Die Stadt Freudenstadt stellt die finanzielle Beteiligung am Infopunkt am Stadtbahnhof ein und verabschiedet sich damit von einem Vorzeigeprojekt der Inklusion und von der Zusammenarbeit mit der Erlacher Höhe.
Freudenstadt - Der Infopunkt im Stadtbahnhof wurde 2013 eröffnet und ist für ankommende Bahnreisende eine erste Anlaufstelle, um sich über Freudenstadt und seine touristischen Angebote zu informieren. Die Mitarbeiter bieten Hilfe beim Transfer zum Hotel, Auskünfte über Bus- und Bahnverbindungen und bieten Souvenirs an. Seit 2020 werden im Infopunkt auch Fahrkarten verkauft. Es ist ein Gemeinschaftsprojekt der Stadtverwaltung Freudenstadt und des Sozialdienstleisters Dornahof & Erlacher Höhe und wurde seinerzeit geboren, um der öden Schalterhalle im Stadtbahnhof, die oft für Trinkgelage von Jugendlichen genutzt wurde, und wo es oft Ausschreitungen gab, wieder ein freundlicheres Gesicht zu geben.
Zum Sparen verdonnert
Die finanzielle Beteiligung der Stadt ist den vergangenen acht Jahren stetig gestiegen, zuletzt auf rund 55 000 Euro pro Jahr. Für eine weitere Fortführung des Projekts hatte der Diakonieverbund Dornahof & Erlacher Höhe für 2022 60 000 Euro kalkuliert. Dieser Betrag wäre bis 2025 weiter auf rund 64 600 Euro gestiegen. Da die Stadt Freudenstadt bei der Genehmigung des Haushaltsplans 2021 vom Regierungspräsidium dazu verdonnert wurde, einen Konsolidierungskurs für die städtischen Finanzen einzuschlagen und rund vier Millionen Euro einzusparen, lag dem Gemeinderat nun der Ausstieg aus der finanziellen Beteiligung am Infopunkt zur Entscheidung vor.
Eine freiwillige Aufgabe
"Wir sind dem Projekt immer positiv gegenüber gestanden", betonte Oberbürgermeister Julian Osswald. Noch im Jahr 2019 wurde das sechsjährige Bestehen der Partnerschaft in der Schalterhalle gefeiert und damit nicht mit Lob für das Projekt gespart. Von rund 300 000 Kundenkontakten in sechs Jahren war seinerzeit die Rede. Angesichts der vorhergesagten weiter steigenden finanziellen Beteiligung "tun wir uns durchaus schwer", so der OB. Die Höhe des Betrags sei für eine freiwillige Aufgabe der Stadt nicht mehr tragbar.
An falscher Stelle gespart
Obwohl der Ausstieg aus dem Infopunkt bereits in der Klausurtagung des Gemeinderats angesprochen worden war, signalisierte Stadträtin Bärbel Altendorf-Jehle von der Bürgeraktion (BA), dass sie nicht zustimmen könne. Die Stadt spare an der falschen Stelle. Der Infopunkt im Bahnhof sei enorm wichtig, auch im Hinblick auf die Gartenschau im Jahr 2025. Sie hatte auch die Befürchtung, dass nach der Schließung des Infopunkts im Stadtbahnhof wieder schlechtere Zustände Einzug halten. Stadtrat Friedrich Volpp (Freie Wähler) hatte gerechnet: "150 Euro am Tag ist mir’s wert". Die Stadt könne andere Prioritäten setzen. Am Konzept für die Gartenschau könne noch Einiges gespart werden.
Neue Überlegungen zur Gartenschau
"Könnten wir uns heute noch ein Freibad leisten?" Diese Frage stellte Stadtrat Günter Braun (SPD) in den Raum. Er konnte sich eine Beteiligung von Stadt und Erlacher Höhe zu gleichen Teilen vorstellen. "Was bei der Gartenschau geschieht, müssen wir uns noch überlegen", sagte OB Osswald. Es gehe jetzt darum, dass sich die Stadt die finanzielle Beteiligung bis 2025 nicht leisten könne. Eventuell könne zur Gartenschau ja wieder eine Zusammenarbeit mit der Erlacher Höhe aufgenommen werden.
Die Tür bleibt offen
Stadträtin Elisabeth Gebele (BA) hob hervor, dass es schwierig sei, ein gutes Projekt zu beenden. Wenn man sich Zeit gebe, die Dinge zu überdenken, könnten aber eventuell wieder Mittel fließen. Denn im Teilhabegesetz sei derzeit viel im Fluss. Sie forderte, die Tür nicht ganz zuzusperren. "Wir werden die Tür nie ganz zuschlagen", versicherte Osswald. Bei fünf Gegenstimmen und drei Enthaltungen wurde der finanzielle Ausstieg aus dem Infopunkt beschlossen. Osswald dankte abschließend dem Abteilungsleiter der Erlacher Höhe, Wolfgang Günther, für die Zusammenarbeit in den vergangenen acht Jahren. Man werde auch in Zukunft im Gespräch bleiben.
Keine Perspektive
Wolfgang Günther erklärte auf Anfrage unserer Redaktion, dass es nach dem Ausstieg der Stadt keine Perspektive für den Infopunkt gebe. In den ersten drei Jahren sei für das Projekt noch Geld aus der Paul-Lechler-Stiftung geflossen. Momentan trage die Stadt 65 Prozent der Betriebskosten. "Wenn zwei Drittel fehlen, kollabiert das Projekt", so Günther. Falls die Erlacher Höhe eine andere Option sehen würde, hätte sie sich eine andere Finanzierung "gebaut". Im Moment sei eine solche Option aber nicht in Sicht.