Die Laufzeitverlängerung für die drei noch am Netz verbliebenen Meiler neigt sich dem Ende zu. Nun führt kein Weg mehr am Ausstieg vorbei. Antworten auf wichtige Fragen zu dem historischen Ereignis.
Der 15. April ist ein Tag für die deutschen Geschichtsbücher. Warum? Und was das mit Atomkraftwerken zu tun, erklären wir Ihnen.
Wann werden die letzten drei verbliebenen AKWs abgeschaltet?
An diesem Samstag werden in Deutschland die letzten Atomkraftwerke abgeschaltet. Nach dem Aus für Brokdorf, Grohnde und Gundremmingen C Ende 2021 sind in Deutschland noch drei Atommeiler in Betrieb: Isar 2 (KKI 2) in Bayern, Emsland (KKE) in Niedersachsen und Neckarwestheim 2 (GKN 2) in Baden-Württemberg. Am 15. April aber ist auch für diese drei Meiler endgültig Schluss. Die drei AKWs gehen endgültig vom Netz gehen.
Was versteht man unter einem Streckbetrieb?
Nach dem geltenden Atomgesetz müssten die verbliebenen deutschen Meiler in Neckarwestheim (Kreis Heilbronn), Isar 2 in Bayern und Emsland in Niedersachsen nach dem 31. Dezember 2022 vom Netz gehen.
Für den sogenannten Streckbetrieb – also die Weiternutzung der aktuellen Brennstäbe – brauchte es eine Gesetzesnovelle im Bundestag. Hintergrund für den Streckbetrieb sind die abgebrannten Brennstäbe, die wegen der absehbaren Stilllegung nicht mehr erneuert wurden.
Kritiker der Kernkraft warnten wegen der mehr als 30 Jahre alten Reaktoren deshalb vor unkalkulierbaren Sicherheitsrisiken bei nur sehr geringen Energieerträgen.
Was passiert am letzten Tag in der Anlage und wie geht es danach weiter?
Laut den zuständigen Werksleitern läuft das Abschalten wie bisher bei den regelmäßigen Revisionen. Bereits im Vorfeld wurde die Leistung der Meiler stetig gesenkt. Konkret seit 25. Dezember 2022 zunächst um durchschnittlich 0,3 Prozent pro Tag, seit 2. April um etwa 1 Prozent pro Tag. Am 15. April soll ab 22 Uhr die Leistung pro Minute um 10 Megawatt gesenkt werden. Nach der Netztrennung wird der Reaktor heruntergefahren.
Wird am letzten Tag die gesamte Mannschaft anwesend sein?
Die reguläre Schichtmannschaft besteht aus 15 Personen. Für die Abschaltung wird sie von zusätzlich etwa 20 Kollegen verstärkt.
Was passiert direkt nach dem Abschalten?
Dann wird der Reaktor „kaltgefahren“. Die durchschnittliche Betriebstemperatur im Primärkreis beträgt den Angaben nach aktuell 280 Grad Celsius. Beim „Kaltfahren“ wird die Temperatur in der Anlage innerhalb von etwa zwölf Stunden auf Umgebungstemperatur gesenkt. Etwa neun Stunden nach der Abschaltung wird über dem Kühlturm fast kein Dampf mehr zu sehen sein.
Wie geht es danach weiter?
Bis die Rückbau-Genehmigung vorliegt, werden nach Angaben der Betreiber Preussen-Elektra, EnBW und RWE routinemäßige Wartungsarbeiten und wiederkehrende Prüfungen durchgeführt. Der Reaktordruckbehälter wird entladen (also die Brennelemente in das Abklingbecken gestellt) sowie eine chemische Reinigung des Primärkreises durchgeführt.
Könnte die Anlage nach Abschalten doch wieder gestartet werden?
Klar ist: Sobald der Rückbau konkret begonnen habe, werde kein Zurück mehr möglich sein.
Könnte es zu Stromengpässen kommen?
Nach Aussage von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck ist die Stromversorgung in Deutschland auch ohne die 3 AKWs gesichert. „Die Energieversorgungssicherheit in Deutschland wurde in diesem schwierigen Winter gewährleistet und wird auch weiter gewährleistet sein.“
Das deutsche Energiesystem werde sich anders aufbauen: „Wir werden bis 2030 zu 80 Prozent erneuerbare Energien haben.“
Wird Strom teurer?
Es ist wahrscheinlich, dass der Stromverbrauch in Deutschland in den kommenden Jahren deutlich ansteigen wird. Auch die Preise könnten angesichts von Angebot und Nachfrage weiter anziehen. Zumal mit dem Abschalten der drei AKWs mehr als 30 Milliarden Kilowattstunden weniger produziert werden.
Wo fließt der Strom hin?
Im Verkehrsbereich sollen Millionen von E-Autos dazu beitragen, dass Klimaziele erreicht werden, in Gebäuden sollen Millionen Wärmepumpen eingebaut werden.
Dieser schnelle Anstieg neuer Verbraucher aber stellt die Stromnetze vor große Herausforderungen, wie es in einer Stellungnahme der Deutschen Energie-Agentur an die Bundesnetzagentur heißt. Insbesondere die Niederspannungsnetze seien in der Regel nicht auf Lastspitzen ausgelegt, die bei einem gleichzeitigen Strombezug dieser neuen Verbraucher auftreten könnten.
Ein Netzausbau tut not, doch der dauert, kostet viel Geld und braucht viele Fachkräfte, die im Moment rar sind.
Info: AKWs in Deutschland
Wann beginnt der Rückbau?
Die Betreiber rechnen damit, dass in den kommenden Monaten die Rückbau-Genehmigung erteilt werden wird. Anfang 2024 könnte dann der Rückbau von Isar 2, Emsland und Neckarwestheim 2 beginnen. Der Meiler Isar 1 befindet sich seit 2017 im Rückbau. Bis 2040 soll von den AKW nichts mehr zu sehen sein.