Nipul Patel (rechts) mit seinem Arbeitgeber Stefan Ganzmann. Foto: Bürsten Frank

Viele Schönauer stehen hinter Nipul Patel, dem die Abschiebung droht. Auch, ob seine Familie bleiben kann, ist unsicher. Der letzte Kampf gegen die Behörden läuft.

Es ist der letzte Strohhalm, an den sie sich klammern. Der letzte Funken Hoffnung. Gegen die drohende Abschiebung von Nipul Patel (wir berichteten), der mit seiner Familie in Schönau lebt, wurde vergangene Woche der Härtefallantrag eingereicht. Mitgeschickt wurden 500 Unterschriften von Schönauern, die bestätigen, dass Patel und seine Familie bestens integriert sind, und dass die Schönauer hinter ihnen stehen.

 

„Wir wollten zeigen, dass sie dazugehören, deswegen haben wir eine echte Unterschriftenaktion gestartet und keine Online-Petition“, erklärt Initiatorin Katharina Hackner im Gespräch mit unserer Redaktion. Sie ist die Frau von Patels Chef Stefan Ganzmann, der sich bereits stark für den Mitarbeiter engagiert hat. Auch wenn der Antrag schon verschickt wurde: „Wir sammeln weiter bis zum 17. Oktober, und es kommen noch viele weitere Unterschriften hinzu“, ist sich Hackner sicher.

„Eines der besten Beispiele für Integration

Zur Vorgeschichte: Der 44-jährige Nipul Patel aus Indien lebt seit zehn Jahren in Schönau, arbeitet bei der Firma Frank Bürsten als Maschinen- und Anlagenführer in Vollzeit. Auch die Familie sei vorbildlich integriert: Die Tochter hat Abitur gemacht, die Mutter arbeitet als Kosmetikerin im „Marrakesch“ in Schönau, der Sohn besucht die Schule. „Sie sind eines der besten Beispiele für Integration – sie gehören wirklich zu Schönau“, betont auch Carolina Bruck-Santos, die als Integrationsmanagerin der Caritas die Familie seit ihrer Einreise kennt. Damals kamen sie in der Gemeinschaftsunterkunft unter.

Der entscheidende Fehler vor zehn Jahren

Doch genau diese Einreise geschah eben mit gefälschten Papieren. Und dies gab Patel – von seinem Gewissen geplagt – im Frühjahr diesen Jahres bei den Behörden zu. Patel hatte in seiner Heimat bei Mercedes gearbeitet, 2014 nach einer neuen Stelle gesucht. Mit einem Touristen-Visum kam die Familie nach Deutschland, der Asylantrag wurde dann mit falschen Geburtsdaten gestellt. „Damit sie nicht mehr ausgewiesen werden können“, erklärt Hackner. In Indien hätten Geburtsdaten ohnehin nicht so eine große Bedeutung. Mit der Entscheidung, hier wirklich Fuß fassen zu wollen, hätte er die Fälschung zugegeben. Denn:„Er wollte seine Zukunft nicht auf einem Lügenkonstrukt aufbauen.“

„Die Ehrlichkeit ging nach hinten los“, sagt Bruck-Santos. Die Folge: Die Ausländerbehörde des Landratsamts entzog Patel die Aufenthaltsgenehmigung. Es droht nun die Abschiebung.

Der letzte Weg diese abzuwenden, ist der Härtefallantrag. Die Kommission müsse abwägen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit und des Einzelnen, erläutert Hackner. Klar, gehöre dazu auch die Identitätsverschleierung 2014. Positiv könne der Blick auf die Allgemeinheit gerichtet werden, auf den Arbeitgeber, der sagt, er brauche ihn. Auf den Kollegen, der ihn als Mitarbeiter schätze...

Die Kommission gibt ihre Empfehlung weiter – am Ende entscheidet das Justizministerium in Stuttgart. Doch bis dahin könnten noch Monate verstreichen, sagt Hackner. Der Antrag ist der letzte Weg. Entscheidet die Behörde die Abschiebung, müsse Patel für drei Jahre ausreisen und könne erst danach einen neuen Antrag stellen.

Unklar, ob Familie bleiben kann

Aktuell gehe es nur um die Abschiebung des Familienvaters. Doch erst kürzlich erhielt auch die nun volljährige Tochter einen Brief, dass sie sich erklären müsse. Sie hätten bereits neue Pässe bei der Indischen Botschaft beantragt. „Das zieht sich aber“, sagt Hackner. Kürzlich war die Familie auch in München beim Konsulat, die Pässe würden wohl bald ausgestellt, hieß es dort. Die Aufenthaltstitel der Familie blieben also weiter schwebend.

So viel sei aber schon entschieden: Müsse der Vater ausreisen, wird die Familie getrennt. Denn im Sinne der Zukunft der Kinder würde die Mutter mit diesen hier bleiben. „Das wäre eine Katastrophe für die Familie“, sagt Hackner.

„Wir können gar nicht abschätzen wie die Chancen stehen – ob mit der „Tat“ jegliches Recht verwirkt ist oder, ob mehr gesehen wird, wie die Familie seither unbescholten und sehr gut integriert hier lebt“, sagt Hackner. „Wir hoffen, dass die Kommission auf den Status quo schaut.“ Und: „Wir hoffen, dass sich unserer Kampf lohnt.“

Unterstützung aus der Politik

Jeder hier habe das Gefühl, diese Familie sei „wunderbar integriert“, sagt Hackner. Und: „Das darf doch jetzt nicht sein.“ Unterstützung bekommt die Familie auch von der Politik. Neun von zwölf Gemeinderäten haben ihre Unterschrift gegeben, zwei von ihnen haben zudem ein Schreiben formuliert, und auch der Bürgermeister unterstützt die Aktion.

Auch Bruck-Santos betont, wie „sehr eng verbunden“ sie mit der Familie ist und wie gut diese integriert sei. Die Mutter war drei Jahre bei ihr für die Betreuung der Kinder angestellt. Ihre eigenen Kinder waren selbst oft für ganze Wochenenden bei den „Patels“.

„Die Familie soll hier bleiben, weil sie zu uns gehört, hier ihr Leben aufgebaut hat, die Kinder hier aufgewachsen sind“, sagt Bruck-Santos.

Verärgert über Landratsamt

Enttäuscht zeigt sie sich vom Landratsamt. Dieses gibt auf Nachfrage an, dass die Ausländerbehörde des Landratsamts bereits die Rücknahme von Aufenthaltserlaubnissen verfügt hat, weil diese - was sich erst im Nachhinein herausstellte - von den Betroffenen durch Falschangaben erlangt wurde. Dies ist also kein ungewöhnliches Verfahren.  Die Patels hätten diesem Entzug der Aufenthaltserlaubnis widersprochen. „Man kennt sich doch und wir haben versucht in persönlichen Gesprächen uns für die Familie einzusetzen – aber es wurde überhaupt nicht reagiert, das ist sehr enttäuschend“, sagt Integrationsmanagerin Bruck-Santos. „Das hätte alles nicht so weit kommen müssen.“