In den Kindertagesstätten Stuttgarts geht es enger zu als hier: 90 Kinder brauchen bis zum Jahreswechsel dringend einen Platz. Foto: dpa-Zentralbild

Der Rechtsanspruch für die Betreuung kleiner Kinder wurde bisher nur von wenigen Eltern eingeklagt. Beim Stuttgarter Verwaltungsgericht waren bisher nur vier Fälle anhängig. Allerdings haben zahlreiche Eltern Ansprüche bei der Stadt angemeldet.

Stuttgart - 90 Väter und Mütter haben bei der Stadt ihren Betreuungsanspruch in einer Kindertagesstätte für ihre Kinder im Alter zwischen ein und drei Jahren geltend gemacht. „Für 30 Kinder wurde ab 1. August ein Platz gesucht, 40 Kinder brauchen bis Ende des Jahres und 20 Kinder vom 1. Januar 2014 an einen Platz“, so Heinrich Korn, der stellvertretende Leiter des Stuttgarter Jugendamts. Er sagt: „Wir hatten mit Hunderten gerechnet.“

Ob alle Anwärter auf einen Kita-Platz tatsächlich den Klageweg beschreiten, ist noch offen. Der Ablauf des Verwaltungsvorgangs hingegen ist festgelegt: Gehen Kinder bei der Platzvergabe leer aus, müssen die Eltern Widerspruch einlegen und können, wenn die Stadt einen Widerspruchsbescheid geschickt hat, beim Verwaltungsgericht Klage einreichen. Das dauert unter Umständen zwischen drei und sechs Monate.

Ein Platz für ihr Kleinkind ist den Eltern jedoch nicht einmal mit einer erfolgreichen Klage vor Gericht sicher: „Der Bedarf ist immer noch höher als das Angebot“, sagt Korn mit Hinweis auf die Wartelisten aus dem vergangenen Herbst. Neue Zahlen über die Länge der Wartelisten, bereinigt um die Mehrfachbewerbungen, würden am 30. September im Jugendhilfeausschuss des Gemeinderats präsentiert. Beim letzten Abgleich der Wartelisten im Jahr 2012 fehlten 4900 Betreuungsmöglichkeiten für Kinder zwischen null und drei Jahren. Der Großteil, 3600 von ihnen, waren zwischen zwei und drei Jahre alt und hatten damit einen Rechtsanspruch.

Klage gegen die Stadt wegen Untätigkeit

Beim Verwaltungsgericht in Stuttgart sind bisher trotzdem nur vier Fälle eingegangen, „zwei Klagen und zwei Eilanträge“, sagt Pressesprecherin Kerstin Wilke. Eine Klage sei inzwischen zurückgezogen worden, „vermutlich, weil für das Kind doch noch ein Platz gefunden wurde“, so Kerstin Wilke. Zwei Eilanträge gegen die Landeshauptstadt hat das Gericht abgelehnt.

Die jüngste Ablehnung stammt vom 22. August: Die Eltern, so heißt es in der Begründung, hätten keine Dringlichkeit glaubhaft machen können. Ihre zweijährige Tochter hatte bereits einen Platz in einer privaten Kindertagesstätte, allerdings keinen Vollzeitplatz. Weil die Mutter des Mädchens wegen der Geburt eines zweiten Kindes in Elternzeit sei, spreche vieles dafür, dass kein gesteigerter individueller Betreuungsbedarf bestehe. Einen solchen erkennt das Gericht vor allem dann, wenn Eltern in Ausbildung, auf Arbeitssuche oder voll erwerbstätig sind.

Ein weiterer Eilantrag ist bereits am 6. August vom Verwaltungsgericht abgelehnt worden. Da für das Kind erst von November 2013 an ein Platz gesucht wird, sei es zumutbar, die Entscheidung der Stadt abzuwarten. Das Jugendamt hat über den Antrag der Eltern noch nicht entschieden.

Das Gericht hat derzeit also nur noch über eine Klage zu befinden. Diese reichte ein Vater Ende Juli ein – er führt damit Klage gegen die Stadt wegen Untätigkeit. „Wir haben drei Kinder in unserer Familie, zwei davon haben wir im Januar für einen Ganztagskindergartenplatz in einem städtischen Kindergarten angemeldet“, schildert Bertram Wohlfahrt sein Vorgehen. Ende April habe die Stadt einen ablehnenden Bescheid geschickt – „allerdings ging aus dem Anschreiben nicht hervor, welches Kind keinen Kita-Platz bekommen sollte“. Gegen diese Ablehnung legte die Familie Widerspruch bei der Stadt ein, erhielt darauf allerdings keinen Bescheid von der Stadt. Wohlfahrt reichte deshalb beim Verwaltungsgericht eine Untätigkeitsklage ein.

„Prinzipiell ist eine Beihilfe möglich, wenn Eltern der höhere Preis nicht zumutbar ist“

Für seinen Benjamin, den einjährigen Sohn, habe die Stadt inzwischen einen Platz in einer privaten Kindertagesstätte angeboten. Kostenpunkt: 470 Euro pro Monat. „Ich kann zwar bei der Stadt einen Antrag auf Kostenübernahme stellen, doch der Ausgang ist ungewiss“, sagt Wohlfahrt.

„Prinzipiell“, sagt Heinrich Korn, „ist eine Beihilfe möglich, wenn Eltern der höhere Preis nicht zumutbar ist.“ Wer diese Entscheidung nicht der Stadt überlassen will, muss zuletzt doch den Klageweg beschreiten, zuerst seinen Rechtsanspruch einklagen und bei Erfolg den Schadenersatz. Wohlfahrt: „Aber das ist eine langwierige Sache und das Prozesskostenrisiko hoch.“ Und eine solche Klage löse das eigentliche Problem nicht: dass arbeitende Eltern keine Planungssicherheit haben.

Wer sein Kind in städtischen Kitas anmeldet, unterzeichnet sein Einverständnis mit dem Vergabeverfahren. Demnach werden Kinder, deren Wohl gefährdet ist, bevorzugt aufgenommen. Auf Rangliste zwei stehen Kinder zwischen einem und drei Jahren, deren Eltern alleinerziehend sind und arbeiten, auf Rangliste drei schließlich Ein- bis Dreijährige, deren Eltern beide arbeiten, wobei Geschwisterkinder Vorrang haben. Mit diesen Vergabekriterien wird die Stadt auch vorm Verwaltungsgericht argumentieren, wenn Eltern klagen. Das Gericht könnte dann das Vergabeverfahren kritisieren, aber auf diesen Prozess lässt es die Stadt nun erst mal ankommen.