Was bei den Unternehmen zählt, ist nicht in erster Linie der Name des akademischen Titels, sondern praktische Erfahrungen, ein spezielles Know-how und persönliche Kompetenzen.

„Viele Hochschulabsolventen streben einen Masterabschluss an“, erklärt Dr. Irene Seling, stellvertretende Abteilungsleiterin Berufliche Bildung bei der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Das zeige die Übergangsquote zwischen 70 und 75 Prozent. Einen zwingenden Grund für ein weiterführendes Studium gebe es allerdings nicht: „Alle Branchen und Betriebe verschiedenster Größe stellen Bachelorabsolventen ein.“

Bianca Roeder hat nach dem Bachelorstudium bewusst die Entscheidung getroffen, in den Beruf einzusteigen und nicht weiterzustudieren. „Mir war ein Masterstudienplatz sicher, als ich von Bosch ein Stellenangebot bekam.“ Die 24-jährige Informatikerin kannte den Technologiekonzern bereits. „Während meines Studiums an der Hochschule für Technik in Stuttgart habe ich mein Pflichtpraktikum bei Bosch im Bereich für Smart-Home-Lösungen absolviert“, berichtet Roeder. Anschließend erhielt die Studentin das Angebot, ihre Bachelorarbeit beim Unternehmen zu schreiben. Auch dabei ging es wieder um das Thema Smart Home. Am Ende dieser Arbeit kam ihr Chef auf sie zu: „Er meinte, ich würde gut ins Team passen“, berichtet Roeder.

„Ich sprach mit meinen Professoren darüber und dann stand meine Entscheidung fest. Heute weiß ich, dass diese richtig war. Ich würde sie wieder genauso treffen“, betont Roeder. Sie arbeitet inzwischen in einem Entwicklungsteam, das sich mit der Steuerung von Haushaltsgeräten wie Waschmaschinen oder Trockner via Smartphone beschäftigt.

Ihre berufliche Weiterentwicklung hat die Software-Entwicklerin fest im Blick: „Der Bereich Projekt- und Teammanagement interessiert mich sehr. Zu diesen Themen besuche ich bereits Schulungen.“ Ein Masterstudium komme für die junge Frau hingegen erst einmal nicht infrage.

In vielen Bereichen reicht ein Bachelor

Vera Winter, Leiterin Talent Relationship Management bei Bosch, betont: „Grundsätzlich differenzieren wir in unseren Stellenausschreibungen nicht nach Abschlussart. Wir geben oft nur noch an, dass ein Hochschulabschluss erwartet wird.“ Der Technologiekonzern beschäftigt inzwischen eine hohe Anzahl an Bachelorabsolventen. Winter nennt ein wichtiges Einstellungskriterium: „Bachelorabsolventen sind für uns interessant, wenn sie die für die jeweilige Stelle passenden Praxiserfahrungen mitbringen.“ Dabei sei ein Studium, das über die Regelstudienzeit hinausgeht, kein Einstellungshindernis. „Wir begrüßen es ausdrücklich, wenn sich Studierende Zeit nehmen, um zum Beispiel Auslandserfahrungen zu sammeln oder ein Praktikum zu absolvieren.“ Im Bereich „Forschung und Entwicklung“ sucht Bosch allerdings meist Masterabsolventen: „In diesem Bereich brauchen wir Spezialisten mit mehr wissenschaftlicher Erfahrung.“

In bestimmten Fächern reicht ein Bachelorabschluss allerdings nicht aus. „In den Naturwissenschaften wird meist ein Master oder gar die Promotion verlangt“, erklärt Carmen Gutierrez Gnam vom Team Akademische Berufe bei der Arbeitsagentur Stuttgart. Besonders gute Chancen für Bachelorabsolventen sieht die Beraterin dagegen bei Sozialpädagogen und Informatikern, aber auch bei Betriebswirtschaftlern und Ingenieuren. „Wer seinen Bachelor an einer Hochschule für Angewandte Wissenschaften oder einer Dualen Hochschule macht, verfügt meist über eine höhere Praxiskompetenz als ein Uniabsolvent“, berichtet Gutierrez Gnam. Viele Bachelorabsolventen fühlen sich allerdings noch nicht für die Berufspraxis gerüstet. „Sie sind oft durch das Bachelorstudium gehechelt und wollen dann die Zeit bis zum Master nutzen, um praktische Kenntnisse oder Auslandserfahrungen zu erwerben.“

Gutierrez Gnam ist noch ein anderes Phänomen bekannt: „Wenn Absolventen nach einigen Wochen oder Monaten keine Arbeit gefunden haben, entscheiden sie sich häufig für ein Masterstudium. Denn sie haben Angst, dass sonst eine zu große Lücke in ihrem Lebenslauf entsteht.“ Nach Gnams Beratungserfahrung hängen die Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt oft auch an individuellen Faktoren: „Akademiker, die nicht mobil sind, finden schwerer eine Stelle als diejenigen, die sich bundesweit bewerben.“ Auch Absolventen mit geringen sozialen Kompetenzen hätten es schwer auf dem Arbeitsmarkt. „Häufig entscheidet die Persönlichkeit mit über den Erfolg.“

Späteres Masterstudium nicht ausgeschlossen

Bachelorabsolventen haben bei Bosch gleiche Chancen auf einen Aufstieg wie Master: „Niemand ist bei uns auf eine bestimmte Karriereschiene festgelegt“, sagt Winter. „Unsere Mitarbeiter können Fachaufgaben übernehmen, aber auch Positionen mit Führungs- und Projektverantwortung.“

Auch ist eine spätere wissenschaftliche Weiterqualifikation für Bachelor möglich. Seling: „Sie können zum Beispiel nach einer ersten berufspraktischen Phase ein Masterstudium anschließen. So bieten viele Unternehmen ihren Beschäftigten berufsbegleitende Masterprogramme an.“ Andere Firmen beteiligten sich an den Studienkosten oder ermöglichten Teilzeitregelungen. Allein aus finanziellen Gründen lohne sich ein Masterabschluss nicht. „Das Einkommen richtet sich in der Regel nach der Aufgabe und Verantwortung im Unternehmen und nicht danach, welchen Hochschulabschluss der Mitarbeiter hat.“