Die Kreuzung Goethe- und Egartenstraße ist nach den Berechnungen des Ingenieurbüros Breinlinger einer jener neuralgischen Punkte, wo es bei heftigen Regenfällen einen Anstau des Wassers im Abwasserkanal geben könnte. Foto: Hans-Jürgen Eisenmann

Rein rechnerisch müsste bei starken Gewitter-Regenfällen hier und da im Stadtgebiet trübe Flüssigkeit aus den Schächten quellen.

In der Realität ist die Abwasserkanalisation aber glücklicherweise noch so ausreichend dimensioniert, dass alles bis zu den beiden Kläranlagen durchläuft.

 

Die eigene befindet sich in der Talhauser Straße im Nordosten der Stadt – hier werden77 Prozent der gesamten Abwässer behandelt – und an der anderen ist die Stadt beteiligt: die Anlage des Abwasserzweckverbandes Oberer Neckar auf Gemarkung Deißlingen – zuständig für 23 Prozent des Abwassers.

Das Abwasserkanalnetz der Stadt Trossingen ist 114 Kilometer lang. Wird heute ein neues Baugebiet erschlossen, ist es Stand der Technik, dass das häusliche Abwasser und das Regenwasser getrennt abgeleitet werden. Früher wurde hier alles in einen Topf geworfen, die so genannte Mischkanalisation.

In Trossingen ist noch zu 80 Prozent diese ältere Mischkanalisation eingebaut, auf 14 Prozent das Trennsystem. Auf sechs Prozent der Fläche wurde das Mischsystem modifiziert, das heißt in Teilbereichen wird das Regenwasser abgeführt. Kommt es zu einem heftigen Gewitter, droht einmal Gefahr von Oberflächenwasser – wie beispielsweise im Juni 2024 beim Wohngebiet Albblick oder an der Christian-Messner-Straße. Aber auch von der Kanalisation her kann mächtig Druck aufgebaut werden: wenn zu viel Regenwasser über die Straßeneinlaufschächte in die Kanalisation läuft, kann es an tiefer liegenden Stellen und an Engstellen zu Probleme kommen, bis hin zu Kellerflutungen, wenn keine Rückstauklappe vorhanden ist.

Abwasserkanäle erfasst

Die Stadt Trossingen hat nun das Tuttlinger Ingenieurbüro Breinlinger beauftragt, einen Generalentwässerungsplan (GEP) zu erstellen, bei dem sämtliche Abwasserkanäle in ihrer Dimension erfasst, ausgewertet und einem rechnerischen Test unterzogen werden.

Christian Sommer, Ingenieur für Siedlungswasserwirtschaft, legte dem Gemeinderat Zahlen vor, die überraschten: nach seinen Berechnungen werden bei einem Regenereignis mit dreijähriger Wiederkehrzeit von den insgesamt 2889 Schächten ganze 278 überstaut, das heißt bei ihnen müsste der Deckel wegfliegen und Abwasser herausströmen. Tut es aber in Wirklichkeit nicht.

„Ich habe so etwas noch nie erlebt“, kramte CDU-Stadtrat Jürgen Vosseler in seiner Erinnerung. Und in der Tat, Ingenieur Christian Sommer räumte auch ein, dass die Zahlen sehr großzügig gerechnet sind und darüber hinaus Ungenauigkeiten aufweisen. Denn bei der Berechnung der Regenwassermassen muss sich das Ingenieurbüro auf die vorhandenen Zahlen verlassen, beispielsweise bezüglich Dachflächen sowie gepflasterter Einfahrt und Terrasse. Rechnerisch läuft hier das Regenwasser bei einem Gewitter komplett in die Kanalisation. Keine Angaben gibt es über Zisternen, diese entschärfen die Situation.

Eine klassische Engstelle befindet sich beispielsweise an der Kirchhalde, hier verengt sich ein Kanal mit 50 Zentimeter auf gerade mal 30 Zentimeter. Diese Abwasserleitung ist rechnerisch überstaugefährdet, bislang ist dort aber noch nichts Ernsthaftes passiert. Deshalb lautete die Empfehlung, den Kanal aufzuweiten, wenn es Probleme gibt oder wenn irgendwann einmal die Straße saniert wird. Ingenieur Christian Sommer wies darauf hin, dass der Generalentwässerungsplan keine Handlungsanweisung ist.

Eine wichtige Funktion im Abwasserkanalnetz in Trossingen und Schura sind die 16 Regenüberläufe sowie sieben Regenüberlaufbecken. Sie sorgen dafür, dass bei Starkregen die Kläranlagen nicht durch einen Schwall von verdünntem Regen- und Abwasser überlastet werden. Dazu wird bei Mischkanalisation zunächst Abwasser und Regenwasser zurückgehalten und nach Abflauen der Regenfälle dosiert abgegeben. Kommen dennoch mehr Niederschläge, wird das gemischte Abwasser in den „Vorfluter“ abgegeben, also beispielsweise bei den Regenüberlaufbecken in der Kernstadt in den Trosselbach oder in Schura in den Schönbach und Steppach.