Insgesamt 11.600 Lehrerstellen will die grün-rote Landes­regierung bis zum Jahr 2020 abbauen. Foto: dpa

Grün-Rot stehe nicht für Bildungs­aufbruch, sondern Bildungsabbruch, so CDU und FDP im Landtag.

Stuttgart - Für FDP und CDU ist es ein gefundenes Fressen: Zu Oppositionszeiten haben SPD und Grüne in unzähligen Landtagsdebatten den Unterrichtsausfall an den Schulen im Land bemängelt und mehr Lehrerstellen gefordert. Doch nun, eineinviertel Jahre nach dem Regierungswechsel, planen sie eine radikale Wende: Insgesamt 11. 600 Lehrerstellen will die grün-rote Landesregierung bis zum Jahr 2020 abbauen. So haben es Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und Kultusministerin Gabriele Warminski-Leitheußer (SPD) vorige Woche angekündigt. Dazu sollen auch kleine Schulen geschlossen werden.

Die Opposition nutzte die von der FDP beantragte Aktuelle Debatte, um mit Grün-Rot abzurechnen. „Sie haben sich auf eine bildungspolitische Geisterfahrt begeben“, warf Timm Kern, bildungspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, der Landesregierung vor. Vor zwei Monaten noch habe sich die Kultusministerin damit gerühmt, 711 Stellen gerettet zu haben, nun gefährde sie die Erfolge der Qualitätsoffensive Bildung, etwa kleinere Klassen oder die individuelle Förderung von Schülern an allen Schularten. Um ihr Lieblingsprojekt Gemeinschaftsschulen umzusetzen, vernachlässige sie zudem die anderen Schularten. „Sie wollen einen Brand löschen mit Benzin im Kanister“, so Kern.

Noch vor der Landtagswahl 2011 habe der Landtag das Kultusministerium beauftragt, bis Ende des vergangenen Jahres Zahlen über die Versorgung an den Schulen vorzulegen, um angesichts der sinkenden Schülerzahlen über einen Stellenabbau zu sprechen, sagte Sabine Kurz, Bildungsexpertin der CDU. Doch noch immer fehle eine Übersicht. Stattdessen liefere die Ministerin „Sprechblasen, Textbausteine und Worthülsen“.

Unterrichtsversorgung soll durch den Stellenabbau nicht leiden

Die Schulexperten der Regierungsfraktionen verspürten wenig Neigung, den Sparkurs ihrer Regierung zu rechtfertigen – sie hatten erwartet, dass über den auch aus ihrer Sicht unvermeidlichen Stellenabbau erst gesprochen wird, wenn Zahlen und ein Fahrplan für die bildungspolitischen Vorhaben vorliegen. Deshalb mussten die Fraktionschefs selbst in den Ring: Edith Sitzmann von den Grünen hielt sich in ihrer Verteidigungsrede an die Begründung des Landesrechnungshofs, der sogar rund 14.000 Stellen für verzichtbar hält: In den nächsten acht Jahren werde die Schülerzahl um ein Sechstel sinken, deshalb müssten die Stellen, die bereits einen KW-Vermerk tragen, und die nicht finanzierten Stellen aus der Qualitätsoffensive wegfallen. Zu Verschlechterungen werde es aber nicht kommen, sagte sie. „Wir wollen nicht mehr vom Gleichen, sondern setzen neue Schwerpunkte“, damit kein Kind mehr verloren gehe. Ihr SPD-Kollege Claus Schmiedel warf CDU und FDP vor, sie hätten Finanzierungsprobleme hinterlassen, die die Nachfolger nun ausbaden müssten. Er kündigte an, dass Stellen künftig nicht mehr von der Schulverwaltung zugeteilt werden sollten, sondern die Schulen Budgets erhalten, um selbst einzustellen. Damit solle verhindert werden, dass ein Teil der Schulen überversorgt seien, anderen hingegen Lehrer fehlten.

Auch Kultusministerin Warminski-Leitheußer machte die frühere Landesregierung für die „Steuerungsprobleme“ und Finanzierungslücken verantwortlich. Die Unterrichtsversorgung solle durch den Stellenabbau aber nicht leiden. „Sie ist das absolut Wichtigste und das Rückgrat einer jeden guten Bildungspolitik.“ Zudem werde die Krankenvertretung ausgebaut.

Der Verband der Berufsschullehrer kritisierte die Pläne, auch kleine Berufsschulen zu schließen. Ein wohn- und betriebsnahes Berufsschulangebot sei für die Jugendlichen in der beruflichen Bildung, aber auch für die ausbildende Wirtschaft unabdingbar, sagte Landeschefin Margarete Schaefer: „Lange Berufsschulwege sind ein Ausbildungshindernis erster Güte.“

Auch der Baden-Württembergische Handwerkstag (BWHT) hält es für unvertretbar, Berufsschulen im ländlichen Raum nicht weiterzuführen. Damit werde die Suche nach Auszubildenden erschwert, sagte Landeshandwerkspräsident Joachim Möhrle. „Der Handwerksbetrieb im Schwarzwald findet keinen Auszubildenden mehr, wenn der nicht auch eine wohnortnahe Berufsschule besuchen kann.“