Kampagne der Grünen: Mit Humor Sympathie-Effekte erzielen Foto: Grüne

Die Schlacht um den Wähler ist geschlagen. Jeder hat dabei andere Schwerpunkte gesetzt. Michael Conz (FDP) hat viel plakatiert – und keinen Erfolg gehabt. Christian Walter von der Studentischen Liste setzte dagegen fast nur auf Facebook und sitzt nun im Gemeinderat. Ein Zukunftsmodell?

Die Schlacht um den Wähler ist geschlagen. Jeder hat dabei andere Schwerpunkte gesetzt. Michael Conz (FDP) hat viel plakatiert – und keinen Erfolg gehabt. Christian Walter von der Studentischen Liste setzte dagegen fast nur auf Facebook und sitzt nun im Gemeinderat. Ein Zukunftsmodell?

Stuttgart - Nach der Wahl ist vor der Wahl. Sieger und Verlierer vereint nun die Frage: Welche Mittel im Wahlkampf waren besonders wirksam? Plakate, Flugblätter, Zeitungsanzeigen oder doch der persönliche Kontakt am Stand auf dem Marktplatz? Andere wiederum, wie etwa Christian Walter von der Studentischen Liste, verließen die klassischen Pfade ganz. Der 23-jährige Student setzte fast ausschließlich auf die Kommunikationsplattform der soziale Medien (Facebook, Twitter): „Wir haben uns aus zwei Gründen bewusst gegen Plakate entschieden. Zum einen hatten wir kein Geld für den Wahlkampf, wir sind schließlich alles Studenten, und Geldgeber von außen hatten wir auch keine. Außerdem finden wir Plakate blöd: Sie sind nicht ökologisch und ohne Inhalt. Stattdessen haben wir Kreideaktionen gemacht, waren auf Facebook präsent und haben Menschen persönlich angesprochen.“

Die Ergebnisse der Gemeinderatswahl in Stuttgart.

Zauberwort Facebook. Fast alle Kandidaten haben im Wahlkampf aktuelle Themen über ihre Pinnwand des sozialen Netzwerks kommuniziert. Meistens allerdings ohne große Strategie und zu hohe Erwartungen. „Ich sehe Facebook nur als Ergänzung, da man nur einen Teil der Menschen erreicht“, sagt Peter Pätzold (Grüne). Gleicher Ansicht ist Hans-Hermann Pfeifer (SPD): „Man macht’s, aber weiß nicht, was es tatsächlich bringt.“

Auch diese Aussage könnte man fast allen Kommunalpolitikern zuordnen. Kaum einer weiß, wie welche Medien beim Wähler wahrgenommen werden. Pfeifer glaubt, „man darf das Plakatieren nicht überbewerten“, und schätzt die Wirksamkeit der Flugblätter hoch ein.

Die FDP schwört dagegen auf das gute alte Plakat, das den Kandidaten zeigt. Fraktionschef Bernd Klingler, auch ein Freund von Facebook-Wahlkampf und einem Gesamt-Wahlkampf-Etat von 10 000 Euro, hat 800 Plakate zum Preis von 1,75 Euro in der Stadt aufhängen lassen. Damit ist er jedoch nicht Spitzenreiter seiner Partei. Michael Conz pflasterte 1100 Plakate an den Straßenrand. Doch das Ergebnis war für Conz ernüchternd. Er landete in der FDP auf Platz fünf. Etwa 400 Stimmen fehlten ihm zum Einzug in den Gemeinderat. Conz ist daher ein wenig ratlos. Was hat er falsch gemacht? Hätte er noch stärker auf einen Facebook-Wahlkampf setzen sollen?

Die Ergebnisse der Europawahl in Stuttgart.

Auf keinen Fall, meint Professor Frank Brettschneider: „Die Wirkung von Social Media darf nicht überschätzt, aber auch nicht unterschätzt werden.“ Der Kommunikationswissenschaftler der Uni Hohenheim weiß, wovon er spricht. Er hat durch eine repräsentative Umfrage konkrete Zahlen über die Wirkung der jeweiligen Wahlkampfmittel. Danach werden 75 Prozent der Wähler am stärksten vom Plakat angesprochen. 60 Prozent lassen sich über ein Flugblatt oder eine Broschüre erreichen, auf 35 Prozent wirkt die Zeitungsanzeige. Nur 16 Prozent informieren sich über Facebook oder Twitter, 13 Prozent nutzen das Internet oder Newsletter zur Meinungsbildung.

Alleine mit diesen Zahlen können die Parteien für den kommenden Wahlkampf wenig anfangen. Das Beispiel Conz zeigt: Alleine die Stückzahl der Plakate, ohne profilierte Botschaft („Mittelstand stärken“) bringt nichts. „Die meisten Plakate waren schlecht“, sagt Brettschneider. Es reiche nicht, nur Personen zu zeigen. Man müsse die Personen und die Partei mit Themen und Inhalten verknüpfen. „Reine Kopfplakate sind rausgeschmissenes Geld, aber man braucht Plakate, weil man mit ihnen die größte Aufmerksamkeit erzielt“, sagt Brettschneider und würdigt nur die Kampagne der Grünen. Dieses Lob geht direkt an Fred Feuerbacher, einer der kreativen Köpfe der Agentur Werbung etc. „Ohne Plakate geht’s nicht. Aber unsere Kampagne war tatsächlich themengetrieben“, sagt er, „zudem haben wir versucht, mit Humor Sympathieeffekte zu erzielen.“ Gemeint ist das Plakat mit der Amsel und dem dazugehörenden Slogan „Auch Schwarze wählen grün“.

Nach den Erfahrungen aus diesem Wahlkampf und den Analysen von Professor Brettschneider können manche Parteien nur zu einem Schluss kommen: Es müssen Köpfe rollen. Natürlich nur auf den Plakaten.