Bei Luxemburgs vielen Prinzen kann man schon mal den Überblick verlieren. Großherzog Henri hat eine große Familie und repräsentiert ein kleines Land. Sind die Luxemburg-Nassauer wirklich das „langweiligste Herrscherhaus Europas“?
Luxemburg ist ein kleines Land. Es hat gut 600.000 Einwohner – ungefähr so viel Baden-Württembergs Landeshauptstadt Stuttgart. Doch die 2586 Quadratkilometer, eingeklemmt zwischen den großen Nachbarn Frankreich, Deutschland und Belgien, sind das einzige Großherzogtum der Welt. An seiner Spitze steht Großherzog Henri von Nassau, Vater von fünf Kindern, überzeugter Europäer. Weil es kaum Skandale gibt und die Großherzogfamilie kaum Futter für die Klatschspalten liefert, gilt der Luxemburger Hof Adelsexperten als „langweiligstes Herrscherhaus Europas“.
In Deutschland weiß man wenig über die Familie, die in Luxemburg geliebt und verehrt wird. Wer sind die Luxemburg-Nassauer, die unauffällig, bescheiden, aber effektiv das kleine Land im Herzen Europas repräsentieren?
Die Geschichte:
Der luxemburgische Zweig der Dynastie Nassau-Weilburg existiert seit 1890 und hat bislang sechs Herrscher gestellt. Die Luxemburger Nassauer sind eng verwandt mit dem niederländischen Königshaus.
Diese Verwandtschaft geht bis ins Jahr 1255 zurück. Damals wird das Herrscherhaus Nassau von den Brüdern Walram und Otto in zwei Linien getrennt. Nach dem Wiener Kongress 1815 wird der zur ottonischen Linie gehörende Wilhelm I. König der Niederlande und Großherzog von Luxemburg.
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Bis 1890 existiert diese Personalunion. Doch dann stirbt Wilhelm III. – ohne männlichen Erben. Während seine Tochter Wilhelmina den niederländischen Thron besteigt, übernimmt in Luxemburg die walramische Linie der Nassauer: Adolph Wilhelm Carl August Friedrich von Nassau-Weilburg wird als Adolph I. Großherzog – mit ihm beginnt offiziell die luxemburgische Dynastie.
Die Hauptdarsteller:
Er ist Politikwissenschaftler, Vater von fünf Kindern, Landesvater – und hat eine frappierende Ähnlichkeit mit Richard Chamberlain: Großherzog Henri von Luxemburg. Der heute 67-jährige Monarch übernahm das Zepter im Jahr 2000, als sein Vater Jean abdankte. Der unauffällige und bescheidene Henri, der auf Schloss Berg im Zentrum von Luxemburg stets pflichtbewusst seine Aufgaben als Chef einer konstitutionellen Monarchie erledigt, ist beliebt beim Volk. Er gilt als glühender Europäer. Formal hat Großherzog Henri als Staatsoberhaupt weitreichende exekutive und legislative Befugnisse – faktisch nimmt er aber rein repräsentative Aufgaben wahr. „Forbes“ führte Henri mit einem Vermögen von über vier Milliarden Euro als einen der reichsten europäischen Royals – der Hof dementierte: Die großherzogliche Familie besitze „ein kleinstes Prozent“ dieser Summe.
Seine Frau, Großherzogin Maria Teresa, Tochter eines vor Fidel Castro geflohenen kubanischen Großgrundbesitzers, lernte Henri beim Studium in Genf kennen. Henri kämpfte für seine Liebe, denn angeblich waren seine Eltern gegen die Verbindung. 1981 heirateten die beiden, bekamen fünf Kinder – vier Söhne und eine Tochter. Die Landesmutter setzt sich für Bildung ein, hilft Menschen mit Lese- und Rechtschreibschwäche (ihr Sohn Louis leidet selbst an Legasthenie) und engagiert sich gegen Gewalt an Mädchen und Frauen. Ist Henri beim Volk beinahe über jeden Zweifel erhaben, ist es eher seine Frau, die für schlechte Schlagzeilen sorgt: 2019 warf der sogenannte Waringo-Bericht Maria Teresa vor, beim Palastpersonal für Angst und Schrecken zu sorgen.
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Luxemburgs Thronfolger ist der 40-jährige Erbgroßherzog Guillaume. Gemeinsam mit seiner Frau, Erbgroßherzogin Stéphanie, verkörpert er die nächste Luxemburger Generation. Lange waren der Politikwissenschaftler und die Germanistin, die 2012 heirateten, kinderlos. 2020 kam dann der ersehnte Thronfolger zur Welt: Prinz Charles Jean Philippe Joseph Marie Guillaume, dessen Geburt mit 21 Salutschüssen gefeiert wurde. Jetzt erwartet das Paar noch ein Kind. Guillaume und Stéphanie, die aus einer der ältesten belgischen Adelsfamilien stammt, lernten sich über gemeinsame Freunde in Deutschland kennen. Laut Insidern soll das Erbgroßherzogpaar immer noch schwer verliebt sein: “Sie sind Seelenverwandte und verstehen sich ohne Worte.“
Die Nebendarsteller:
Großherzogin Maria Teresa und Großherzog Jean haben zahlreiche Kinder in die Welt gesetzt. Erbgroßherzog Guillaume hat drei Brüder und eine Schwester.
Der 38-jährige Prinz Félix ist seit 2013 mit der Deutschen Claire Lademacher verheiratet. Beide haben Bioethik in Rom studiert. Das Paar, das unter anderem ein Weingut in Südfrankreich führt und eine Deko- und Kleidermarke für Kinder betreibt, hat zwei Kinder: Prinzessin Amalia und Prinz Liam.
Das Luxemburgische Großherzoghaus gilt als sehr diskret. Immer wieder in den Schlagzeilen findet sich aber der 36-jährige Prinz Louis wieder. Er wurde schon mit 19 Jahren Vater, heiratete mit 20 Tessy Antony, die er bei der Armee kennengelernt hatte. Tessy diente 2004 mit bei einer UN-Friedensmission im Kosovo – als einzige Frau in ihrer Einheit. 2019 ließen sich die Eltern zweier Söhne, Prinz Gabriel und Prinz Noah, scheiden. Eigentlich wollte Prinz Louis 2022 wieder heiraten: die französische Anwältin Scarlett-Lauren Sirgue. Doch dann gab das Paar aber seine Trennung bekannt. Louis, der Kommunikationswissenschaften und „Psychosocial Studies“ in London studiert hat, engagiert sich für Kinder, die wie er eine Lese-Rechtschreibschwäche haben.
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Die 31-jährige Prinzessin Alexandra ist die einzige Tochter des Großherzogpaars. Sie hat Psychologie, Sozialwissenschaften und Philosophie in den USA, Paris und Dublin studiert und hat sich auf Konfliktlösung spezialisiert. Sie schnupperte Reporterluft und machte ein Praktikum bei den Vereinten Nationen in New York. Alexandra engagiert sich in der Flüchtlingshilfe.
Der Jüngste unter den fünf Geschwistern ist Prinz Sébastien. Der 30-Jährige studierte Marketing und Kommunikation und machte wie sein Vater und ältester Bruder eine Offiziersausbildung in der renommierten britischen Militärakademie Sandhurst. Als Offizier der Luxemburger Armee kommandiert Sébastien ein Regiment der britischen Irish Guards, denen sein Großvater Jean im Zweiten Weltkrieg diente.
Die hellsten Glanzlichter und bittersten Stunden:
2012 – Hochzeit von Erbgroßherzog Guillaume und Stéphanie de Lannoy: Für das kleine Großherzogtum ist es das Ereignis des Jahrzehnts – am 20. Oktober 2012 sagen in der Kathedrale Notre-Dame die belgische Adelige Stéphanie de Lannoy und der Luxemburger Erbgroßherzog Guillaume „Jo“. Vor 1400 Gästen, darunter dem gesamten europäischen Hochadel, verspricht sich das Paar die ewige Liebe. Für die Braut ein bittersüßer Moment: Stéphanie hatte nur wenige Wochen vor der Hochzeit ihre Mutter verloren.
2019 – Abschied von Altgroßherzog Jean: Im hohen Alter von 98 Jahren stirbt im Frühjahr 2019 Henris Vater, Altgroßherzog Jean. Das Land nimmt Abschied von einem geliebten Monarchen ohne Skandale. Während des Zweiten Weltkriegs war Jean für seine Landsleute ein Symbol im Widerstand gegen Nazi-Deutschland: Als 19-Jähriger floh er 1940 vor den deutschen Besatzern nach England und trat 1942 in das Regiment der Irish Guards ein. 1944 nahm Jean an der Landung in der Normandie teil, er kämpfte in der Schlacht von Caen und half bei der Befreiung Brüssels. Als er dann in Uniform in sein Land zurückkehrte, feierte ihn das ganze Land als Helden.
2019 – der Waringo-Bericht: Die Großherzogin in der Kritik – 2019 wird im Auftrag der Luxemburgischen Regierung die Organisation des Hofs untersucht. Der sogenannte Waringo-Bericht lässt Maria Teresa in keinem guten Licht dastehen: In Schloss Berg herrsche ein „Klima der Angst“, die Großherzogin gehe schlecht mit den Angestellten um, etliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen hätten ihren Job deshalb aufgegeben. Regierungschef Xavier Bettel wird daraufhin deutlich: „Es wird ein Organigramm geben, auf dem steht, wer was macht und wer sich worum kümmert. Und darauf ist kein Platz für die Großherzogin.“ Henri hatte seine Frau gegen die Kritik stets verteidigt: Seine Frau habe sich in den vergangenen Jahrzehnten mit “Hingebung“ für Luxemburg eingesetzt.
2020 – endlich ein Stammhalter: Lange mussten die Luxemburger auf dieses Baby warten – am 10. Mai kommt der kleine Prinz Charles zur Welt. Der erste Sohn von Erbgroßherzogin Stéphanie und Erbgroßherzog Guillaume wird mit 21 Salutschüssen begrüßt. Charles Jean Philippe Joseph Marie Guillaume weiß noch nichts davon, dass er in ferner Zukunft die Nachfolge seines Großvaters Henri und seines Vaters Guillaume als Großherzog antreten wird.