben.
Eineinhalb Jahre bis zur Anerkennung
Mit eineinhalb Jahren sei zu rechnen, erklärt Jutta Himmelsbach, die beim Jobcenter die ausländischen Ärzte im Bürgergeldbezug betreut und bei ihnen die Werbetrommel für das Med-Café rührt. An diesem Verfahren könne das Projekt zwar nichts ändern, aber zum einen gehe es darum, in dieser Zeit die Sprache zu trainieren. Zum anderen spiele das Kennenlernen und der Erfahrungsaustausch eine große Rolle. „Die Community unterstützt sich gegenseitig“, schildert sie ihre Beobachtungen. Es sei immer jemand da, der einem helfen und Tipps geben könne, die Gemeinschaft mache Mut für den langwierigen Weg, vor dem alle stehen.
Kurzvorträge zum Auftakt
Gleichzeitig nehme der Aufbau eines Netzwerks einen wichtigen Stellenwert ein, erläutert Ilona Kelemen. Oft bilde eine kurze Präsentation den Auftakt der Treffen. Das Gesundheitsnetzwerk, der Weiterbildungsverbund Allgemeinmedizin des Gesundheitsamts oder das Klinikum hätten sich vorgestellt, die Stadt und die Wirtschaftsförderung über die Pläne für das Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) informiert. Wertvoll sei auch der Dialog mit Ärzten aus der Region, die regelmäßig selbst vorbeischauen, den Kollegen zur Seite stehen und durch Hospitationen und Praktika den beruflichen Neuanfang in Deutschland ermöglichen.
Angesichts des Ärztemangels sei es ein Glücksfall, wenn Mediziner aus dem Ausland diese Lücken schließen könnten, sind sich Ilona Kelemen und Jutta Himmelsbach einig. Und von entscheidender Bedeutung sei da gerade die Verständigung, so dass das Med-Café ein Sprachtraining auf zwei Niveaus anbietet.
Teilnehmer üben Vokabeln aus dem medizinischen Alltag
Während die einen Vokabeln aus dem medizinischen Alltag üben, geht es in der anderen Gruppe um Diagnosen und Gespräche zwischen Arzt und Patient. Da sind zum Beispiel Lokman Sakci, der acht Jahre in der Türkei als Hausarzt tätig war, und die beiden Notfallsanitäterinnen Zhanna Shykhova und Viktoria Pliesklova aus der Ukraine, die mit Lena Ummenhofer, Leiterin der DRK-Landesschule am Standort Villingen-Schwenningen, in Rollenspielen an ihren Kenntnissen feilen.
Schnell kommen die drei auch auf ihre aktuelle Situation zu sprechen. Lokman Sakci hofft, bald seine Approbation zu bekommen und über das Med-Café einen Praktikumsplatz zu finden, wäre froh, den Beruf wieder ausüben zu können. Die erforderlichen Unterlagen habe er eingereicht, „aber das dauert lange“. Jetzt bereitet er sich auf die Fachsprachprüfung vor. Toll sei es, im Med-Café viele Leute kennenzulernen, die ähnliche Probleme haben und sich Tipps geben können.
Austausch von Erfahrungen
Von ähnlichen Erfahrungen erzählt Zhanna Shykhova, die am liebsten wieder als Notfallsanitäterin im Einsatz wäre, derzeit aber trotz Ausbildung und Berufspraxis nicht einmal als Pflegefachkraft, allenfalls als -helferin arbeiten könnte. „Ich möchte, aber darf nicht“, fasst auch Viktoria Pliesklova ihre Suche nach einer Arbeitsstelle zusammen.
Da tut es gut, Lena Ummenhofer von den Hürden zu erzählen. Auch ein Kinderarzt, eine Gynäkologin und eine Neurologin sitzen mit am Tisch. „Alles Fachkräfte, die wir dringend brauchen“, stellt sie fest. So sei es für sie keine Frage, sich ehrenamtlich zu engagieren und den Menschen die Integration zu erleichtern.
Einblick in Stationen eines Krankenhauses
Das Med-Café sei ein tolles Projekt, um ihnen medizinisches Vokabular zu vermitteln, stellt denn auch Michela Crispo, Leiterin des Welcome Centers, fest. Sie geht mit den Teilnehmern beispielsweise die einzelnen Stationen in einem Krankenhaus durch oder übt Wortfelder aus der Medizin.
„Ich muss Deutsch lernen“, betont die Krankenschwester Elif Korkmaz aus der Türkei, die ebenso wie die Kinderpsychologin Maryna Chyzh aus der Ukraine gerne arbeiten würde, aber noch auf die notwendige Zulassung wartet. Jetzt sitzen sie tief gebeugt über Arbeitsblättern und bereiten sich in Partnerinterviews auf die gegenseitige Vorstellung vor der Gruppe vor.
Gespräche auf Deutsch
„Wir versuchen, immer Deutsch zu reden“, gibt denn Jutta Himmelsbach die Devise für den ganzen Abend aus. Und das machen sie an den Tischen, auch wenn sie mal nach Worten suchen müssen oder mit Händen und Füßen reden. Da raten sich Mediziner und Notfallsanitäterinnen beim „Wer bin ich“ statt durch die Promiwelt quer durch Krankheiten und Symptome. Und finden unter lautem Gelächter heraus, dass es sich beim Organ zwischen „oben und Niere“ um die Lunge handelt, die entzündet ist.
Das Med-Café
Konzept
Das Sprachtraining richtet sich an Ärzte und Fachkräfte aus dem Gesundheitswesen, die Bürgergeld beziehen und beruflich in Deutschland neu anfangen möchten. Ziel ist es, die deutsche Alltagssprache zu verbessern, aber auch Fachbegriffe zu lernen und Kontakte zu Fachkräften im Schwarzwald-Baar-Kreis zu knüpfen, um durch Hospitation oder Praktika den Ablauf in Praxen kennenzulernen und die Fachsprache vertiefen zu können.
Kontakt
Das Med-Café ist alle zwei Wochen in den Räumen des Landratsamts in Villingen. Wer Interesse hat, kann sich bei Jutta Himmelsbach, Telefon 07721/20 97 04 oder llona Kelemen, Telefon 0172/5 84 99 73 melden.