Das „Hope Hostel“ in Kigali, der Hauptstadt von Ruanda. Foto: dpa/Atulinda Allan

Seit fast zwei Jahren steht das „Hope Hostel“ in Ruanda für Asylsuchende bereit. Nun werden die ersten erwartet, die aus Großbritannien abgeschoben werden sollen. Der Manager inszeniert sein Hotel als Ort des „Trostes“ – doch daran gibt es Zweifel.

Direkt am Eingang des „Hope Hostels“ hängt ein großes Plakat. Adressiert an die bald zu erwartenden Besucher steht darauf: „Komme als Gast an, breche als Freund wieder auf.“ Mit diesen Zeilen werden in wenigen Wochen voraussichtlich die ersten Asylbewerber begrüßt, die im Rahmen eines umstrittenen Abkommens mit Großbritannien nach Ruanda abgeschoben werden sollen.

 

Die Farbe auf dem Plakat verblasst schon ein wenig. Seit zwei Jahren ist das Gasthaus, das im Namen Hoffnung („hope“) trägt, an einer belebten Straße der Hauptstadt Kigali für den Publikumsverkehr geschlossen. Damals sollten die ersten Abschiebungen nach Ruanda erfolgen, mehrere Gerichte verhinderten das zunächst wegen Zweifeln an dem Asylverfahren in Ruanda. Erst jetzt im April verabschiedete das britische Parlament ein Gesetz, das die Abschiebung von Asylsuchenden in das ostafrikanische Land deutlich erleichtert.

Seitdem kommt trotz eingereichter Klagen von Menschenrechtsorganisationen Bewegung in die Sache. In Großbritannien kam es zu den ersten Verhaftungen von Ausreisepflichtigen, viele flüchteten in benachbarte EU-Länder. Selbst bei einem erfolgreichen Antrag würde sich lediglich ein Bleiberecht für Ruanda ergeben – eine Rückkehr nach Großbritannien ist ausgeschlossen.

Auf der Insel macht man keinen Hehl daraus, dass es um Abschreckung geht. Am Montag zitierte der Fernsehsender Sky News aus Regierungsdokumenten, denen zufolge London zwischenzeitlich sogar den Irak für ein Modell im Stile des Ruanda-Abkommens erwägt habe – ein Land, für das es eine offizielle Reisewarnung ausgesprochen hat.

Insgesamt wurden Kapazitäten für rund 5000 Asylbewerber geschaffen

Davon sah man letztlich ab, setzte aber den Deal mit Ruanda umso entschlossener durch. Mehrere Hotels sind dort entsprechend hergerichtet, insgesamt wurden Kapazitäten für rund 5000 Asylbewerber geschaffen, auch wenn Ruanda zumindest offiziell keine Obergrenze für Aufnahmen zugesagt hat. Vor einigen Tagen gab es bereits einen Asylsuchenden, der nach Kigali geflogen wurde – allerdings im Rahmen eines Freiwilligenprogrammes und nicht auf Grundlage des neuen Gesetzes. Wo er in Kigali wohnt, gab die Regierung von Paul Kagame bisher nicht bekannt.

Im derzeit noch leeren „Hope Hostel“ sieht man die Angelegenheit derweil ganz im Stile Kagames technokratisch, es laufen letzte Vorbereitungen in dem in einem gehobenen Stadtviertel gelegenen Gebäude. Organisiert werden sie von Ismael Bakina, der im eleganten Anzug zum Rundgang bittet – nach einer Sicherheitskontrolle wohlgemerkt. Dem Manager stehen 40 Mitarbeiter zur Verfügung, von denen er gerade einige zum Unkrautzupfen abgestellt hat.

„Wir rechnen in rund sechs Wochen mit den ersten Ankünften“, sagt Bakina, „wir werden dafür sorgen, dass sie dann Trost und Sicherheit vorfinden.“ Das „Hope Hostel“ will seinem Namen gerecht werden. Einst waren darin Überlebende des Genozids im Jahr 1994 beherbergt. Nun gibt es neue Gebetsräume, Bakina rechnet mit vielen muslimischen Gästen. In den 50 Zimmern liegen neben schwarz-weißer Bettwäsche Gebetsteppiche bereit, im Restaurant hängt ein Schild mit der Aufschrift „Halal“ – inklusive arabischer Übersetzung. So sollen die Neuankömmlinge wissen, dass die Speisen nach islamischem Glauben erlaubt sind.

Auf dem Weg zu einem Sportfeld, auf dem Fußball, Volleyball und Basketball gespielt werden kann, deutet Bakina auf ein großes weißes Veranstaltungszelt. Er erklärt, dass es als Treffpunkt für verschiedene Mitarbeiter und Übersetzer dienen wird, die alle bereit seien, bei der effizienten Bearbeitung der „Einwanderer“ behilflich zu sein.

Großbritannien überwies bisher 290 Millionen Pfund

Ruanda weiß, dass die Umsetzung des Projektes weltweit mit Argusaugen beobachtet werden wird. Auch wegen der enormen Summen, die geflossen sind. Großbritannien überwies bisher 290 Millionen Pfund (337 Millionen Euro), innerhalb der nächsten drei Jahre könnten es nach Angaben des britischen Rechnungshofes bis zu 210 Millionen Pfund (244 Millionen Euro) hinzukommen.

Doch aus Sicht von Gonzaga Muganwa, politischer Analyst und ehemaliger Exekutivsekretär des Journalistenverbands Rwanda Journalists Association, verfolgt Ruanda auch strategische Ziele. „Das Hauptaugenmerk liegt auf der Aufrechterhaltung enger diplomatischer Beziehungen zu Politikern in England“, sagt er. „Diese Beziehungen gehen oft mit diplomatischer Unterstützung einher. Wenn man etwa einflussreiche Verbündete hat, verringert sich die Wahrscheinlichkeit, mit Sanktionen konfrontiert zu werden, beispielsweise im Zusammenhang mit dem Kongo.“ Das riesige Nachbarland wirft Ruanda vor, im Ostkongo die Rebellenbewegung M23 zu unterstützen und fordert internationale Sanktionen. Das trotz seiner überschaubaren Größe (knapp 14 Millionen Einwohner) in der Region äußerst einflussreiche Ruanda versucht derartigen Vorwürfen das Narrativ eines Zufluchtsortes entgegenzustellen. Tatsächlich leben bereits 127 000 Flüchtlinge in Ruanda.

Doch nur wenige Bürger rechnen damit, dass die aus Großbritannien ausgewiesenen Asylsuchenden lange bleiben werden, selbst bei einer Anerkennung ihrer Anträge. Zu den vielen Zweifelnden gehört etwa der Taxifahrer Abdul Latif Mupenzi. Er begrüßt die Willkommenskultur seines Landes, verweist aber auf die hohe Arbeitslosenquote – schon allein dies werde die Integration behindern. „In Ruanda seinen Lebensunterhalt zu verdienen ist hart, sehr hart“, sagt er – zumal, wenn es an den nötigen Sprachkenntnissen fehle.

Vielleicht, so sagt der Fahrer, sei es für diejenigen, die aus friedlichen Ländern kommen würden, dann doch das Beste, nach Hause zurückzukehren.