Christine Strobl Foto: SWR/Monika Maier

Schäuble-Tochter als SWR-Fernsehspielchefin: Normale Personalie oder Mauschelei?

Stuttgart - Personalentscheidungen haben oft Brisanz, erst recht im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Der SWR bekommt das im Fall von Christine Strobl zu spüren. Die Tochter von Wolfgang Schäuble soll aufsteigen, die Debatte trifft den Sender zum denkbar schlechten Zeitpunkt.

Die Mail des Chefs ist an Deutlichkeit nicht zu überbieten. Dieser Tage schrieb Peter Boudgoust, Intendant des Südwestrundfunks (SWR), eine vertrauliche Nachricht an die Mitarbeiter der Abteilung Film und Fernsehproduktion. Es ging um die Frage, wer neuer Fernsehfilmchef des Senders wird, nachdem der national wie international angesehene Carl Bergengruen demnächst nach Hamburg wechselt. "Ich habe mich entschieden, Frau Christine Strobl mit der Nachfolge von Herrn Bergengruen zu betrauen", schreibt Boudgoust in seinem elektronischen Brief und kündigt an, seinen Vorschlag an diesem Freitag dem Verwaltungsrat des Senders vorzulegen. Dass das Gremium zustimmt, gilt als unstrittig. Eine Ablehnung wäre eine Brüskierung des Intendanten, der 2011 selbst zur Wiederwahl steht.

Nun wäre die Personalie Strobl mutmaßlich eine Petitesse wie andere Entscheidungen dieser Art in dem 3500 Mitarbeiter zählenden, gebührenfinanzierten SWR. Nicht aber in diesem Fall. Zum einen ist der Posten für den Sender von immenser Bedeutung, weil in dieser Abteilung mit 150 Mitarbeitern die gesamte Verantwortung für Erfolgsformate wie "Tatort" liegt, weil hier alle Drähte für preisgekrönte Filme wie "Mogadischu" und "Romy" zusammenlaufen. Zum anderen, weil es für die Neubesetzung der Hauptabteilungsleiterstelle ein internes Bewerbungsverfahren gegeben hatte, an dessen Ende von etlichen Kandidaten, darunter auch Bergengruens bisheriger Stellvertreter Manfred Hattenbach, nur ein Name übrig blieb: nämlich Christine Strobl.

Die 39-Jährige ist die Tochter von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und Ehefrau von CDU-Generalsekretär Thomas Strobl. Und genau diese Wurzeln werden ihr nun zum Problem. Kaum sickerte die Personalie durch, formierte sich Protest. Schlagworte wie "Parteienfunk" machen seither die Runde. Da wolle der Intendant - einst selbst im Stuttgarter Staatsministerium tätig - offenbar zur Sicherung der Wiederwahl die CDU-Schiene bedienen, mutmaßen böse Zungen. Andere werfen Strobl vor, als Juristin für diesen kreativen Job der Fernsehfilmchefin nicht die nötigen Voraussetzungen mitzubringen. In Rheinland-Pfalz, dem anderen Teil der Zwei-Länder-Anstalt, trudelten bei SPD-Chef Kurt Beck gar erboste Briefe ein, in denen Mitarbeiter sich über die Personalpolitik des Intendanten in Stuttgart beschweren. Beck selbst, so heißt es in Mainz, ist die Führungsmannschaft des SWR seit langem zu schwarz.

Und in Stuttgart? "Die familiären Umstände von Frau Strobl haben beim Auswahlverfahren weder positiv noch negativ eine Rolle gespielt", schreibt Boudgoust an seine Mitarbeiter. Allein "die Fach- und Führungskompetenz" sei entscheidend gewesen, beteuert der Chef des zweitgrößten ARD-Senders. Andere bestätigen das. "Sie hat halt die Last eines bekannten Namens", sagt ein TV-Mann über Christine Strobl, die selbst CDU-Mitglied ist, aber nach allem, was man weiß, das Parteibuch bisher stets in der Schublade gelassen hat. Das wird auch aus den Aufsichtsgremien bestätigt. "Sie macht einen sehr guten Job", heißt es parteiübergreifend aus dem Rundfunkrat, der für die Programmkontrolle zuständig ist. Auch Ulrich Müller, Chef des Verwaltungsrats, betont: "Frau Strobl auf ihr Parteibuch zu reduzieren wäre nicht gerecht."

Fakt ist: Strobl ist seit elf Jahren beim Sender, war Personal- und Etatreferentin in der Intendanz und leitet seit 2007 die Abteilung Kinder- und Familienprogramm des SWR; sie ist damit unter anderem zuständig für den erfolgreichen Tigerentenclub. Aus Sicht des Intendanten werde es der Abteilung Film- und Familienprogramm unter Strobls Leitung gelingen, "die finanziellen Herausforderungen für unseren Sender in den nächsten Jahren zu meistern, ohne dass die Programmqualität darunter leidet".

Genau das aber ist der Spagat, den der Sender immer öfter aushalten muss. Einerseits soll das Programm reformiert und aufgefrischt werden, andererseits wird das Geld weniger. Erst vergangene Woche beriet der Landesrundfunkrat in Stuttgart über den Etat 2011, der ein Volumen von 38,5 Millionen Euro hat, der vom Intendanten aber bereits als "Nothaushalt" bezeichnet wird. Seit Monaten wird in Arbeitsgruppen deshalb um Programmreformen gerungen, zumal das dritte Fernsehprogramm weiterhin im Tabellenkeller der ARD-Dritten verharrt und mit Wiederholungen von Sendungen wie "Sag die Wahrheit" wenig Einfallsreichtum zeigt.

Was aber ist noch machbar vor dem Hintergrund des Kostendrucks? Bis zum Jahr 2020 muss der Sender 15 Prozent seiner Ausgaben sparen. Die jungen Hörfunkprogramme wie SWR 3 und Das Ding sollen von Kürzungen ausgenommen werden, andere Hörfunkprogramme sollen bluten. Und das SWR-Fernsehen, so lautet die interne Vorgabe, muss seine Kosten um 25 Prozent reduzieren. Der Sender stehe vor großen Herausforderungen, bestätigen leitende Mitarbeiter die aktuelle Unruhe im Sender. Die Entscheidung im Fall Strobl gehört dazu.