Adrian Sonder (von links), Daniela Niendorf, Heidi und Helmut Ziefle sowie Fabienne Janz Foto: Rath/Stadtverwaltung

Am Montag beginnt die Gedenkwoche „80 Jahre Zerstörung von Freudenstadt“. Oberbürgermeister Adrian Sonder hat sich davor noch einmal mit Zeitzeugen unterhalten, die die „Stunde Null“ für die Stadt miterlebt haben. Heidi und Helmut Ziefle schildern ihre Erinnerungen.

Helmut Ziefle aus Igelsberg hat die Zerstörung von Freudenstadt vor genau 80 Jahren als Kind miterlebt, allerdings aus einer anderen Perspektive. Unweit seines Elternhauses stand die Artillerie der französischen Armee.

 

Oberbürgermeister Adrian Sonder und Fabienne Janz, die die Gedenkwoche zum Jahrestag der Zerstörung organisiert, trafen sich im Rathaus mit Helmut und Heidi Ziefle. Ortsvorsteherin Daniela Niendorf begleitete das Ehepaar beim Besuch im Rathaus.

„Der Jahrestag ist auch für uns ein besonderer Moment, um mit Zeitzeugen ins Gespräch zu kommen. Es gibt auch nicht mehr viele, die die Zeit noch miterlebt haben. Ihre Perspektive ist oft eine andere, intensivere als das, was in den Chroniken steht“, so Sonder. Mit ihnen sprechen zu können, sei daher sehr wertvoll: „Das heutige Wissen in der Gesellschaft um diese Zeit ist erschreckend gering ausgeprägt. Man weiß oft zwar noch, dass es zwei Weltkriege gab. Aber dann hört es meist schon auf.“ Daher sei es wichtig, den Zeitzeugen zuzuhören und sich mit der Geschichte zu befassen.

Eine Woche unter der Erde

In den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs war Helmut Ziefle achteinhalb Jahre alt. An den schicksalsträchtigen 16. April 1945 erinnert er sich noch gut. „Es war ein schöner Tag. Der April war so warm und trocken wie in diesem Jahr“, so Ziefle. Als Freudenstadt in Schutt und Asche versank, saß er mit seiner Familie im Keller ihres Bauernhofs. „Wir hörten das Donnern der Geschütze. Aber wir wussten nicht, was es zu bedeuten hatte.“

Eine Woche lang harrte die Familie unter der Erde aus. „Wir hatten alle unheimliche Angst.“ In den Wäldern, in denen Kinder spielten, lauerte auch Gefahr. Dort waren die Schützengräben, Waffen und Kampfmittel lagen unbewacht herum. Helmut Ziefle ist seiner resoluten Nachbarin Klara bis heute dankbar: „Sie hat uns verscheucht. Ansonsten wäre der eine oder andere von uns beim Hantieren mit Handgranaten wahrscheinlich ums Leben gekommen.“

Der Krieg hat Helmut und Heidi Ziefle nachhaltig geprägt. Heidi Ziefle, die aus Alpirsbach stammt, lernte ihren Vater erst im Alter von sieben Jahren kennen; er gehörte zu den Spätheimkehrern, die 1949 und 1950 aus russischer Kriegsgefangenschaft entlassen wurden. „Für Kinder sind 18-Jährige Idole und Vorbilder. Viele dieser Vorbilder gingen als Soldaten in den Krieg. Sie kehrten nicht mehr zurück, dafür gab es in immer kürzeren Abständen Trauergottesdienste. Am Ende waren praktisch alle Vorbilder tot“, beschreibt Helmut Ziefle.

Eine andere Lebensart

Das Ehepaar begrüßt die Gedenkwoche zur Zerstörung von Freudenstadt und will an einigen Veranstaltungen selbst auch teilnehmen. Helmut Ziefle sagt, er sei noch in einer Zeit aufgewachsen, in der das Feindbild von Frankreich noch allgegenwärtig war.

Als er sich später selbst ein Bild von dem Land machte, war er irritiert. Er sah eine andere Lebensart, etwa Frauen mit Zigarette lässig im Mundwinkel. Er habe aber auch die Überzeugung gewonnen: „Deutschland und Frankreich sind zwei so tolle Länder. Sie müssen zusammenarbeiten, nicht gegeneinander Krieg führen.“

Frieden nicht selbstverständlich

Frieden und Demokratie sind für Helmut Ziefle keine Selbstverständlichkeit. Er sagt, viele Deutschen hätten in der Zeit des Nationalsozialismus nichts anderes kennengelernt außer Krieg, Feindschaft und Militarismus.

Schon im Kindesalter seien sie in der Schule darauf gedrillt worden. „Die Propaganda war allgegenwärtig und hat uns alle geprägt“, so Helmut Ziefle. Er findet, man solle immer skeptisch bleiben und Dinge hinterfragen, nicht einfach alles glauben. „Die Jugend ist wahrscheinlich nicht weniger leicht beeinflussbar als damals.“