Rupert Stadler führt Audi seit fast zehn Jahren. Doch immer neue Hiobsbotschaften schaden dem einstmals guten Ruf. Foto: dpa

Die VW-Tochter Audi schlittert immer tiefer in den VW-Abgasskandal hinein. Nun sorgen neue Berichte über womöglich illegale Software-Funktionen bei den Schadstoffmessungen für Aufregung. Audi-Chef Rupert Stadler spielt jedoch weiter mit verdeckten Karten.

Stuttgart - Die Krisenmeldungen bei Audi häufen sich. Wann werden sie für Vorstandschef Rupert Stadler gefährlich? Meldungen, wonach VW-Aufsichtsräte über mögliche Nachfolger wie Opel-Chef Karl-Thomas Neumann und den früheren Skoda-Chef Winfried Vahland redeten, tut ein Eingeweihter zwar als „nichts Neues“ ab. Derlei Debatten gebe es ständig. Dennoch gilt der 53-jährige Bayer als angezählt.

Fast täglich gibt es derzeit weitere Enthüllungen, wonach auch Audi bei den Abgaswerten manipuliert hat. Der neueste Sprengstoff wird in einem zehnseitigen Papier der VW-Rechtsabteilung erläutert, die bisher weniger beachtete Schummeleien juristisch bewertet. Es geht um Warmlaufprogramme bei der Abgasreinigung von Motoren. Audi hat bereits vor etlichen Jahren ein Programm entwickelt, das den Ausstoß klimaschädlichem Kohlendioxid (CO2) auf dem Rollenprüfstand verringert.

Tricks im gesetzlichen Graubereich

Die Software wird aktiviert, weil der Katalysator auf der Rolle wegen der Reinigungswirkung beim Schadstoffausstoß schnell auf hohe Temperatur gebracht werden muss. Die in der sogenannten dritten Stufe erreichten Messwerte werden im Alltagsbetrieb aber kaum erreicht, sodass es sich um eine Vorspiegelung falscher CO2-Werte handelt. Vor einer Woche hatte die „Bild am Sonntag“ über entsprechende Erkenntnisse der kalifornischen Umweltbehörde Carb berichtet. Einen Tag vor der Veröffentlichung hatte Audi dem Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) noch rasch den Sachverhalt erläutert.

Die Botschaft von Audi lautet nun, dass die Bestimmungen in Europa bei den Warmlaufprogrammen für Diesel- und Benzinerfahrzeuge eingehalten würden, weil hier zwischen Prüfstand und Straße nicht unterschieden werde, heißt es in Medienberichten. Es gebe also keine geschönten CO2-Werte. Das KBA sehe dies ebenso.

Die Amerikaner waren bisher eher auf das gesundheitsschädliche Stickoxid (NOx) fokussiert als auf Kohlendioxid. Dort erregt nun Argwohn, dass die Aufwärmsoftware bei Dieselautos mit Automatikschaltung auf dem Prüfstand in beiden Bereichen zu künstlich niedrigen Werten führt. Dass ein Auto den Test auf der Rolle mangels Lenkwirkung erkennt, ist längstens bekannt. Dennoch muss nun geklärt werden, ob unzulässig geschummelt wurde.

Die Amerikaner lassen sich nicht abschütteln

Nun prüft die US-Umweltbehörde EPA die womöglich illegale Software-Funktion und will hochrangige VW-Techniker befragen. Zudem muss Stadler erneut vor der US-Kanzlei Jones Day aussagen, die die Affäre im Auftrag der Aufsichtsräte des Konzerns und des US-Justizministeriums zu erhellen versucht. Schon Mitte September stand er Rede und Antwort, konnte vorerst aber Zweifel an seiner Person ausräumen.

Doch die Amerikaner lassen sich nicht abschütteln. Seinen Kurs des Beschwichtigens und das Spiel mit den verdeckten Karten wird er daher kaum beihalten können – auch intern nicht, etwa gegenüber der Arbeitnehmerseite. Es gibt zwar eine Arbeitsgruppe des Audi-Aufsichtsrates, die ständig auf dem Laufenden gehalten werden soll. Von der nötigen Offenheit ist dem Vernehmen nach jedoch wenig zu erkennen – gerade bei den aktuellen Vorgängen nicht. Man fühlt sich hintergangen.

Weil es bei Audi lange Zeit nur aufwärts ging, schien Stadler völlig unumstritten. Er hatte den Rückhalt des Betriebsrats, wenngleich nicht jeder von seinen Fähigkeiten überzeugt ist, die Marke in die Zukunft zu führen. Er sei kein klassischer Automann und eher von Gnaden Ferdinand Piëchs und Martin Winterkorns auf den Chefposten gekommen, heißt es. Stadler hatte das Spitzenamt im Januar 2007 von Winterkorn übernommen. Pikanterie am Rande: Der nun als Nachfolger gehandelte Karl-Thomas Neumann sei 2013 von Piëch und Winterkorn bei VW „rausgeekelt“ worden, weil er begabt sei und daher als Gefahr betrachtet worden sei, moniert ein Kritiker.

Den falschen Leuten vertraut

Dann kam die Abgaskrise – und lange konnte Stadler im Schatten der VW-Skandalgeschichten behaupten, Audi habe sich nichts zu Schulden kommen lassen. „Er hat zumindest keine glückliche Hand in der Bewältigung dieser Krise“, heißt es. Und er habe viel zu sehr den falschen technischen Experten vertraut, die nachweislich getrickst und die Unwahrheit gesagt haben. Dem früheren Entwicklungschef Ulrich Hackenberg zum Beispiel, der im September 2015 gehen musste. Oder dem Nachfolger des Technikvorstands, Stefan Knirsch, der im vorigen September gefeuert wurde, weil Jones Day anhand von E-Mails aufgedeckt hatte, dass er falsche Angaben gemacht hatte. Beiden drohen wegen der Beteiligung an den Abgas-Betrügereien womöglich Regressforderungen durch Audi.

War Stadler zu leichtgläubig oder wurde mit seinem Wissen manipuliert? Das ist herauszufinden. In jedem Fall stellt sich am Ende die Frage nach der Verantwortung, die ein Vorstandschef übernehmen muss.