Die Lockerungen für den Einzelhandel im Kreis Calw werden ab Mittwoch dieser Woche wieder zurückgenommen. Landrat Helmut Riegger folgt damit einer offiziellen Anweisung des Sozialministeriums, das den Calwer Weg, mit bereinigten Inzidenzwerten dem Einzelhandel eine Perspektive zu geben, auch für mögliche Nachahmer versperrt hat.
Kreis Calw - Der Sonderweg des Calwer Kreischefs in Zeiten der Corona-Pandemie machte vergangene Woche landesweit Schlagzeilen. In Landkreisen mit einer Sieben-Tages-Inzidenz von unter 50 durfte der örtliche Einzelhandel seine Ladentüren gemäß einer Landesverordnung wieder öffnen – der Kreis Calw wäre in diesem Fall mit einem Wert von 52,1 außen vor gewesen.
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Doch Helmut Riegger nutzte eine Lücke in der Corona-Verordnung des Landes und schuf die "bereinigte Inzidenz". Dadurch fielen Corona-Fälle, die eindeutig als Infektionskette nachvollziehbar waren, bei der Berechnung des Inzidenzwertes, also der Zahl der Infizierten in den vergangenen sieben Tagen auf 100.000 Einwohner gerechnet, weit weniger ins Gewicht. Mit der Folge: Der "bereinigte" Inzidenzwert im Kreis sank unter die magische Zahl 50 – und der Einzelhandel konnte wieder öffnen.
Wenig Sympathie für Calwer Extrawurst
Aber Riegger ahnte schon Anfang vergangener Woche, dass dieser Calwer Weg nicht lange Bestand haben würde, obgleich mancher Landratskollege, auch in Freudenstadt, Rieggers Sonderweg gut fand und ihm folgte. Im Sozialministerium aber beäugte man die Calwer Extrawurst mit wenig Sympathie. Vor der Wahl ließ das Ministerium die Sache noch laufen, dann, am Samstag, erging ein offizielles Schreiben an das Calwer Landratsamt, in dem klar gestellt wurde, dass eine bereinigte Inzidenz à la Calw dem erklärten Willen des Gesetzgebers entgegen stehen würde. Durch dieses Dekret wurden auch potenzielle Nachahmer gestoppt – und die Gesetzeslücke gestopft.
Riegger beugte sich, nachdem er am Montagmorgen den Rat seiner Hausjuristen eingeholt hatte, der Anweisung aus Stuttgart. Umgehend informierte er per Videoschalte Einzelhandelsvertreter und per Mail auch die Bürgermeister im Kreis von der Rücknahme dieser Lockerungen in Zeiten der Pandemie. Ab Mittwoch gilt wieder "Click and Meet" für den örtlichen Einzelhandel, also einkaufen nur mit vorheriger Anmeldung und unter strengen Hygieneauflagen.
Riegger aber bleibt dabei: Mögliche Lockerungen nur an den reinen Inzidenzzahlen festzumachen, hält er nach wie vor für "nicht richtig". "Viel mehr", sagte er im Gespräch mit unserer Zeitung, "sollte auch die Anzahl der Testungen und die lückenlose Nachverfolgung von Kontaktpersonen und Infektionsketten berücksichtigt werden." In Rieggers Augen ist nicht der kleinteilige Einzelhandel im Landkreis die Ursache für Infektionsketten: "Diese setzen viel mehr ihre Hygienekonzepte vorbildlich um."
Dabei hätte es der Anweisung aus Stuttgart, die Lockerungen zurückzunehmen, gar nicht bedurft. Anfang vergangener Woche war Riegger noch zuversichtlich, dass die Infektionszahlen im Kreis Calw zurückgehen würden. Das Gegenteil indes war der Fall. Auch die bereinigte Inzidenz kam Ende der Woche dem kritischen Schwellenwert von 50 sehr nahe. Am Wochenende überschritt sie diese Marke, die über die Rücknahme der Ladenöffnungen entscheidet. Riegger: "Dann hätte ich es sowieso zurückgenommen."
Wenn die Zahlen weiter so steigen, dürfte indes auch hinter dem Terminshopping schnell ein Fragezeichen stehen. Ab einer Inzidenz von 100 ist nach dem Stufenplan von Bund und Ländern nur noch "Click and collect" möglich, bei der eine Online-Bestellung abgeholt werden kann. Die Ladentüren aber bleiben zu.
Folgende Lockerungen müssen nach Angaben des Calwer Landratsamtes vom Montag mit Gültigkeit ab Mittwoch, 17. März, zurückgenommen werden:
• Öffnung des kompletten Einzelhandels. "Click & Meet" ist selbstverständlich weiterhin möglich.
• Musik-, Kunst- und Jugendkunstschulen dürfen Einzelunterricht und Unterricht für Gruppen mit bis zu fünf Kinder bis einschließlich 14 Jahre anbieten.
• Kontaktarmer Sport im Freien und auf Außenanlagen mit maximal 10 Personen. In Innenanlagen mit maximal 5 Personen aus nicht mehr als 2 Haushalten. Kinder der beiden Haushalte bis einschließlich 14 Jahre werden nicht mitgezählt. Paare, die nicht zusammenleben, zählen als einen Haushalt.
• Besuch von Museen, Galerien, Gedenkstätten, zoologischen und botanischen Gärten ohne Voranmeldung und Dokumentation der Kontaktdaten erlaubt.