Der älteste Klavierschüler der Jugendmusikschule in St. Georgen ist Martin Müller, der erst mit 65 Jahren mit dem Unterricht angefangen hat. Foto: Hans-Jürgen Kommert

Martin Müller hat mit 65 Jahren mit dem Klavierunterricht bei der Jugendmusikschule St. Georgen-Furtwangen begonnen. Der Mediziner schätzt das Hobby nicht nur aus Liebe zur Musik, sondern auch als Demenzprophylaxe.

Es ist Sonntag, doch Klavierlehrerin Gabriele Königs Auto steht vor dem Haus der Jugendmusikschule (JMS) St. Georgen/Furtwangen, daneben ein weiteres Fahrzeug. Und aus dem Dönneweg-Laufer-Saal klingt Klavierspiel.

 

Die Pianistin arbeitet mit einem besonderen Schüler. Mittlerweile gibt es sicher mehrere erwachsene Schüler an der JMS, doch Martin Müller ist auch unter diesen etwas Besonderes. In diesem Jahr wird er 90 Jahre alt. „Musik hat in meiner Familie stets eine große Rolle gespielt“, erzählt der Mediziner im Gespräch. Er stammt aus Stuttgart, wo seine Familie viele junge Musiker gesponsert habe.

Im Elternhaus stets gesungen

Liebe zur Musik habe er immer gehabt. In seinem Elternhaus sei auch stets gesungen worden, doch erlernt habe er die Querflöte. Mit dieser habe er durchaus auch große Werke im Orchester gespielt. Doch wie es so sei – nach dem Abitur habe er sein Medizinstudium in Heidelberg, Genf und Hamburg aufgenommen und die Musik beiseite geschoben.

In Hamburg schloss er seine Facharzt-Ausbildung zum Arzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Marienkrankenhaus an. Eine Tätigkeit an der Kinderklinik Borgfelde folgte, danach ging er für einige Zeit in den Kongo an die Universitätsfrauenklinik Lovanium in Kinshasa. Als Oberarzt kehrte er schließlich zurück ans Marienkrankenhaus.

Chefarzt der Frauenklinik in Schwenningen

Und dann kam er als Chefarzt der Frauenklinik nach Schwenningen, an der er bis zum Zusammenschluss der Kliniken arbeitete. Mit 59 Jahren eröffnete er eine eigene Praxis, in der er nur mehr privatärztlich tätig sei – die Kassenärztliche Vereinigung (KV) habe ihn nicht mehr als niedergelassenen Arzt haben wollen.

Darüber hinaus engagiere er sich für geflüchtete Frauen, die über das Sozialamt versichert seien, erzählt Müller. Die Kommunikation sei nicht ganz einfach, zumeist müsse der Google-Übersetzer herhalten.

Außerdem hat Müller seine Liebe zur Musik wiederentdeckt. Zunächst aber, erzählt seine Lehrerin Gabriele König, habe sie Müllers Ehefrau, Patrizia Franchini-Müller, unterrichtet. Diese sei aber selbst eine großartige Pianistin, daher erklärte sie ihr, dass sie keinen Unterricht braucht. „Sie hat mir dann ihren Mann geschickt. Zwar kann er gut Noten lesen, aber das Klavier war für ihn absolutes Neuland.“

Ehefrau Patrizia Franchini-Müller ist tolle Pianistin

Seit 25 Jahren spielt Müller mittlerweile Klavier. „Ich bin gut befreundet mit dem Chef der HNO am Klinikum; er hat mir erklärt, dass das Klavierspiel eine ausgezeichnete Demenzprophylaxe darstellt, was auch in dem Buch ‚Raus aus der Demenzfalle’‚ von Professor Gerald Hüther dargestellt wird“, nennt der Klavierschüler eine weitere Motivation.

Gabriele König lobt ihren speziellen Schüler

„Obwohl er mit 65 Jahren überhaupt erst mit dem Klavierspiel angefangen hat, spielt er inzwischen große Meisterstücke, unter anderem die fünfstimmige Fuge von Johann Sebastian Bach, was nicht einmal jeder Musikstudent kann“, lobt Gabriele König ihren speziellen Schüler. Die Jugendmusikschule sei generell aber durchaus stolz darauf, auch erwachsene Schüler zu unterrichten.