Zum Jahresende ist Josef Ungermann aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig aus dem Amt des Obernheimer Bürgermeisters ausgeschieden. Rund 400 Gäste und Wegbegleiter haben den beliebten Schultes nun in den Ruhestand verabschiedet.
Obernheim - Persönlich haben Josef Ungermann und seine Frau Heike jeden der rund 400 Gäste in der Obernheimer Mehrzweckhalle mit Handschlag begrüßt. Für den scheidenden Bürgermeister sowie viele Obernheimer und Weggefährten war der Festakt am Donnerstagabend hochemotional – schließlich war der 56-Jährige in den vergangenen zwölf Jahren bei den Einwohnern recht beliebt.
Ungermanns Stellvertreter Johannes Huber, der seit 1. Januar kommissarisch die Geschäfte im Obernheimer Rathaus leitet, führte durch den Abend. "Wir können einen Mann wie den Josef nicht einfach still und heimlich gehen lassen", erklärte Huber gleich zu Beginn – schließlich habe er in Obernheim viel bewegt. In den vorzeitigen Ruhestand begleiteten ihn der Musikverein "Lyra" Obernheim unter der Leitung von Thomas Nell und der Männergesangverein "Harmonie" Obernheim mit Chorleiterin Cordula Bieber.
Von Anfang an beliebt
Huber erinnert sich, wie er vor gut zwölf Jahren den neuen Bürgermeister Ungermann in sein Amt eingesetzt hat. Gleich im ersten Wahlgang war der Tailfinger am 10. Oktober 2010 mit der überwältigender Mehrheit von 95 Prozent gewählt worden. "Bei der anschließenden Wahlparty vor dem Rathaus war schon erkennbar, wie beliebt Du bist", erinnerte sich Huber. Die Wiederwahl im Jahr 2018 setzte noch einen drauf: 99,3 Prozent der Bürger wählten ihn erneut.
Das Amt des Bürgermeisters sei "dem Josef", wie ihn viele im Ort nennen, einfach auf den Leib geschneidert. Immerhin brachte Ungermann auch schon von seiner Tätigkeit in Albstadt reichlich Verwaltungserfahrung mit. Leidenschaft, Ausdauer, Bürgernähe und Verständnis seien nur ein paar seiner großen Fähigkeiten. Lediglich Geduld zähle nicht zu seinen Stärken, meinte Huber augenzwinkernd.
Immer mit Weitblick
In kurzer Zeit habe sich der neue Bürgermeister mit den Namen sowie Sitten und Gebräuchen der Obernheimer vertraut gemacht und viele Freundschaften gewonnen. "Auf Dein Wort konnte man sich immer verlassen."
Als wichtigste Projekte in der Ära Ungermann nannte Huber unter anderem die Verlegung des Glasfaserkabels von Oberdigisheim nach Obernheim, die Umstellung des Haushaltswesens auf das Neue Kommunale Haushaltsrecht sowie die Projekte Kindergarten und Feuerwehrmagazin. Weitblick im Bereich Energiesparen habe er nicht nur bei der Sanierung des Rathauses, sondern auch bei der Installation einer Photovoltaikanlage sowie der Umstellung der Straßenbeleuchtung auf LED bewiesen. Darüber hinaus habe er noch im vergangenen Jahr die Weichen für eine neue Hackschnitzel-Heizzentrale für Halle, Schule und Feuerwehrhaus gestellt, um die Gemeinde unabhängig von fossilen Energiequellen zu machen.
"Es hat wirklich viel Spaß gemacht mit dir zu arbeiten"
"Bürgermeister war für Dich nicht nur ein Beruf, sondern eine Berufung", fasste es Johannes Huber zusammen. Seinem eigenen Anspruch, alles gut oder möglichst noch besser zu machen, sei er stets gerecht geworden. Doch dabei sei Ungermann stets bewusst gewesen, dass die Resultate immer Teamwork waren.
Von freundschaftlicher und konstruktiver Zusammenarbeit sprachen auch die Mitglieder des Gemeinderats. Johannes Huber erklärte im Namen des gesamten Gremiums: "Es hat wirklich viel Spaß gemacht, mit Dir zu arbeiten."
Im Herzen ein Obernheimer
Auch wenn Josef Ungermann Tailfinger ist – im Herzen ist er Obernheimer und werde das auch nach seinem Abschied als Bürgermeister bleiben.
Ein Schock für alle sei der dramatische Herzstillstand Ungermanns im September 2021 gewesen. "Du hattest noch so viel vor und konntest es dann kaum erwarten, dein Amt wieder anzutreten", erinnerte Huber. Doch auch mit noch so viel Bemühungen habe er die gewohnte Leistungsfähigkeit nicht mehr erreicht. Nun ende ein markantes Kapitel im Leben von Josef Ungermann. Huber schloss mit den Worten: "Wir hätten uns wirklich keinen besseren Bürgermeister wünschen können." Bestätigt wurde dies durch stehende Ovationen der Besucher, von denen viele Tränen der Rührung in den Augen hatten. Das Publikum war ein wahres Gipfeltreffen von Oberbürgermeistern, Bürgermeistern, Ortsvorstehern und Gemeinde- und Ortschaftsräte aus dem Zollernalbkreis und dem Landkreis Tuttlingen.
Ein 36 Jahre alter Gedichtband
Landrat Günther-Martin Pauli nannte Ungermann Obernheims Chefdirigent und ein Beispiel für Disziplin, Leidenschaft und Schaffenskraft. Grußworte gab es außerdem vom Meßstetter Bürgermeister Frank Schroft im Namen der Verwaltungsgemeinschaft, vom Kirchengemeinderatsvorsitzenden Günther Moser, vom Zunftmeister der Hexenzunft Obernheim, Thorsten Scheurer, als Vertreter der Obernheimer Vereine sowie vom Albstädter Oberbürgermeister Klaus Konzelmann. Dieser hatte sogar ein altes Büchlein mitgebracht, das Josef Ungermann vor 36 Jahren mit eigenen Gedichten herausgebracht hatte. Drei kurze Gedichte daraus trug Konzelmann vor.
Der Herzstillstand hat alles verändert
Das Schlusswort des Abends hatte Josef Ungermann selbst – und der war sichtlich gerührt. Gemeinsam sei Vieles angepackt und erreicht worden. Doch dies alles habe jäh am 18. September 2021 geendet. Er selbst habe an den Herzstillstand keinerlei Erinnerung. Diese setzte erst wieder eine Woche später, nach sechs Tagen im künstlichen Koma, ein. Tatsächlich sei einer seiner ersten Gedanken noch auf der Intensivstation gewesen: "Wirst du die zweite Amtszeit als Bürgermeister erfüllen können?". Noch im Jahr 2021 habe seine stundenweise Wiedereingliederung begonnen, doch nach anfänglich guter Genesung sei der Fortschritt irgendwann stagniert. Die Leistungsfähigkeit habe gerade einmal bei vier Arbeitsstunden pro Tag gelegen, so Ungermann. "Es musste eine Entscheidung getroffen werden. Ein Bürgermeister kann mit weniger als der halben Kraft seine Aufgaben einfach nicht mehr erfüllen."
Im Ruhestand hat er einiges vor
Nun hofft er, dass sich die Folgeerscheinung des dramatischen Septembertags durch den Wegfall der Anspannung ein wenig abmildert. Pläne für seinen Ruhestand habe er genug: Er möchte weiterhin Posaune spielen und den Musikverein Straßberg als Dirigent begleiten. Viel Zeit werde er auch künftig für die kleine Enkelin Elsa haben. "Und vielleicht bin ich ja auch mit dem Alphorn auf dem Rücken unterwegs", sagte er zwinkernd.
Gerne stehe er auch Rat gebend den Obernheimern zur Verfügung: "Man kann mich gerne anrufen – einmischen werde ich mich aber nicht." Sein Ankerplatz sei nun die Familie – Ehefrau Heike und die beiden Söhne Felix und Lukas.
Sehr emotional verabschiedete sich Josef Ungermann von der Obernheimer Bühne mit den Worten: "Vergelt’s Gott für zwölf gelungene Jahre. Bleibt gesund und dankt jeden Tag dafür, dass Ihr gesund seid."