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Herkunftsland oder an Bezeichnungen wie „natürliches Aroma“ führen oft in die Irre.

Stuttgart - Deutsche Erdbeeren, die eigentlich aus Holland kommen. Eis, das statt Milch oder Sahne nur billiges Kokosfett enthält, weil es nicht Eiscreme heißt. Diese Beispiele der letzten Wochen zeigen, wie die Lebensmittelindustrie bei den Etiketten trickst - oft legal, wie ein Ausflug ins Lebensmittelrecht zeigt.

"Wenn Sie beim Einkaufen nicht ausgetrickst werden wollen, müssen Sie ausgebildeter Lebensmittelchemiker sein, das deutsche Lebensmittelrecht auswendig lernen und eine Lupe mit in den Supermarkt nehmen", sagt Martin Rücker von der Verbraucherorganisation Foodwatch. An einigen beispielhaften Fällen kann man aber zumindest zeigen, wie komplex die Regelungen sind - und warum vieles, was die Lebensmittelindustrie macht, legal ist.

Deutsche Markenbutter aus dänischer Milch

Deutsche Markenbutter aus dänischer Milch

Die Kühe dürfen auf der Weide stehen, wo immer sie wollen, entscheidend für die Herkunftsbezeichnung ist allein der Ort, an dem die Milch verarbeitet wurde. Warum dieses Verarbeitungsprinzip gilt, wird klar, wenn man sich Produkte mit mehreren Zutaten anschaut, beispielsweise einen Fruchtjoghurt. Wenn die Fruchtzubereitung aus Polen kommt, die Milch aus der Schweiz und der Zucker aus Deutschland, müssten mehrere Länder vermerkt werden. Bei abgepackten Lebensmitteln ist es also schwer zu durchschauen, woher die Zutaten wirklich kommen. Ausnahmen gibt es bei Fleisch, Eiern und Produkten mit den Siegeln geschützte geografische Angaben (ggA) und geschützte Ursprungsbezeichnung (gU).

Schwarzwälder Schinken aus Niedersachsen

Schwarzwälder Schinken aus Niedersachsen

Der Schwarzwälder Schinken trägt, wie viele andere regionale Spezialitäten auch, den Zusatz geschützte geografische Angaben (blau-gelbes Siegel). Regionale Herstellerverbände können sich damit bei der EU eine der Herstellungsstufen (Erzeugung, Verarbeitung oder Herstellung) für ihr Herkunftsgebiet schützen lassen. Für das genannte Beispiel bedeutet das: Das Fleisch kann aus Niedersachsen kommen, in Hessen zerlegt und später auch dort abgepackt werden. Nur geräuchert werden muss es im Schwarzwald. So gibt es beispielsweise auch italienischen Parmesan, der im Allgäu hergestellt wird, in Parma reift und dann als italienischer Parmesan in deutschen Supermärkten landet. Das ggA-Siegel gilt auch für die Schwäbische Maultasche.

Parmaschinken aus Parma

Parmaschinken aus Parma

Bei Produkten, die das rot-gelbe Siegel für eine geschützte Ursprungsbezeichnung tragen, müssen Erzeugung, Verarbeitung und Herstellung eines Produkts in einem bestimmten geografischen Gebiet erfolgen, und zwar nach einem anerkannten und festgelegten Verfahren. Hierzu zählt beispielsweise der Parmaschinken, der nach neueren Urteilen sogar in der Region Parma geschnitten werden muss. Auch der Allgäuer Bergkäse und der Allgäuer Emmentaler sind solche Produkte.

Geburt, Mast, Schlachtung und Zerlegung in Deutschland

Geburt, Mast, Schlachtung und Zerlegung in Deutschland

Um das Vertrauen der Verbraucher nach den BSE-Skandalen wieder zu gewinnen, kann man Rindfleisch mit Hilfe der Etikettierung von der Herde über die Schlachtung bis hin zum Zerlegbetrieb verfolgen - allerdings nur, solange es nicht in einem Fertiggericht verarbeitet oder zu Grillfleisch mariniert wurde. Ähnlich gut und beim Verbraucher noch besser bekannt ist die Rückverfolgbarkeit über die Eierkennzeichnung.

Deutsche Erdbeeren aus Holland

Deutsche Erdbeeren aus Holland

Auf einem Markt in Norddeutschland wurden vor wenigen Wochen deutsche Erdbeeren verkauft. Dumm nur, dass es zu dem Zeitpunkt noch gar keine heimischen Erdbeeren gab - was sie recht schnell als holländische entlarvte. "Diese Germanisierung bei Obst und Gemüse ist sehr beliebt, aber verboten", sagt Christiane Manthey von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Mit wenigen Ausnahmen wie Bananen, Speisekartoffeln, Kokosnüssen oder Datteln muss bei frischem Obst und Gemüse das Anbauland angegeben werden, und zwar egal, ob die Sachen im Supermarkt oder auf dem Markt verkauft werden. "Oft fehlen die Angaben, dann muss sie der Verkäufer aber parat haben, sonst ist das ein Fall für die Lebensmittelkontrollbehörden", sagt Martin Rücker. Insbesondere beim Straßenverkauf fehlt es aber an Kontrollen. "Da werden dann schon mal Spargelkisten aus Griechenland ausgepackt und ein Schild mit deutschem Spargel aufgestellt."

Eis ist nicht gleich Eiscreme

Eis ist nicht gleich Eiscreme

Kalbsleberwurst, die kaum Kalbsleber enthält, Analogkäse, der nur ein käseähnlicher Ersatz ist, und Eis, das statt Milch oder Sahne nur Kokosfett enthält, wenn es nicht Eiscreme heißt. Immer wieder werden die Verbraucher von den Namen der Produkte in die Irre geführt - weil sie nicht genau hinschauen, was auf der Zutatenliste steht, aber auch, weil immer wieder geändert wird, was unter den jeweiligen Produktnamen fällt. Die Leitsätze dazu stehen im deutschen Lebensmittelbuch, festgelegt werden sie von der sogenannten Lebensmittelbuchkommission. In dieser Kommission, die geheim arbeitet, sitzen Vertreter der Lebensmittelindustrie, Verbraucherschützer und Professoren. Ein Beispiel für die Veränderung der Leitsätze ist die Definition von Schinken. Früher war dies ein sehr edel gewachsenes Stück Fleisch aus dem Hinterteil des Schweins. Der Name Vorderschinken erlaubte später, auch Fleisch aus dem Vorderteil des Schweins als Schinken zu verkaufen. Dann wurde auch Formschinken, also zusammengepresste Teile statt eines am Stück gewachsenen Fleischs, von der Kommission als Schinken definiert. Und mittlerweile zählt auch Klebeschinken dazu, bei dem die einzelnen Schinkenstücke mit Hilfe von Enzymen zusammengefügt werden.

Das deutsche Lebensmittelrecht schützt die Verbraucher zwar eigentlich davor, dass der Name eines Produkts oder die Werbung sie über den wahren Inhalt hinwegtäuscht. Trotzdem stehen Erdbeerjoghurts im Regal, die die Käufer mit Erdbeeren auf dem Deckel und dem Wort natürliche Aromen locken, obwohl der Becher statt vieler echter Früchte vor allem Aromen enthält, die aus pflanzlichen Rohstoffen wie Holzspänen oder mit Hilfe von Schimmelpilz- und Bakterienkulturen hergestellt werden. Aber: "Wenn sie als einzelner Verbraucher vor Gericht gegen einen Lebensmittelhersteller klagen, bekommen sie höchstens den Einkaufspreis für das Produkt zurück", sagt Rücker. Bleibt also nur, genau auf die Zutatenliste zu schauen - oder eben doch Lebensmittelchemiker zu werden und das Lebensmittelrecht auswendig zu lernen.